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Offener Brief an EKD (Wortlaut)
Vikare kritisieren Umgang mit Staatsgast aus China

Protest: Vor der Thesentüre der Schlosskirche in Wittenberg hatten Vikare die Christenverfolgung in China kritisiert. Zum Empfang des chinesischen Gastes war die Kritik vom roten Teppich verdeckt.  | Foto: Mederacke
  • Protest: Vor der Thesentüre der Schlosskirche in Wittenberg hatten Vikare die Christenverfolgung in China kritisiert. Zum Empfang des chinesischen Gastes war die Kritik vom roten Teppich verdeckt.
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Offener Brief an:
Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD)
Das Bundesland Sachsen-Anhalt
Die Lutherstadt Wittenberg
Die Evangelische Schlosskirchengemeinde Wittenberg

Wir als Vikarinnen und Vikare des Evangelischen Predigerseminars Wittenberg bitten die Ev. Schlosskirchengemeinde, die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), die Stadt Wittenberg und das Land Sachsen-Anhalt um Stellungnahme:

Am 1. Juni 2019 besuchte der Vizestaatspräsident der Volksrepublik China Wang Qishan die Stadt Wittenberg. Im Rahmen dieses „Privatbesuches" fand eine Besichtigung der Schlosskirche statt. Flaggen Sachsen-Anhalts, der Bundesrepublik, der EU und der Volksrepublik China in doppelter Ausführung säumten dabei den roten Teppich, der durch die Thesentür in die Kirche führte. Während dieses Besuches waren sowohl der Schlosskirchenvorplatz als auch die Kirche weder für Gebet noch für Besichtigung zugänglich.

Als Theologinnen und Theologen sind wir empört!

1. Staatsflaggen gehören nicht vor die Kirchentür! Wir lehnen die Vereinnahmung kirchlichen Raums als Kulisse politischer Inszenierung strikt ab.
2. In einem Gotteshaus ist jede und jeder willkommen. Keinem Menschen gebührt es, dafür extra einen roten Teppich ausgerollt zu bekommen!
3. Kirche ist mehr als nur ein historisches Gebäude. Gerade in Ostdeutschland sollte Kirche sensibel gegenüber Vereinnahmung und Machtausübung durch autoritäre Regime sein.
Welchen Eindruck von protestantischer Kirche vermitteln wir dem chinesischen Vizestaatspräsidenten, wenn nur das Gebäude gezeigt, aber nicht die christlichen Werte vertreten werden? Wir verweisen hier stellvertretend auf die verfolgten Glaubensgeschwister in China (1131 Neuinhaftierungen 2017/18; Quelle: OpenDoors). Weder sie noch andere Minderheiten, wie die Uiguren, haben die Möglichkeit oder das Recht, ihre Meinung frei zu äußern.

Kritische Meinungsäußerungen vor der Kirche und im Schlosshof wurden vor dem Besuch in vorauseilendem Gehorsam entfernt. Polizeibeamte verschafften sich Zutritt zu den Räumen des Evangelischen Predigerseminars Wittenberg und beschlagnahmten ein Banner mit der Aufschrift „Stop persecuting our Brothers and Sisters!" („Beenden Sie die Verfolgung unserer Brüder und Schwestern!"). Die rechtliche Grundlage dieses Vorgehens ist erklärungsbedürftig.

Als deutsche Staatsbürger und Staatsbürgerinnen sind wir empört!

1. Wie kann es sein, dass unser Grundrecht auf freie Meinungsäußerung nur so lange gilt, bis ein Repräsentant eines autoritären Regimes zugegen ist?
2. Wir stellen in Frage, ob die Polizei sich rechtmäßig Zutritt zum Evangelischen Predigerseminar Wittenberg verschafft hat.
3. Wir halten das schweigende Übergehen der Menschenrechtsverletzungen in China durch Repräsentanten von Kirche und Politik für unverantwortlich!

Die Vikarinnen und Vikare des Evangelischen Predigerseminars Wittenberg: Claudia Diese, Sebastian Gebauer, Manfred Kiel, Anja Kirschner, Philipp Körner, Sebastian Kreß, Franziska Matzdorf, Fabian Mederacke, Lydia Pietsch, Robert Rehm, Franziska Rotte, Lennart Schirr, Jonathan Schmidt, Meik Schmidt, Sven Schmidt

Autor:

Willi Wild

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