OSTERGESCHICHTEN
VOM GÄRTNER
Zum Grab schlich sich Maria früh in Trauer,
am Horizont drang auf das Morgenrot.
Der Wind weht kühl und macht ihr tausend Schauer,
denn Jesus, den sie liebte, starb am Tod.
Drei Tage ist es her, dass sie ihn schlugen
ans Kreuz. Wie litten beide große Not …
Am Freitagabend kamen welche. Trugen
den kalten Leichnam fort in einem Tuch,
nachdem sie ihn vom harten Holze huben.
Nun kam sie heute her wie auf Besuch …
Und steigt hinab ins Grab, um ihn zu sehen -
zur Erde Adams unter Gottes Fluch.
Der Schreck ist groß und reißt wie wilde Wehen,
sie liebt ihn so - doch ist er nicht mehr hier.
Wer stahl ihn fort! Sie kann es nicht verstehen,
und steht erstarrt, die Hand am Elixier.
Aus seinem Grabe dann empor geklommen,
verharrt am Eingang sie - als scheues Tier.
Durch Tränen sieht sie einen zu sich kommen,
verschwommen nur hat sie ihn wahrgenommen.
Es ist der HERR, doch bleibt ihr das verborgen.
Sie fragt sich bang, wer dieser Fremde wär?
Und sieht - und sieht ihn nicht - vor lauter Sorgen
erdichtet sich das Hirn im Wahn die Mär:
„Wenn du ihn, Gärtner, fortnahmst, sag die Stelle -
dass ich ihn wieder hole ungefähr.“
Da zieht er sie von seines Grabmals Schwelle,
„Maria!“ sagt er der aus Magdala.
Der Name hebt sie an wie eine Welle
und greift nach ihr. Wir hören, was geschah:
Sie ruft: „Rabbuni, lass mich dich berühren!“
Und dichter rückt das Weib dem Gotte nah ...
„Du willst mit deiner Hand das Wunder spüren?
Dich einigen dem auferstandnen Glanz?
Wo würde hin solch großes Wagnis führen?
Vollende erst das Erdenleben ganz.
Du darfst mit deiner Hand, der schönen blassen,
erst später greifen in den Sternentanz.“
So schieden beide denn an jener Straßen,
auch ohne ihre Leiber zu umfassen.
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