Kirchenmusik
Romantisches Oratorium „Moses“ von Max Bruch im Merseburger Dom
Von Stefan Mücksch
Die etwa 160 Mitwirkenden konnten sich nach der Aufführung des Oratoriums "Moses" über tosenden Applaus freuen. Seit langer Zeit bereiteten sich die Choristen auf das Konzert am 15. September im Rahmen der Merseburger Orgeltage vor. Dieses hochromantische Werk wird nur sehr selten aufgeführt und stellt für alle Mitwirkenden eine besondere Herausforderung dar. Ausführende waren die Domkantorei Merseburg, der Sächsische Kammerchor, Solisten (Martin Petzold – Tenor, Andreas Scheibner – Bass, Magdalena Hinterdobler – Sopran) und die Staatskapelle Halle. Die Leitung lag in den Händen von Domkantor Stefan Mücksch. Auch die große Ladegastorgel des Domes wurde wie vom Komponisten vorgesehen einbezogen. Selbst im vollen Tutti fügt sie sich wunderbar in den Gesamtklang von Chor und Orchester ein. In den letzten beiden Jahren hat die Domkantorei Merseburg die großen romantischen Oratorien "Paulus" und "Elias" von Mendelssohn aufgeführt, nun passend zum Thema der diesjährigen Orgeltage „Pilgerreise“, das Oratorium "Moses".:
„Im Mittelpunkt des Werkes steht also die imponierende Persönlichkeit eines der größten Volksführer der Weltgeschichte, und daneben habe ich bewegte Massen – das scheint mir für ein Oratorium auszureichen", schrieb Max Bruch, einer der großen deutschen Romantiker, in einem Brief vom 17. Dezember 1893, mit dem er seinen Freund, den angesehenen Musikwissenschaftler und Bachforscher Philipp Spitta, in den Plan eines „Moses"-Oratoriums einweihte.
Bruchs biblisches Oratorium op. 67 knüpft geschichtlich am Ende von Händels „Israel in Ägypten" an und führt vom Geschehen am Berg Sinai bis zu Moses Tod im Anblick des verheißenen Landes Kanaan. Der machtvolle Eingangschor ist bereits auf die Werkidee zugeschnitten: Mose erscheint als „der eigentliche, große Repräsentant und Bewahrer des Monotheismus" (Bruch), seine Größe liegt in der Erfüllung des Willens Jehovas' zum Bund mit Israel. Das Werk ist dramatisch angelegt, ohne Erzählrahmen. Das Libretto besteht aus Bearbeitungen von Textstellen des Alten Testaments und aus Psalmen-Zitaten. Die kraftvolle Sprache der Luther-Übersetzung ist noch zu spüren und ruft einen archaischen Eindruck hervor. Nicht zu übersehen sind die zahlreichen Parallelen zur Figur des Propheten Elias und zum gleichnamigen Oratorium von Felix Mendelssohn Bartholdy. Die Oratorien sind sich nicht nur thematisch sehr ähnlich, sondern auch in ihrer musikalischen Umsetzung voller Spannung und eindrücklicher Bilder. Das gewaltige und stimmungsvolle Oratorium „Moses“ besteht aus zwei Teilen und zeigt vier Episoden aus dem Leben des Propheten Mose.
Die erste Episode, Am Sinai, stellt Mose als den Anführer des Volkes Israel dar. Er wird vom Engel auf den Berg gerufen, um dort die Zehn Gebote von JHWH (dem Gott der Israeliten) zu empfangen. Sein Bruder Aaron ist während seiner Abwesenheit zum Hüter des Volkes bestimmt. Der mit Psalm 90 beginnende Lobgesang der beiden Solostimmen von Mose und Aaron im Wechsel mit dem Volk war für Bruch ein Kernstück des Werkes.
In der zweiten Episode, Das goldene Kalb, steuert die Handlung in weitem Bogen auf den tragischen Konflikt des Oratoriums zu: die Abwendung des Volkes Israel von ihrem Gott. Drei impulsiv angelegte Chorszenen schildern Unruhe und Zweifel des Volkes über das lange Ausbleiben des Propheten. Die rohe Forderung an Aaron, als sichtbaren Götzen ein goldenes Kalb zu schaffen, gipfelt im Zorn des wiedergekommenen Mose, der das um den Götzen Baal tanzende Volk zur Ordnung ruft.
Die dritte Episode, Die Rückkehr der Kundschafter aus Kanaan, beginnt mitten in der Auseinandersetzung zwischen Mose und dem Volk. Die Späher, die Mose ins Gelobte Land geschickt hatte, berichten hymnisch vom „Land der Träume". Doch der Prophet befindet das Volk Israel zu unwürdig, um das Gelobte Land zu betreten. Aaron und die Israeliten kommen zur Einsicht: „Hilf du uns Gnade finden". Es folgt die Darstellung des Kampfes mit den Amalekitern.
In der letzten Episode, Das Land der Verheißung, kündigt der Engel des Herrn Mose sein nahendes Ende an. Der Prophet führt sein Volk auf den Berg Nebo, der den Blick nach Kanaan erlaubt. Dort segnet Mose das Volk, ehe er auf dem Berg stirbt, ohne das Land je betreten zu dürfen. Er gehörte noch zur sündigen Generation derer, die JHWH ungehorsam waren. Die Schlussverse rühmen Moses Sonderstellung: „Es stand hinfort kein Prophet in Israel auf wie Mose“.
Autor:Katja Schmidtke |
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