Nachgefragt
EKM-Statistik vorgestellt
Corona hat zu einem verzerrten Bild der statistischen Erhebungen in der EKM geführt. André Poppowitsch hat den Finanzdezernenten der EKM, Stefan Große, um eine Einordnung gebeten.
Die Zahl der Gemeindeglieder ist im Jahr 2020 um 2,77 Prozent gesunken. Worin sehen Sie die Gründe?
Stefan Große: Natürlich hat der demografische Wandel seinen Anteil. Viel relevanter scheint mir aber, dass die Akzeptanz von Institutionen in unserer Gesellschaft sinkt. Der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm sprach von der „Zersplitterung der Gesellschaft“, die nicht nur die Kirchen betrifft. Außerdem: Menschen wollen sich – wenn überhaupt – nur noch zeitlich begrenzt engagieren. Themen wie sexueller Missbrauch oder die staatliche Regelung zur Erhebung der Einkommensteuer (und damit Kirchensteuer) auf Kapitalerträge haben Kirchenmitgliedern Gelegenheit gegeben, verärgert zu reagieren.
Die Taufen haben sich halbiert. War die Pandemie die Ursache?
Es ist der Urauftrag der Kirche, Menschen das Evangelium zu verkünden und sie zur Taufe einzuladen. Das wird auch durch die Pandemie nicht in Frage gestellt. Natürlich war (und ist) es in der Pandemie schwierig, das Familienfest Taufe zu planen und zu feiern – zumal auch Präsenzgottesdienste nicht durchgehend stattfinden konnten. Aber das sind Spekulationen, wir haben noch keine Analysen.
Wie sollten Kirchengemeinden darauf reagieren?
Ich sehe uns – und damit meine ich jede einzelne Kirchengemeinde – #%gemäß dem Auftrag Christi verpflichtet, Familien nachzugehen, die ihre Kinder aus genannten Gründen nicht taufen lassen konnten. Einladung zur Taufe heißt: Wir wollen mit den Menschen in unseren Gemeinden den Weg durchs Leben gemeinsam gehen.
Es kommt darauf an, zu schauen, wie das unter den gegenwärtigen Bedingungen geht. Zu Familien, bei denen eine geplante Taufe ausgefallen ist, kann auch unter Corona regelmäßig Kontakt gehalten werden. Gemeinsam sollte überlegt werden, was bei aller Unsicherheit dennoch möglich sein könnte. Corona ist daher für mich zuerst eine Aufforderung zu überlegen, wo wir in unserem Handeln nachsteuern sollten.
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HINTERGRUND
Zur Herbsttagung der EKM-Landessynode 2021 wurde das Heft „Kirchliches Leben in Zahlen“ vorgestellt. Die Zahlen werden zum Stichtag 31. Dezember des Vorjahres 2020 auf Grundlage der Meldungen aus Kirchengemeinden und Kirchenkreisen sowie der Erhebungen aus dem kirchlichen Meldewesen ermittelt. Die Erhebungen fließen auch in die Jahresstatistik der EKD ein.
Es überrascht nicht, dass Zahlen in den verschiedenen Bereichen der Landeskirche rückläufig sind: Gemeindeglieder, Gottesdienstbesucher, Einnahmen, Personalstellen im Verkündigungsdienst, Amtshandlungen wie Taufen und Trauungen. Diese Tendenz ist seit Jahren gewissermaßen konstant.
Dabei nahmen 2020 im Vergleich zu 2019 die Mitgliederzahlen (–2,8 %) und die der Beschäftigten im Verkündigungsdienst (–1 %) leicht ab. Leicht angestiegen ist dagegen der freiwillige Gemeindebeitrag (+1,3 %).
Dramatisch ist der Rückgang bei Taufen, im Vergleich zum Vorjahr, um 50,55 und bei Trauungen um 64,6 Prozent. Auch die Zahl der Konfirmierten ist um 33,6 Prozent zurückgegangen. Knapp ein Drittel weniger Gottesdienste verzeichnet die EKM-Statistik. Besonders deutlich wird der Einschnitt durch die Pandemie bei den Abendmahlsfeiern. 75 Prozent weniger als im Vorjahr wurden registriert. Bei den Christvespern werden die Corona-Effekte noch deutlicher: 82,4 Prozent weniger Besucher als im Vorjahr wurden zu Heiligabend gezählt.
Im Finanzbericht der EKM, der zur Landessynode durch OKR Stefan Große eingebracht wurde, heißt es: "Ein Rückgang sowohl bei den Austritten als auch bei den Taufen – was nicht weiter verwundert, denn Behörden waren geschlossen und Präsenzgottesdienste lange Zeit nicht möglich." Dass die Zahl der Ehrenamtlichen, wenn auch im einstelligen Bereich, abgenommen hat, ist bitter. Nach wie vor bilden sie jedoch die Gemeindebasis. Die größte Gruppe sind die Gottesdienstkreise und Kirchenchöre. Etwa 15 400 Engagierte weist das Statistikheft aus. 12 400 Kirchenälteste bilden die ehrenamtliche Gemeindeleitung. Etwa 2300 Laienprediger, Prädikanten und Lektoren unterstützen die Hauptamtlichen im Verkündigungsdienst. Auch der Besuchsdienst mit knapp 4500 Gemeindegliedern für Kranke und Neuzugezogene oder Jubilare findet Erwähnung.
2019 erschien das Heft übrigens mit Verspätung. Wie es im Vorwort der Ausgabe heißt, gab es Schwieigkeiten bei der Datenerhebung. Zum Stichtag der Abgabefrist fehlten teilweise 70 Prozent der Meldungen aus den Kirchenkreisen. Über die Ursachen schweigt sich die Statistik aus.
André Poppowitsch
Autor:Online-Redaktion |
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