Sünden gehen in Flammen auf und Asche wird aufs Haupt gestreut
Das klassische Beichtgespräch ist längst Vergangenheit: Wie Pfarrer Stefan Kunze aus Wasungen neue Formen der Buße ins Gemeindeleben integriert
Von Sabine Kuschel
In Filmen wird das klassische Beichtgespräch manchmal noch dargestellt: Der oder die Beichtende und der Priester sitzen sich im Beichtstuhl gegenüber, zwischen ihnen die Trennwand mit vergitterter Öffnung. Der Beichtende zählt dem Priester seine Sünden auf.
Dieses klassische Beichtgespräch gibt es in der evangelischen Kirche nicht mehr. Die Beichte jedoch wurde entgegen der weit verbreiteten Auffassung und fehlenden Praxis mit der Reformation nicht abgeschafft. Wohl aber die Ohrenbeichte. In der Confessio Augustana von 1530, der verbindlichen Bekenntnisschrift der lutherischen Kirchen, heißt es dazu in Artikel 11: »Die Beichte wird beibehalten, jedoch ist eine Aufzählung der einzelnen Sünden nicht nötig.«
Wichtig wurde in der Reformation, dass das Sündenbekenntnis vor Gott und die Lossprechung von den Sünden durch Gott geschieht. »Das heißt, dass der Beichtende vor den Menschen nicht alle seine Sünden aufzählen muss, und dass die göttliche Lossprechung nicht an eine von Menschen auferlegte Genugtuung gebunden sein soll«, wie die Confessio Augustana erläutert.
Wenn das klassische Beichtgespräch kaum eine Chance hat, Beichte, Vergebung und Buße andererseits aber für das christliche Leben so wichtig sind – wie können sie ins Gemeindeleben, in den Alltag integriert werden? Stefan Kunze, Pfarrer in Wasungen (Kirchenkreis Meiningen) stellt Möglichkeiten vor, die er in seiner Gemeinde seit einigen Jahren anbietet: Zu Beginn der Fastenzeit schreiben die Gemeindemitglieder anonym auf einen Zettel, was sie gern in ihrem Leben ändern wollen. In Gesprächen erfahre er, dass es dabei seltener um veränderte Essensgewohnheiten gehe, erzählt der Pfarrer. Die meisten wollten weniger am Computer sitzen und dafür mehr Zeit mit der Familie verbringen. Die Zettel werden in eine Kassette gelegt, die während der Passionszeit auf dem Altar stehen bleibt. Zu Ostern werden die Zettel verbrannt.
Ein weiteres Angebot: Am Aschermittwoch lädt der Pfarrer zu einem Gottesdienst ein; bei der Verabschiedung zeichnet er jedem mit Asche ein Kreuz auf die Stirn und fordert auf: »Kehr um und glaube an das Evangelium.«
Als der Theologe vor einigen Jahren zum ersten Mal zu diesem Ritual des Aschekreuzes einlud, nahmen nur etwa 60 Prozent der Gottesdienstbesucher daran teil. Inzwischen sind es nach Kunzes Angaben etwa 90 Prozent. Für die Asche, die dafür verwendet wird, wurden am Sonntag Septuagesimä nach dem Gottesdienst Palmzweige verbrannt.
Mit Konfirmanden praktiziert der Theologe eine andere Variante von Beichte. Vor der Konfirmation geht er mit den Konfirmanden – in diesem Jahr sind es elf – in die Kirche. Nach einer Bußandacht nehmen die Jugendlichen Stifte und Zettel und suchen sich in der Kirche einen Platz, an dem sie ganz für sich sind. Hier schreiben sie sich alles von der Seele, was ihnen leidtut. Das sei nicht in wenigen Minuten erledigt, so Kunze. »Sie brauchen dafür fast eine Stunde.«
Für den Pfarrer ein Hinweis, dass die Konfirmanden dieses Angebot sehr ernst nehmen. Die Blätter mit allem, was sie aufgeschrieben haben, kommen dann in einen großen Umschlag. Der Theologe versichert den jungen Leuten, dass das Geschriebene niemand lesen wird. Es bleibe Geheimnis zwischen ihnen und Gott. Ganz im Sinne des Augsburgischen Bekenntnisses, nach dem das Sündenbekenntnis nur vor Gott geschieht und nicht an eine von Menschen auferlegte Wiedergutmachung gebunden ist. Kunze erlebt diese Zeit mit den Konfirmanden als eine besondere. Seinen Abschluss findet das Ritual, wenn der Pfarrer die Konfirmanden in agendarischer Form fragt, ob sie die Vergebung wollen, die er ihnen dann zusagt.
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