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Wege aus der Sucht

Hilfe: Den Weg gemeinsam mit einem Süchtigen zu gehen ist hart. Suchtberater geben Tipps, woran Angehörige eine Abhängigkeit erkennen, welche Fehler sie vermeiden sollten und wie sie helfen können.

Von Brigitte Vordermayer

Ständig hängt der Sohn am Smartphone, verdächtig oft kommt der Ehemann mit einer Fahne vom »Sport«. Die Tochter braucht ihre Jeans schon wieder eine Nummer kleiner, und Mama frühstückt seit einigen Tagen nur Zigaretten. Vier Beobachtungen über das Verhalten von Familienmitgliedern, die Grund zur Sorge sein können – aber nicht müssen. Denn längst nicht alles außerhalb der Norm ist eine Sucht oder führt dorthin. Dennoch kann gerade für Gefährdete das wachsame Auge besorgter Menschen wichtig sein. Denn ihre eigene Selbsteinschätzung trügt häufig.
»Sucht zu verdrängen und nicht wahrhaben zu wollen gehört zum Krankheitsbild«, erklärt Knut Kiepe, Sozialarbeiter vom Gesamtverband für Suchthilfe, einem Verband der Diakonie.
Zwei Fragen können Angehörigen helfen herauszufinden, womit sie es zu tun haben. Erstens: Was passiert, wenn das Suchtmittel nicht vorhanden ist? Wird der potenziell Abhängige unruhig und versucht vieles, um es sich wieder zu beschaffen? Das kann ein Hinweis darauf sein, dass jemand süchtig ist, beschreibt Andreas Bosch, Vorsitzender der Freundeskreise für Suchtkrankenhilfe.
Die zweite Frage bezieht sich auf den Kontrollverlust: Ist derjenige noch in der Lage, sein Leben zu meistern? Zur Schule oder Arbeit zu gehen, Freunde zu treffen, Hobbys zu pflegen? »Menschen mit Suchtproblem richten ihr Leben nach der Droge. Zuerst kommt sie, dann alles andere«, sagt Kiepe. Diese Nachrangigkeit lasse sich bemerken. Lässt sich ein Verdacht nicht ausräumen, rät Bosch, die Beobachtungen offen anzusprechen. »Es kann sein, dass die Süchtigen alles abstreiten, es kann aber auch sein, dass sie ins Nachdenken kommen und einer Behandlung zustimmen«, sagt er. Keinesfalls sollten Angehörige zögern, sich an eine Beratungsstelle oder Sucht-Selbsthilfegruppe zu wenden.
Der schlimmste Fehler ist, wenn sich Angehörige gar nicht für den übermäßigen Konsum interessieren oder ihn als willkommenen »Ruhigsteller« von Partner oder Kind betrachten, sagt Kiepe. Auch das andere Extrem sei falsch: Wenn etwa Eltern Jugendlichen die Smartphone-Nutzung komplett verbieten. »Oft machen Angehörige aus Sorge vor den Konsequenzen genau das Falsche«, sagt Bosch.
So bringt die Ehefrau dem Alkoholiker den Schnaps vom Einkaufen mit und verhindert so, dass er selbst raus muss und sich seiner Sucht stellt. Eltern liefern dem jugendlichen PC-Zocker das Essen an den Schreibtisch, sodass er seine Spielhölle gar nicht mehr verlässt. Kontraproduktiv ist auch, wenn Angehörige Alkohol- oder Tablettenvorräte einfach wegkippen. Das schüre nur Wut und zerstöre Vertrauen. Außerdem hört damit die Sucht nicht auf, und die Folgen der Entzugserscheinungen sind nicht ohne Weiteres abzuschätzen, sagt Bosch.
Tatsächlich sind die Möglichkeiten von Angehörigen, einem uneinsichtigen Kranken zu helfen, begrenzt. Herbert Weinmann, Suchttherapeut beim Blauen Kreuz, rät, das Thema vorsichtig anzusprechen oder das Infoblatt einer Beratungsstelle »wie zufällig« liegen zu lassen. Doch ohne die Einsicht, abhängig zu sein und Hilfe zu brauchen, habe man wenig Chancen. Der Suchttherapeut gesteht: »Das ist schwer auszuhalten.«
Wenn ein Nahestehender leidet, will man helfen. Doch oft nehmen Angehörige dafür zu viel auf sich. »Sie ertragen Situationen länger als ihnen guttut«, sagt Bosch. Manchmal kommt es sogar zur Ko-Abhängigkeit. »Wenn Angehörige anfangen, sich nach demselben Muster wie der Suchtkranke von der Sucht ihr Leben strukturieren zu lassen, ist eine Grenze erreicht«, erklärt Kiepe. Damit es nicht so weit kommt, ermutigen die Experten Angehörige, sich früh an eine Beratungsstelle zu wenden. Sie hilft, das Verhalten des Betroffenen zu verstehen, richtig zu reagieren und idealerweise eine Lösung zu finden.

Autor:

Kirchenzeitungsredaktion EKM Süd

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