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Von der Wartburg in die Welt

Bunt und vielfältig, das Programm der Eisenacher Festtage im Mai: | Foto: Norman Meißner
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Fast ein Jahr ist es her, dass in Eisenach an Luthers Geburtstag das Jubiläumsjahr für den Freistaat Thüringen eröffnet wurde. Es war der Auftakt für eine ereignisreiche Zeit in der Wartburgstadt.

Von Mirjam Petermann

Erst einmal wurde er den Eisenachern genommen, ihr Luther. Oder besser gesagt, versteckt. Denn er war gar nicht zu sehen, als zum Eröffnungsfest – und zugleich auch Martinsfest – Kinder mit ihren Laternen und hohe Gäste aus Kirche und Politik am Karlsplatz standen. Anstelle des heroischen Denkmals erblickte man nur ein hexenhausähnliches Hüttchen auf Stelzen. Kunst war das, vom Japaner Tatzu Nishi, der bereits Columbus auf seinem Denkmal in New York eine Wohnung schuf. Es war das erste große Signal an die Eisenacher – hier passiert etwas. Die Resonanz war da noch geteilt, aber sie brachte vor allem eines: Aufmerksamkeit. Viele kamen dem Reformator hier zum ersten Mal so richtig nahe.
Weitere ähnlich umstrittene Aktionen und Ereignisse blieben in den Monaten danach aus. Vielmehr häuften sich die Erfolgsmeldungen in Luthers lieber Stadt: Elf Prozent mehr Übernachtungen verzeichneten die Unterkünfte. Über 30 000 Besucher kamen zum Deutschen Wandertag. 300 000 Menschen haben die Nationale Sonderausstellung »Luther und die Deutschen« auf der Wartburg gesehen. Die Sonderausstellung des Lutherhauses zur katholischen Sicht auf den Reformator wurde wegen der großen Nachfrage gerade erst bis Ende 2018 verlängert.
Kollektiv in Erinnerung geblieben ist aber vor allem die Festwoche im Mai. Anlässlich der Entführung auf die Wartburg am 4. Mai feierte man quasi vor allen anderen. Ausgangspunkt der Planungen war, so erzählt der Eisenacher Pfarrer der Georgenkirche, Stephan Köhler, dass es ein Fest sein soll, »das wir hier miteinander feiern«. Es sei schon damals klar gewesen, dass man im Mai, wo auch die Kirchentage stattfanden, keine Tausende Besucher gewinnen konnte. So wurde mit dem geplant, was die Stadt und der Kirchenkreis Eisenach-Gerstungen zu bieten haben. »Dass wir nicht importiert haben, sondern dass die Leute gezeigt haben, was sie können und lieben, das war das eigentliche Fundament des Festes«, resümiert Superintendent Ralf-Peter Fuchs.
Es war ein Fest, das durchweg gelobt und mit positiven Erlebnissen verbunden wurde. Aus unterschiedlichen Perspektiven wurde auf das Thema Reformation geblickt. Vier Tage lang gab es Programm mit Workshops, Seminaren und Gesprächsrunden. An rund 20 Ständen luden etwa 45 Kirchgemeinden der Region zum Mitmachen, zum Verweilen ein. Chöre, Musik- und Tanzgruppen boten ein umfangreiches Bühnenprogramm. Fast 400 Sängerinnen und Sänger kamen als Projektchor am Taufstein Johann Sebastian Bachs in der Georgenkirche zusammen. »Diese Menge dirigieren zu dürfen, war ein tolles musikalisches und auch ein schönes Gemeinschaftserlebnis«, schwärmt der Eisenacher Kantor Christian Stötzner.
Überhaupt war das Jahr auch kirchenmusikalisch beeindruckend. Über 150 Konzerte und Gottesdienste mit Musik wurden in der Georgenkirche gespielt. Die Nachfrage von Gästen nach musikalischen Angeboten sei sehr groß. Besonders gut besucht waren die täglichen Mittagskonzerte, im Durchschnitt mit 80 Zuhörern.
Doch Spuren hat das Jahr nicht nur in der Stadt Eisenach hinterlassen. Das Fest im Mai ist auch in den Dorfgemeinden in Erinnerung geblieben, weil sie konkret daran beteiligt waren. Hinzu kommt ein Projekt, das auf einzigartige Weise die Gemeinden der Dörfer und kleineren Städte würdigt: die Kirchenwege Wartburgland.
Aus seiner einstigen Arbeit als Pfarrer in einem Dorf des Kirchenkreises kennt Stephan Köhler viele, die sagen: »Es ist eigentlich ein Jammer, dass wir hier so eine schöne Kirche haben, aber kaum jemand, der Eisenach besucht, weiß das.« Wenn sich aber mal jemand in die Dörfer verlaufe, sei das Staunen groß und die Leute im Ort unheimlich stolz drauf, erzählt Köhler weiter. Also suchte man nach Möglichkeiten, »wie wir so eine Art Schaufenster schaffen können, um zu zeigen, was es rundherum noch an Schätzen gibt«. Es entstand die Idee, Wanderwege zu entwickeln, die die Kirchen verbinden und zum Besuchen einladen. Auf einer Internetseite sind die einzelnen Gemeinden mit ihren Gotteshäusern detailliert vorgestellt. Und die Auswirkungen des Projekts sind auf den Dörfern zu spüren.
Für jede Kirche, die nicht generell geöffnet ist, steht ein Ansprechpartner zur Verfügung, der bei Bedarf einen Schlüssel hat. Nach Scherbda, fast im nördlichsten Zipfel des Kirchenkreises gelegen, kamen im Laufe des Jahres so viele Besucher, dass die Kirche inzwischen dauerhaft geöffnet ist, weil der Aufwand des Auf- und Zuschließens zu hoch war. »Jetzt haben wir auf die Weise eine offene Kirche«, sagt Superintendent Fuchs begeistert. Für ihn und Pfarrer Köhler ist das Projekt eine der Sachen, die aus dem Reformationsjahr erhalten bleiben.
Rückblickend ist für Fuchs auch die intensive Zusammenarbeit mit der Stadt eine gute Erfahrung und große Bereicherung. »Wir sind manchmal genötigt worden, unsere Inhalte neu zu denken und auch für andere Ohren, an anderen Plätzen und für
andere Menschen zu formulieren«, sagt er.
Auf diese Erfahrungen wird aufgebaut. Bereits in der kommenden Woche, wenn Kirchen, Stadt und Lutherhaus gemeinsam am 10. November St. Martin und des Reformators Geburtstag feiern.

Autor:

Kirchenzeitungsredaktion EKM Nord

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