Römer 13
die Sache mit der Obrigkeit

2Bilder

Gedanken zu Römer 13
Wer erinnert sich noch an die DDR? An die Arbeiter - und Bauernrepublik. Den oft so gescholtenen Unrechtsstaat, welchen anno 1989 der Widerstand seiner Bürger nach vierzig Jahren glaubte hinweggefegt zu haben? Ja - die Leute hassen unter Umständen den real existierenden Staat, aber sie lieben die Heimat. Und: Auch die Kirche wird hie und da komplett abgelehnt - jedoch irgendwie tief religiös ist selbst der allerletzte Skeptiker. Wie geht man denn mit staatlicher und überhaupt institutioneller Obrigkeit um? Denn die Bauernkriege vor 500 Jahren wurden blutig niedergeschlagen, obwohl wir ihr Anliegen heute gut verstehen können. Auch Ludwig des XVI. Haupt fiel - genauso wie der Kopf Thomas Müntzers in den Korb des jeweiligen Scharfrichters …

Einer der umstrittensten Texte des Neuen Testament ist wohl auch deshalb das dreizehnte Kapitel des Römerbriefes. Dort würde, meinen manche, zur Knechtsmentalität aufgerufen und zum blinden Obrigkeitsgehorsam - samt theologischer Begründung. Wortwörtlich heißt es in Römer 7: 

„Jedermann sei untertan der Obrigkeit,
die Gewalt über ihn hat.
Denn es ist keine Obrigkeit ohne von Gott;
wo aber Obrigkeit ist,
die ist von Gott verordnet.
Wer sich nun der Obrigkeit widersetzt,
der widerstrebt Gottes Ordnung;
die aber dieser widerstreben,
werden über sich ein Urteil empfangen.”

Hätte man diese Verslein 1989 buchstäblich ernst genommen, wäre vielleicht Margot Gott geblieben? Bzw. irgendeine ihrer ersetzbaren Nachfolgerinnen an ihre Stelle getreten, weil die Bildungsministerin  mit den hellblauen Locken und Gattin des ersten Staatslenkers inzwischen längst in der Hölle „VON BÖSE AUF GUT” umzuschulen versucht wird. Ob das gelingt?  

Lasst uns an dieser Stelle ein wenig in die Welt persönlicher Erinnerungen abtauchen. Meist in den Iden des Monats März bis zum Jahr 1989 erschien in treuer Regelmäßigkeit ein Vertreter vom Rat des Kreises am Evangelischen Pfarramt der kleinen Dorfgemeinde Bülzig im Kirchenkreise Wittenberg. Dieser Mann gehörte der damaligen BlockflötenCDU an und mühte sich um lockere Konversation mit dem damaligen Vakanzvikar, der eben jetzt und hier - freilich im Abstand von fünfunddreißig Jahren - seine Erinnerungen niederschreibt: „Im Rahmen ‚vertrauensbildender Gespräche‘ sollte der offizielle Kontakt der Kreisverwaltung Wittenberg zu den Kirchengemeinden nicht abreißen!” lautete der Spruch des Besuchers während der telefonischen Ankündigung seiner Visite. Im Verlaufe des letzten solcher Gespräche wurde (bei Tee und Gebäck aus dem Ortskonsum) seitens des erschienenen Vertreters ehemalig staatlicher Ordnung fast flehentlich auf die oben zitierte Stelle Römer 13,1-7 hingewiesen: „Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat.” Monate später zeigten die Untertanen dieser Obrigkeit, was sie von ihr hielten - und lange schon gehalten hatten. Nicht viel …

Morgen ist im Gottesdienst der Text Römer 13,1-7 zur Predigt empfohlen. Die politischen Zustände sind wiederum nicht gut - das Land ist tief gespalten. Die Regierenden haben die Kontrolle über Vieles verloren, wofür sie verantwortlich sind - geben das aber nicht zu. Vorwürfe an die Obrigkeit von allen Seiten melden sich verstärkt. Es ist eigentlich unnötig, präziser darauf einzugehen. Der Vollständigkeit halber soll Einiges von dem, was derzeit in aller Munde ist, trotzdem kurz angedeutet werden:

- Deindustrialisierung des Wirtschaftsstandortes Deutschland durch falsche Entscheidungen
- verfehlte Weichenstellungen bei der Planung der Energiepolitik
- ideologiegesteuertes Bildungswesen
- Zulassung ungesteuerter Migration
- Zerstörung des Ansehens der Bundesrepublik im Bereich außenpolitischer Äußerungen

Längere Zeit kursiert auch die Meinung, das System der Parteiendemokratie sei inzwischen an seine natürlichen Grenzen gekommen, nicht zuletzt auch deshalb, weil die Parteien die Strukturen des Staates für sich und ihre Versorgungsinteressen gekapert hätten, die Gewaltenteilung unterlaufen wird und die Oppositionsparteien ungerecht behandelt würden. Das sind schwere, wirklich grundlegende Vorwürfe und kritische Fragen, welche politisch kommuniziert werden müssten. Im Gottesdienst freilich nicht - aber im öffentlich-politischen Diskurs. Was wir als Christen in unseren Gottesdiensten trotzdem machen können?  Für die Obrigkeit samt denen, die ihr untertan sein müssen, bittend und im Gebet einzustehen ...

Das Lied „Verleih uns Frieden gnädiglich” zum Beispiel. Im Evangelischen Gesangbuch (EG Seite 421) hatte früher (EKG 139) auch dessen zweite Strophe (in Anlehnung an 1. Timotheus 2,2) gestanden, welche heute leider nicht mehr abgedruckt ist. Der Text, ins singbare Metrum von EG 421 gebracht, lautet dann etwa

Gib unserem Volk und Obrigkeit
Fried und gut Regiment.
Dass wir ein ruhig Leben führ’n
gottselig und in Ehrbarkeit. Amen1)

Mit diesen Worten ist insinuiert, was Paulus seinem Mitapostel Timotheus über den Vers 2 hinaus noch zusätzlich Wichtiges geschrieben hat:  "3 Denn solches ist gut und angenehm vor Gott, unserm Heiland, 4 welcher will, daß allen Menschen geholfen werde und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen!” Ja - das kann man sich wirklich wünschen, dass die Regierenden zur Erkenntnis nicht nur der Wahrheit kommen, sondern auch zur Erkenntnis eigener partiell bis kompletter Unfähigkeit.

Früher hatte jeder kleinere Fürst seinen Seelsorger und Fürstenerzieher dicht bei wohnen. In Giuseppe Tomasi di Lampedusas Roman >> DER LEOPARD << zum Beispiel wird davon ein wunderbares Bild gezeichnet. Lampedusas Buch ist verfilmt worden. >> Burt Lancaster << spielt den Fürsten Don Fabrizio Corbera von Salina und Claudia Cardinale seine Frau, die Fürstin Angelica Sedara. Der einfühlsame Pater und Beichtvater Saverio Pirrone wird von Romolo Valli gegeben. Und die tägliche Messe im Hause des Fürsten mit Gebet um Kompetenz, Gnade und Vergebung ist täglich unabdingbar ...

Dagegen scheinen bestimmte politische Verantwortungsträger sogar stolz darauf zu sein, dass man auch "ohne Gott und Sonnenschein" sein eigenes Ding machen kann. Auch hört und liest man davon, wie Demokratie - also die Volksherrschaft - hie und da von sogenannten "parasitären Eliten" gerade zur Umkehr dessen geworden ist, was sie einst sein Sollte. Prof. Rainer Mausfeld hat ein überaus lehrreiches Buch zu diesem Thema verfasst. Es heißt „Hybris und Nemesis: Wie uns die Entzivilisierung von Macht in den Abgrund führt." Wenn wir uns auf diesem Weg befinden sollten, und es spricht vieles dafür - wäre das qualifizierte Kirchengebet tatsächlich das Einzige, was Christenmenschen für die Obrigkeit noch tun können. Auf keinem Fall darf man ihr untertan sein oder wieder werden!

Vielleicht noch, dass man bei Wahlen (oder Neuwahlen?) seine Stimme mutig und überlegt positioniert und mit seinem "Kreuz kein Scheiß macht." Die PARTEI hat zwar nie oder selten Recht gehabt. Aber mit diesem Slogan hat sie einmal unvergesslich etwas Überzeitliches formulieren dürfen. Die USA lassen das Thema gerade abgehen. Sie werden es der Welt am 5. November zeigen. So oder so …

---
1) Ursprünglich: "Gib unserm Volke und aller Obrigkeit / Fried und gut Regiment. / dass wir unter ihnen ein geruhig und stilles Leben führen mögen / in aller Gottseligkeit und Ehrbarkeit. Amen"

die Obrigkeit ... Lampedusa: DER LEOPARD (FILM VON VISCONTI)
Autor:

Matthias Schollmeyer

Webseite von Matthias Schollmeyer
following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

17 folgen diesem Profil

1 Kommentar

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Anzeige

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.