Stolperstein
Gedenken an Opfer des Nationalsozialismus in Meiningen
Am 27.Januar, dem Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, reinigt der „Eine-Welt-Verein“ Meiningen mit interessierten Bürger*innen die Stolpersteine der Stadt Meiningen.
Superintendentin Beate Marwede schreibt:
Die Stolpersteine für Käthe Thun und Else Oestreicher, die am Mittleren Rasen vor deren früheren Wohnhaus verlegt sind, habe ich wie in jedem Jahr gereinigt, siehe Foto .
Es ist meine Verbeugung vor zwei Frauen, die angesichts der Demütigung, Ausgrenzung und bevorstehenden Ermordung durch die Nationalsozialisten den Weg in den Tod wählten.
Ich bin in diesen Tagen bewegt und erschüttert von den Dokumentationsfilmen über die Wannsee-Konferenz. Mit welcher Akribie, Kaltschnäuzigkeit und Menschenverachtung die Ermordung von Juden geplant und beschlossen wurde, erfüllt mich mit Grauen und Scham und mit dem Willen: „Nie wieder darf solches Grauen und solche Menschverachtung geschehen! Nie wieder darf weggeschaut oder geschwiegen werden, wenn gruppenbezogene Menschenverachtung und Hassreden laut werden!“
Deswegen kann ich nicht dazu schweigen, wenn sich heute Menschen mit den ausgegrenzten, deportierten und ermordeten jüdischen Mitbürgern gleichstellen, weil sie wegen ihrer Haltung zu den Corona-Maßnahmen oder wegen ihrer Entscheidung, sich nicht impfen zu lassen, sich von Teilen des gesellschaftlichen Lebens ausschließen. Diese Menschen haben eine eigenverantwortliche Entscheidung getroffen und verantworten die Folgen ihres Handels. Die jüdischen Mitbürger in der Zeit des Nationalsozialismus hatten keine Wahl, sie wurden Opfer einer menschenverachtenden, vom Staat aus Rassewahn und wirtschaftlichem Kalkül betriebenen Vernichtungsaktion und fanden bei ihren bisherigen Mitmenschen viel zu wenig Unterstützung.
Wer die derzeitigen Corona-Maßnahmen und die Bemühungen um einen möglichst hohe Impfquote mit den Repressalien gegenüber den jüdischen Mitbürgern im Nationalsozialismus auf eine Stufe stellt und gar einen Judenstein trägt, wer die Impfkampagnen mit „Auschwitz für alle“ getitelt oder das empfohlene Impfen von Kindern den „Genozid an der nächsten Generation“ nennt, der verharmlost bewusst den Holocaust und beleidigt die Ermordeten.
Ich werde dazu nicht schweigen, wenn ich es höre, werde diesen Ansichten widersprechen und ich bitte alle Menschen guten Willens es auch zu tun. Meine Erfahrung zeigt mir: Wenn eine widerspricht (und dabei nicht selbst zu menschenverachtendem Vokabular greift), trauen sich auch andere zu widersprechen.
Ich bin dankbar für die Vielfalt, die mit jüdischen Mitbürgern und ihren religiösen und kulturellen Leben unser Land bereichert. Ich bin dankbar für den jüdisch-christlichen Dialog, den ich beim Theologischen Tag der Universität Jena wieder erleben durfte.
Ich wünsche mir diesen lebendigen Austausch mit allen Gruppen unserer Gesellschaft.
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