St. Marien mit neuer Stimme
Glocken erklingen erstmals im ökumenischen Gottesdienst
Von Steffi Rohland
Glockenklang aus dem Turm der Marienkirche in Sangerhausen? Was vor drei Jahren unvorstellbar war, ist seit dem Reformationstag 2017 Wirklichkeit. Im ökumenischen Festgottesdienst erklangen die vier neu gegossenen Glocken zum ersten Mal.
Familienstiftungen finanzieren zwei Glocken, eine Glocke spendierte der Lions Club Sangerhausen und viele Menschen zahlten 20 634,05 Euro auf das Spendenkonto für die Bürgerglocke ein.
Interessiert verfolgten die Einwohner der Stadt im August die Arbeit der Glockengießer der Firma Hermann Schmitt aus Brockscheid (Eifel), die die zwei kleineren Glocken vor Ort gossen. Zur Nacht der Denkmale im September wurden die vier Glocken durch die Stadt gefahren und von den Glocken der Ulrichkirche, der Jacobikirche und der Herz-Jesu-Kirche begrüßt.
Bis zum Aufzug auf den Turm hingen die Bürgerglocke »Concordia« (Eintracht), die Glocke des Lions Clubs »Wir dienen«, die für die Liebe steht, die Glocke »Pax« (Frieden) und die Glocke »Maria« (Glaube) in der Marienkirche. Einzeln wurden sie zum Klingen gebracht. Während des Gottesdienstes erklang auf Knopfdruck das Bronzegeläut mit den Tönen des′′, ces′′, b′ und as′. Im Klang des vollen Geläuts stimmten die Gottesdienstbesucher das Lied »Großer Gott, wir loben dich« an und aus der Ferne erschallten die Glocken der anderen Kirchen der Stadt.
Die Marienkiche war Ende der 1970er-Jahre dem Verfall preisgegeben. Seit Anfang der 1990er-Jahre dient sie der Stadt als multifunktionaler Kulturbau, der eine sakrale Nutzung durch die Selbständig Evangelisch-Lutherische Kirche (SELK) einschließt.
Im Kuratorium »Glockenguss für Sankt Marien« hatten sich der Kulturverein »Armer Kasten«, der Geschichtsverein von Sangerhausen, die SELK und Rechtsanwalt Mario Milde als Vertreter der Glockenstifter zusammengefunden. Unterstützung erhielten sie von Mathias Köhler, dem Glockensachverständigen des Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie. Er beriet zum Beispiel in der Frage, welche Glocken sich am besten in das Klangbild der Stadt einfügen würden. Die Tonfolge inspirierte die ehemalige Sangerhäuser Kantorin Hannelore Friedrich zu einem Werk, das zur Glockenweihe seine Uraufführung in der Marienkirche erlebte.
Somit waren die Glocken bereits in den Herzen der Sangerhäuser »angekommen«. »Kirchenglocken sind auch ein Stück Heimat und Kultur«, sagte
der Stadtratsvorsitzende Andreas Skrypek (CDU). Dass die Marienkirche nach Jahren der »Sprachlosigkeit« wieder eine Stimme hat, sei etwas Besonderes für alle Sangerhäuser.
Margot Runge, Pfarrerin der Jacobi-Gemeinde, sagte: »Das ist etwas ganz Besonderes, dass die Kirchen der Stadt gemeinsam den Festgottesdienst zur Reformation begehen. Das, was uns verbindet, ist größer als das, was uns trennt.«
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