das andere 3G
getauft - geglaubt - gerettet
Wer von der Frohen Botschaft noch nicht genug hat, der greife zum Thomasevangelium. Uwe-Karsten Plischs Kommentar zu dieser bemerkenswert frühchristlichen Schrift beschenkt alle Leser mit einer Fülle interessanter Beobachtungen und vieler Details. Manche Forscher rücken das Thomasevangelium vom Alter her in die Zeit sogar vor Markus. Plischs deutsche Übersetzung des griechischen bzw. koptischen Textes liest sich gut - und tut auch gut. Führt sie doch über die Vorhallen frühkirchlicher Textmanipulation weit hinaus - hier draußen weht der geheimnisvolle Wüstenwind: Noch nicht gebändigt von den Turbinen jener Gemeindetheologie, welche wir aus dem Neuen Testament glauben berechtigt herauslesen zu dürfen. Wenn Jesus etwa sagt: „Werdet Vorübergehende” (Logion 42). Oder: „Wer sucht, soll nicht aufhören zu suchen, bis er findet. Und wenn er findet, wird er bestürzt sein. Und wenn er bestürzt ist, wird er erstaunt sein. Und wird König sein über das All” (Logion 2). Das ist Reizstrom auf die verspannten Denk-Gelenke Jahrzehnte alter Textbewirtschaftungspraxis. Hier wird nichts pädagogisch geglättet bzw. irgendwas komisch erklärt. Denn hier triumphiert noch der Mythos über den vom Gedanken angekränkelnden Logos. Hier ist - wie am ersten Tag - die ganze Kraft ursprünglich vorhanden. Und am Anfang des Thomasevangeliums steht sowieso das Allerstärkste: „Er sprach: ‚Wer die Deutung dieser Worte findet, wird den Tod ganz gewiss für sich selbst nicht schmecken‘” (Logion 1,2).
Den Tod schmecken, oder nicht schmecken - das klingt sehr poetisch. Diese Begrifflichkeit erinnert ein wenig an Karl May, wo der seinen Winnetou etwa sagen lässt: „Mein weißer Bruder Charly und sein roter Freund Winnetou, Häuptling der Apachen, werden heute, noch ehe das große Sonnenlicht hinter den Bergen verschwunden ist, viele der Bleichgesichter den Tod haben schmecken lassen!”
Wie schmeckt denn der Tod? Bitter oder süß, sauer oder nach nichts? Im Griechischen lautet das Verbum für jenes bedeutsame Sinnfeld „Kosten, Verkosten, Abschmecken und Schmecken” γεύoμαι. Das onomapoetische „geu, geu, geu” führte schließlich zum Verbum geuomai - hier: γεύσεται (3. Person Singular Futur Medium). Der Mund macht die Bewegung des kauenden Kostens mit und spricht dabei: Geu, geu, geu. Sprechen und Kauen zugleich. Ein guter Wein wird „gekaut”. Oder - wie die Württemberger sagen - man soll ihn „schlonzen”. Dazu muss der Wein an die hinteren Ränder der Zunge gelangen - solches gelingt durch ein unüberhörbares Schlürfen.
Und das erinnert uns natürlich sofort an die Geschichte von der Verkostung jener seltsamen Frucht im Paradiese - von der die Ureltern nahmen und darauf hin gezwungen waren, alles nur noch dual sehen zu wollen: gut/böse - links/rechts - geimpft/ungeimpft usw. Dadurch kam der Tod in die Welt und die Angst vor ihm. Und man darf fragen, was schwerer wiegt, ein ganzes Leben unbewusster Angst vor Tod und Sterben - oder am Ende des Lebens der Tod, von dem der weise Philosoph Epikur gesagt haben soll: „Der Tod geht mich eigentlich nichts an. Denn wenn er ist, bin ich nicht mehr, und solange ich bin, ist er nicht.“ Nun möge der Tag fern sein, da wir den Tod schmecken müssen - aber gekostet haben wir ja doch von ihm: Die gesamte Corona-Zeit ist ein unfreiwillig und zugleich selbstverordnetes Kosten und Abschmecken des Todes. Die zwei Archonten Angst und Furcht zwingen uns dazu. Und die Menge ihrer Schergen hat sich dazu entschlossen, aus Verantwortung aller für alle diesen ihren beiden Gebietern immer mehr zu dienen.
Also - Thomasevangelium lesen - aber auch verstehen! Unvergesslich, wie sich der Altbischof Axel Noack in Bitterfeld von uns im Jahr 2009 beim Konvent verabschiedete: „Der liebe Gott gibt sich ja viel Mühe mit uns, aber am Ende lässt er uns doch alle sterben!” Eine betroffene Heiterkeit machte sich im Kreise der Geistlichen breit - denn der Mann hat ja Recht … Auch in diesem Logion zeigt der Mythos dem Logos seine Stärke. Oder die andere Geschichte vom Emeritus (erst vor kurzem wirklich geschehen und mir aus verlässlicher Quelle zugetragen), der in eine sächsische Kirche gehen wollte, wo eine schöne Motette aufgeführt werden sollte. Da es nun an Raum in der Herberge mangelte, meinten die Leute in der ersten Reihe: „Wir rügg’n ä bissl zusamm’. Wir sind ja alle zweema geimpft. Sie ooch?” Er aber antwortete und sprach: „Ich bin getauft!” Es wurde ein wunderbares Konzert. Heitere Betroffenheit. Wer diese Worte versteht, der wird gewiss den Tod nicht schmecken. Sollte man die Zettel in den öffentlichen Gebetsmühlen nicht ab und zu auch mal austauschen? Dann gälte nicht nur: „Getestet, geimpft, genesen!” sondern zusätzlich das neue 3G: „Getauft, geglaubt, gerettet!” Der liebe Gott gibt sich ja Mühe mit uns - möge er uns alle lange leben lassen: Geimpfte und Nichtgeimpfte!
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