Glaube ohne Heimat
Kirche in der Region – ihre Situation ist unterschiedlich, je nachdem, ob die Kirche auf dem Land oder in der Stadt ihre Heimat hat. Zwei Beispiele aus der mitteldeutschen Landeskirche.
Von Sabine Kuschel
Wenn Michael Kleemann, Superintendent im Kirchenkreis Stendal, einer ländlichen Region, die Lage beschreibt, klingt das dramatisch. »In den vergangenen zehn Jahren haben wir im Landkreis Stendal etwa ein Fünftel der Einwohner verloren.« Die Landflucht und der demografische Wandel machen der Region und der Kirche zu schaffen. Was bindet Menschen an einen Ort und was veranlasst sie, wegzugehen?
Mit dieser Frage habe sich auch der Kirchentag auf dem Weg in Weimar und Jena beschäftigt, erzählt Kleemann. »Für Beheimatung ist wichtig, ob es eine lebendige Gemeinschaft gibt.« Das heißt, ob junge Familien an einem Ort auf ebensolche treffen. Wenn es in den Dörfern keine Arbeit gibt, Kindertagesstätten fehlen und Schulen schließen, zieht es die Menschen in die Stadt. »In den nächsten zehn bis zwanzig Jahren werden hier weniger Menschen leben, und es fehlt ein probates Mittel, um diesen Wandel aufzuhalten«, so die Prognose des Theologen.
Von dieser schmerzhaften Entwicklung ist in einer Stadt wie Magdeburg nicht so viel zu spüren. Während die Mitgliederzahlen auf dem Land sinken, halten sie sich im Kirchenkreis Magdeburg konstant. »Wir profitieren von dem rückläufigen Trend in ländlichen Regionen«, sagt Pfarrer Ronny Hillebrand, stellvertretender Superintendent im Kirchenkreis Magdeburg.
Denn die Menschen, die aus den Dörfern fliehen, zieht es in die Stadt. Für die stabilen Zahlen in den Kirchengemeinden sorgen zum einen junge Leute, die zum Studium nach Magdeburg kommen. Zum anderen seien es die alten Menschen in den Alten- und Pflegeheimen, die ursprünglich in ländlichen Regionen lebten.
Wenn die Kirchenzugehörigkeit abnimmt, hat das Einfluss auf die Stellenpläne. In der Region zwischen Havelberg und Genthin habe es bis Ende der 1960er-Jahre noch 22 Pfarrstellen gegeben, erklärt Kleemann. Heute seien es nur noch drei. Und deren Bestand sei stark gefährdet.
Das sei für die Kirche eine große Herausforderung. 2019 rechne man mit deutlich weniger Geld. Also sieht der Stellenplan einen weiteren Abbau von Pfarrstellen vor. Kleemann fragt: Was aber heißt das für die Gemeinden? Für die Kirchenmusik? Für die missionarische Ausstrahlung? Für die Kinder- und Jugendarbeit? Wie er sagt, bereiten ihm diese Fragen nachhaltig Sorgen. »Das macht einen atemlos«, so sein Kommentar. Kleemann ist seit 1995 Superintendent im Kirchenkreis Stendal, der Dienstälteste, wie er sagt. Seit er das Amt innehat, habe ihn vorrangig die Arbeit an Strukturen beschäftigt. Mehr als 20 Jahre struktureller Um- und Rückbau! Ermüdung mache sich bemerkbar.
»Die im Stellenplan 2019 vorgesehene Reduzierung betrifft uns nicht«, sagt hingegen Ronny Hillebrand. Dank der stabilen Zahlen im Kirchenkreis und einer vorausschauenden Planung. Die meisten Pfarrer arbeiten Teilzeit. Vollzeitstellen gäbe es nur wenige. Der Stellenplan schreibe 23 Pfarrstellen vor, von den derzeit etwa 25 besetzten Stellen müssten also zwei gestrichen werden. Doch mit der Teilzeitregelung seien die bereits jetzt schon eingespart, erklärt der Pfarrer.
Auf dem Land sind freilich auch positive Signale zu erkennen: Engagierte Menschen und viele Ideen, berichtet Kleemann. Eine Idee heißt: Baufasten im Kirchenkreis. »In den vergangenen 25 Jahren sind Millionen und Abermillionen ins Bauen investiert worden«, erläutert der Superintendent. »Wir sind flächenmäßig gut bestellt. Wir haben gute Einnahmen aus den Ländereien.«
Allerdings ist er unzufrieden, weil diese Einnahmen in den Baulastfonds fließen. Stattdessen wünscht sich Kleemann, dass die Kirche mit den finanziellen Mitteln kreativ umgeht und nach anderen Regelungen sucht. Dass etwa die Einnahmen aus den Ländereien nicht nur in den Baulastfonds fließen, sondern auch für Personalkosten verwendet werden können. Einen entsprechenden Antrag werde der Kirchenkreis an die Landessynode richten.
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