Opferberatung Ezra
"Corona-Proteste haben konkrete Folgen"
Die Opferberatungsstelle Ezra hat im Jahr 2020 insgesamt 102 rechte, rassistische und antisemitische Gewaltstraftaten registriert. Dies erklärte die Anlaufstelle in Trägerschaft der Evangelischen Kirchen in Mitteldeutschland (EKM) auf ihrer jährlichen Pressekonferenz am Mittwoch. Insgesamt seien mindestens 155 Menschen von den Angriffen betroffen gewesen, hieß es von Ezra. Die meisten Straftaten entfallen laut der Statistik auf die Tatbestände der Körperverletzungen und Nötigungen, zweimal registrierte die Opferberatung auch eine Brandstiftung, in einem Fall wurde ein Mann getötet.
Damit bleibt die Zahl der Straftaten im Vergleich zum Vorjahr 2019 (damals 108) konstant. Laut Ezra führt die Landeshauptstadt Erfurt die mit 29 Fällen die Statistik der Straftaten örtlich an. Begründet sei dies, so Ezra-Sprecher Frank Zobel, unter anderem in einer "militant organisierten Neonaziszene", die sich besonders im Südosten der Stadt etabliert habe. Auch in Jena kam es zu einer nennenswerten Häufung an gruppenbezogenen Gewalttaten, Gera und die Stadt Suhl folgen auf Platz drei und vier des räumlichen Rankings.
Insgesamt beklagt Ezra eine zunehmende Radikalisierung innerhalb der Gesellschaft und ein damit verbundenes hohes Gewaltpotenzial. "Wir gehen von einer weiteren Verschärfung der Probleme durch die Corona-Pandemie aus", sagte Ezra-Sprecherin Theresa Lauß. Besonders im Umfeld der Querdenker- und Corona-Proteste sei dies zu erkennen. Angriffe auf sowie Bedrohungen von Journalisten und Politikern wie Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) und Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Linke) seien durch die Proteste gefördert worden. "Corona-Proteste haben konkrete Folgen", so Frank Zobel. Eine Ursache: Zu Anfang der Krise seien die Kundgebungen vielerorts verharmlost worden, obgleich nachweislich Angehörige rechter Gruppierungen die Plattformen für sich nutzten.
Eine weitere Schwierigkeit macht Ezra in Problemen der Jutiz aus. So würden Verfahren, bei denen es gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und Rassismus wichtige Themen seien, häufig verschleppt oder rechte Tatmotive würden erst gar nicht erkannt. In der Pressekonferenz äußerte sich die Jenaer Rechtsanwältin Kristin Pietrzyk dazu und kritisierte das Handeln der Thüringer Justiz, welches in Kombination mit politischen Bekenntnissen ein "verzerrtes Bild" zeige. So sei der Kampf gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus zwar ein politisch erklärtes Ziel, die Realität in Thüringer Gerichten sähe jedoch anders aus.
Ezra fordert daher unter anderem eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft für politisch motivierte Straftaten mit rechtsextremem Hintergrund, eine klare Einordnung rechter Tatmotive, die Durchsetzung des Bleiberechts für Betroffene rechter Gewalt sowie das eindeutige Verbot von juristischen Deals und Verfahrenseinstellungen, die in solchen Zusammenhängen stehen.
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