Der Esperanto-Pfarrer
»Bibliaj Tagoj 2017«: Warum Wolfram Rohloff in einer Kunstsprache Bibeltagungen hält
Von Stefan Seidel
Pfarrer Wolfram Rohloff spricht eine ungewöhnliche Sprache. Nein, nicht Erzgebirgisch. Obwohl er das nach gut zehn Jahren Pfarramt im mittleren Erzgebirge auch ganz gut beherrscht. Er spricht auch nicht in Zungen. Obgleich ihm diese geistliche Sprache sicher aus dem Neuen Testament bekannt ist. Wolfram Rohloff spricht Esperanto. Das ist eine internationale Kunstsprache, die 1887 von dem jüdischen Gelehrten Ludwik Zamenhof erfunden wurde und einem leichten Latein ähnelt.
Dieses Sprachexperiment ist eine Antwort auf die Pogrome, die Zamenhof seinerzeit in der polnischen Vielvölkerstadt Białystok erleben musste. Man wollte oder konnte sich nicht über Völker- und Glaubensgrenzen hinweg verständigen. Esperanto – das ist die Vision, durch eine neutrale Sprache über Grenzen hinweg zum Frieden zu kommen. Denn allein sprachlich geht dabei jeder einen Schritt auf den anderen zu.
Wolfram Rohloff hatte als Jugendlicher von Esperanto Wind bekommen – und die Sprache im Selbststudium erlernt. Das öffnete ihm die Tore der Welt. Er fuhr zu Esperanto-Treffen in ganz Europa. »So habe ich viele europäische Städte auf eigene Faust kennengelernt, was mir sonst gar nicht möglich gewesen wäre.« Es hat den jungen Rohloff begeistert, sich mit seinem holländischen Freund unterhalten zu können wie in einer Muttersprache.
Heute ist Rohloff der Erste Vorsitzende der Esperanto-Liga für Christen in Deutschland. Und er leitete die »Bibliaj Tagoj 2017« – die diesjährigen Esperanto-Bibeltage in Wittenberg Anfang Februar. Längst gibt es die Bibel und das Gesangbuch und viele theologische Bücher auf Esperanto. Die besondere Sprache bereichert Rohloffs Glauben – und weitet ihn. Denn bei den ökumenischen Esperanto-Treffen kommen nicht nur Christen verschiedener Nationen, sondern auch unterschiedlicher Konfessionen zusammen. »Ich würde zwar nicht so weit gehen und sagen, das ist die Erfüllung des großen Verstehens von Pfingsten, aber ein bisschen ist es schon so«, erzählt Rohloff.
Auch der Gedanke, dass in Christus alle eins seien, werde auf neue Art spürbar. »Man trifft sich als Geschwister«, sagt Rohloff und es klingt ein wenig nach der alten Vision Zamenhofs – dass die Menschen aus der Enge ihrer begrenzten Sichtweisen herauskommen und sich dadurch ihre Ängste relativieren. Doch auch wenn Pfarrer Rohloff in Wittenberg in einem zweisprachigen Gottesdienst in der Stadtkirche auf Esperanto gepredigt hat – in seiner Kirchengemeinde Zöblitz im Erzgebirge wird er das weiterhin auf Deutsch tun.
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