Nunc dimittis
Lukas 2,22ff
Nach der Geburt des HERRN und vierzig Tagen
hat man mit Namen Jesus ihn genannt –
dem Wort des Engels folgend ohne Fragen,
der einst Maria pochte an die Wand.
Der Kleine ward getragen in den Tempel,
so will es Moses Buch im dritten Band.
Dass Jesus bald die ganze Welt umkrempel,
ahnt keiner – nur der alte Simeon:
Ihn traf der dunklen Prophezeiung Stempel,
er träte letztlich nicht vor Gottes Thron,
eh‘ den Messias hätte man gesehen.
Als nun Maria naht mit ihrem Sohn,
sieht jenen Greis man stracks zum Tempel gehen.
Der Geist hat Simeon dorthin geführt –
dicht kommt er bei Maria nun zu stehen.
Wie er den Kleinen sieht, ist er gerührt
und hebt den Knaben froh auf seine Arme,
ein Lied erklingt – dem Himmel abgespürt:
„Dass Gott sich meiner Seele heut erbarme
und dieses alte Herz noch einmal warme.
Nun lässt du deinen Diener zieh´n in Frieden,
denn meine Augen haben ihn geseh´n …
den Heiland, der für alle Zeit hienieden –
wird lassen Israel als Volk besteh´n.
Einst wird er Leuchte sein auch fernen Heiden,
drum kann die Kirche niemals untergeh´n.“
Sie wundern sich, als er drauf allen beiden,
dem Kinde und der Mutter, sagt den Spruch:
„Es wird nicht abgeh’n ohne Schmerz und Leiden;
den einen ist er Segen, andern Fluch.
An ihm wird sich entscheiden allerlei –
in diesem Kind macht Gott bei uns Besuch!“
Prophetin Hanna stand auch mit dabei;
die musste länger schon als Witwe leben.
Streift täglich durch des Tempels Erzabtei,
um Kunde ihrer Hoffnung abzugeben:
„Mein Wort ist klar und wahr für allezeit,
beherzigt es, dann werdet ihr erleben,
wie dieser Bub uns allesamt befreit,
er weiß, was eines Menschen Seele schreit!“
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