Kritik gerechtfertigt
Ich hasse und verachte eure Feste und mag eure Versammlungen nicht riechen … Es ströme aber das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach.
Amos 5, Vers 21 + 24
Von Pfarrer i. R. Aribert Rothe, Erfurt
Gottesdienst? Lasst mich doch in Ruhe! Ich hasse das! Man muss doch auch mal ausschlafen! Und anständig leben kann man auch so.« Die Eltern sind enttäuscht und gehen wieder mal allein in die Kirche. Doch was müssen sie als erstes von der Kanzel hören? Denn aller sechs Jahre richtet dieser Predigttext seinen Stachel auf: »Tu weg von mir das Geplärr deiner Lieder; denn ich mag dein Harfenspiel nicht hören!« Die Gottesdienstkritik des Propheten Amos ist kaum zu überbieten. Und sie singen so gern Choräle – wo sonst wird überhaupt noch gemeinsam gesungen? Es ist krass, was dieser prophetische Viehzüchter 800 Jahre vor Christi Geburt da verkündet in Gottes Namen. Das könnte Sohnemann so passen. Und später, meint der Pfarrer, soll auch noch Paulus in dieses Horn blasen, wenn er den Römern erklärt, ein gottgefälliges Leben sei schon vernünftiger Gottesdienst. Es wird paradox. Will sich der Prediger brotlos machen? Aber dann kriegt er die Kurve. Der Apostel habe die Heuchelei der neuen Frommen im Blick gehabt, die zwar die Rituale pflegen, aber im Persönlichen lieber ohne Sinneswandel auskommen. Nachfolge Jesu sei aber lebendige Hingabe. Nur so könne man prüfen, was Gottes Wille sei. Nicht anders beim Vorgänger Amos. Der wäre kein braver Hofprophet gewesen, sondern hätte kompromisslos Betrug und Bestechung, Unterdrückung und Ungerechtigkeit gegenüber den Armen angeprangert. Der erste berühmte Sozialprophet in krisenhaften Zeiten. Er habe angesagt, worauf es ankommt: »Es ströme aber das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach.« Das sei kein Wasser auf die Mühlen der Selbstgerechtigkeit. Da fallen den Eltern viele Fragen ein: Was heißt das heute um Gottes willen? Was können wir selber für mehr Gerechtigkeit tun? Steht »Fair trade« auf unseren Einkäufen – wie steht es um unseren Lebenswandel im Alltag? Und werden wir unserem Sprössling gerecht? Wir müssten mit ihm reden. Der Pastor hat nur gesagt: Hoffentlich kann Gott unsre Gottesdienste noch riechen. Zu sicher solle man nicht sein. Und das muss einem ja immer mal gesagt werden. Im Gottesdienst natürlich.
Autor:Online-Redaktion |
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