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Mutige Solidarität im Resonanzraum Kirche

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  Wortmeldung

Mutige Solidarität im Resonanzraum Kirche

1. Einstieg
1.1. Hinführung zum Aufsatz von Dr. Bernd Moldenhauer
1.2. Biblische Bezüge

2. Mutige Solidarität im Resonanzraum Kirche
2.0. Vorbemerkung und Hinführung
2.1. Gottesdienst
2.2. Mission
2.3. Bildung
2.4. Konzeption
2.5. Institution
2.6. Religion
2.7. Demokratie
2.8. Europa

3. Schlussakzent

4. Literatur

1. Einstieg

1.1. Hinführung zum Aufsatz von Dr. Bernd Moldenhauer

Der Autor des Papiers „Versinkende Lebenswelten...“, Bernd Moldenhauer, ist im Kern durch Karl Jaspers Haltung zur Freiheit geprägt:
1. Alltägliches Dasein
2. Existenzielle Situation; Bindungen, denen wir als Sterbliche ausgeliefert sind
3. Transzendenz, geistiger Horizont über unser Leben hinaus.

Die verfasste evangelische Kirche hat in allen drei Akzenten eine Teilhabe.

Die evangelische Kirche ist unter Druck: Säkularisierung. Worauf kommt es jetzt an? In sechs Unterpunkten führt Moldenhauer folgendes aus:
1. Veränderung des gesellschaftlichen Umfeldes – wozu braucht es noch Kirche?
2. Sakrales und Profanes – Profanes wird in der Gegensätzlichkeit zum Sakralen gebraucht. Die existenzielle Interpretation der Bibel – der Mensch soll getroffen bleiben durch das Kerygma.
3. Orientierung – Präsenz in Grenzsituationen: für die Kirchenvertreter gilt, in Grenzsituationen Beistand zu leisten ist der Grund ihres Daseins und ihrer Wirkung.
4. Die Kirche als Glaubensgemeinschaft, Institution und Organisation.
Die Glaubensgemeinschaft hat es schwer, sich in einer profanen Kultur zu vermitteln. Die Institution verliert den Einfluss, die Organisation braucht ein Verhältnis zu den Anpassungszwängen, alle drei Dinge bilden eine Einheit.
5. Kirche als Organisation.
Die Präsenz der Verkündigungsmitarbeitenden, die nötigen Anpassungs- Qualifizierungen und die Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit sind nur einige Aspekte des Abschnitts.
6. Organisationsberatung in der Kirche. Anlässe sind zumeist Konflikte oder Beratung, Beobachtung und Reflexion des Handelns.

1.2. Biblische Bezüge
Bernd Moldenhauer hat bewusst in seinem Aufsatz den Weg für die biblischen Bezüge offengelassen. So reagieren wir auf die Überschrift seines Aufsatzes „...versinkende Lebenswelten“ und antworten zunächst mit dem Bibelwort „Jesus und der versinkende Petrus auf dem See“, Matthäus 14, 22 ff. Hier wird ausgesagt: Der Glaube kann die Grenzen der physikalischen Gesetze überschreiten. Die Hand des Herrn hält Petrus. So gehen wir nicht unter, sondern sind Gehaltene im Herrn Jesus Christus. Folgende Bibelstellen haben zur Grundlegung unserer Gedanken geführt:
Matthäus 13, 33 – Das Gleichnis vom Sauerteig. Der Sauerteig bewirkt Gärung, eine „umgewandelte Wirkung des Evangeliums in der Welt.“ 2. Korinther 3, 2ff – Wir sind ein Brief Christi, „Gott schreibt uns seinen Willen ins Herz“, so ist die „Gemeinde Christi ein Brief“ (Leonhard Goppelt) Matthäus 5, 13 – „Ihr seid das Salz der Erde.“ Matthäus 5, 14 – „Ihr seid das Licht der Welt.“
Die Gemeinde im Namen von Jesus Christus ist darauf angelegt, dienend in der Welt und an der Welt zu wirken. „Die Salzkraft und die Leuchtkraft dürfen nicht verloren gehen.“ (Wilhelm Stählin). Unter dieser Verheißung steht die Rolle von Gemeinde und Kirche im gesellschaftlichen Umfeld.

2. Mutige Solidarität im Resonanzraum Kirche
2.0. Vorbemerkung und Hinführung
Gerade eine Kirche der Schwachen benötigt mutige Schritte nach vorn. Dabei ist der Blick auf die Zusammengehörigkeit mit anderen Kirchen, Glaubensgemeinschaften und Religionen gerichtet. Auch lassen wir die Menschen nicht außer Acht, die Suchende und Fragende sind. Unsere Stimme soll hörbar sein. Wir schauen nicht nur zurück und nicht allein auf uns selbst. Unter größten Mühen und Anfechtungen haben die Apostel ihre Frohe Botschaft in die Welt gebracht (2. Kor. 11,24ff). Wir haben eine einmalige, unverwechselbare Gute Nachricht der Welt zu sagen. Wir sind motiviert durch Gottes Gnade und Güte. Weil wir Gottes Kinder sind und seine Liebe uns umfängt, sind wir mit der Gabe, die wir haben, mutige Botschafter des Evangeliums. Wir geben den Menschen ein Ziel, das weit über den weltlichen Bereich hinausgeht. Durch unser solidarisches Engagement geben wir eine Antwort auf Gottes Ange-sprochensein. Wir übernehmen Verantwortung. „Am Grund meiner Existenz liegt nicht das schweigende, alte, einzige und gleichgültige Universum, sondern eine Antwortbeziehung.“ (vgl. Rosa, Hartmut, Demokratie braucht Religion – 10. Auflage, S. 71) Es ist ein „vertikales Resonanzversprechen“. In unserer Kirche ist diese Resonanz zu spüren und zu erfahren. Wir lieben sie, wir erleben sie. Das gibt uns unvergleichliche Hoffnung und Zuversicht für unsere Gemeinschaft und unser Leben. Von diesem Raum der Liebe, den uns Gott schenkt, wollen wir mutig in der Welt erzählen.

2.1. Gottesdienst
Der Gottesdienst ist unverzichtbar für jeden Christenmenschen. Wir erleben Gemeinschaft, wir feiern die Nähe Gottes, wir loben Gottes Gnade und Liebe. Wir hören auf die Gute Nachricht von Jesus Christus und lassen uns die unvergleichliche Hoffnung zusprechen. In ausstrahlungsstarken Gottesdiensten ist die Christologie grundlegend. In der Predigt wird die Botschaft erkennbar, wenn wir den „Markenkern“ verkündigen. So werden wir unverwechselbar. Das macht den Hörern Mut (vgl. Bálint, Kristóf). Der Hörer wird ermutigt, der Auslegung aufmerksam zu folgen, weil die Predigt einen lebensvollen Bildungsauftrag hat. So wird das jeweils eigene Denken unterbrochen. In der Predigt redet der Verkündiger darüber, was er erkannt hat (Dietrich Bonhoeffer). Es bleibt dabei, dass wir die Bibel predigen. Verkündigung ist nicht nur Zeugnisrede. In der Predigt bekennen wir uns mutig zu Menschen, die benachteiligt sind. In der Verkündigung vermeiden wir jedoch nicht, über unseren Glauben und die Glaubenserfahrungen der christlichen Geschwister zu reden. Wir geben auf das Angesprochensein Gottes eine Antwort.
„Die Psalmen in Liedern zu veröffentlichen, ...dass das Evangelium unter den Leuten bleibt.“ So hat Martin Luther vor 500 Jahren den Anstoß zum evangelischen Gesangbuch gegeben. Auf den ersten Seiten geht es Luther immer um das „reine Wort“. Luther meint damit, dass im Choral das Evangelium den Menschen berührt. (vgl. Schilling, Johannes „Singt dem Herrn ein neues Lied: 500 Jahre evangelisches Gesangbuch“). So gehört die Kirchenmusik mit ihren Chorälen und neuem Liedgut in die Mitte des Gottesdienstes und dient der Verkündigung. Sie erbaut die Gemeinde und die Diensttuenden.
Die Verkündigungsmitarbeitenden leben in einer Lerngemeinschaft mit anderen Diensttuenden. Um Andachten und Gottesdienste regelmäßig feiern zu können, ist es notwendig, qualifizierte Lektoren und Prädikanten für den Dienst zu gewinnen. Eine angemessene materielle Entschädigung trägt zur Wertschätzung ihrer Aufgabe bei. Die geistlichen Impulse der qualifizierten Ehrenamtlichen und die eigenständige Verkündigung sind zu würdigen.
Die qualifizierten Lektoren und Prädikanten sollten sich regelmäßig in einem Konvent unter Leitung einer Pfarrperson treffen. Nicht zu übersehen ist, wie durch glaubensstarke Geschwister der Nachbar- oder Partnergemeinden die Gemeinde einen zusätzlichen Gewinn hat. Ebenso sind kleinste Rituale ein beliebtes und gern gesehenes, lebendiges Zeugnis. Auch der säkularisierte Mensch von heute wird zum Beispiel bei einem Erntedankgottesdienst für die Kindergartengemeinde gern einen Blumenstrauß zusammen mit der Enkeltochter zum Altar bringen. Auch so kann Glaube in die Biografie eines anderen Menschen einwandern.

2.2. Mission
Mission ist ein Wesenskern der Kirche und so ist Ökumenismus eine gemeinsame Bewegung zu Christus hin. Dem entsprechen drei sich ergänzende Kirchenbilder (vgl. Halik, Tomáš, „Kirche als Bewegung, Kirche als Unternehmen, Kirche als Institution“). Missionarischen Aktivitäten müssen unterscheiden zwischen dem Zeitgeist und den echten Zeichen der Zeit. So ist für Tomáš Halik die Hauptaufgabe: „Kirche ist Evangelisation als Inkulturation.“ Dabei ist es wichtig, dass wir in unserem kleinen Bereich, in dem wir tätig sind, Milieuoffenheit praktizieren. Auch Menschen, die nicht am Leben der Kerngemeinde teilnehmen, müssen an der Verantwortung beteiligt werden. Ebenso bieten uns die diakonischen Einrichtungen in unserem Verantwortungsbereich im umfassenden Sinne eine mögliche Kommunikation des Evangeliums. Solche Gespräche in einer diakonischen Einrichtung fördern das Gemeindeleben und bauen es mit auf. Dabei übersehen wir nicht, dass nicht nur aus uns selbst heraus eine Aktivität entsteht, sondern „wir haben den Auftrag, dorthin zu gehen, wo es weh tut“, z.B. in Diakonischen Einrichtungen / Stadtmission / Gemeindediakonie und Diskussionsforen. (vgl. Bálint, Kristóf)

2.3. Bildung
„Der Auftrag der evangelischen Kirche gilt vor allem der Gewissensbildung in der persönlichen Verantwortung des Menschen vor Gott. Wichtige evangelische Leitmotive sind Barmherzigkeit und Vergebung, Dialog und Offenheit, Mündigkeit und kritisches Urteilsvermögen sowie Frieden, Bewahrung der Schöpfung und Geschlechtergerechtigkeit. Kirche bildet.“ (EKM – Bildungssynode 2006). Wenn Kirche von Bildung spricht, so heißt das, dass die Verantwortungsträger in der Gemeindearbeit immer wieder herausgefordert sind, „ihre Veranstaltungsangebote auf Zielgruppen unterschiedlicher Sozialmilieus“ von Heranwachsenden und Erwachsenen auszurichten.
Die evangelischen Schulen gehen einen solidarischen Weg. Das heißt: „Lernen fürs Leben mit Praktika und Kontakten zu Mitchristen“ und einen „Zweiklang an den Stiftungsschulen: Fundierte Bildung genießen und christliche Werte erfahren.“ (s. Wegmarken). Je konsequenter die Gemeinde den aufgezeigten Weg geht, desto stärker wird die Bildung den einzelnen Christen erreichen. So kann dieser mutig und zuversichtlich vom christlichen Glauben in all seinen Facetten erzählen. Das schließt ein, „dass die seelische Begabung unabhängig von fundamentalen Bildungsvoraussetzungen „sich in der Gemeindearbeit oft spontan zeigt und zu Wort meldet.“ Für alle Zuhörer ist das eine Freude und ein Zugewinn (vgl. Friedenthal-Haase, Martha).

2.4. Konzeption
Grundsätzlich ist festzuhalten, dass nur ein Gleichklang einer beschlossenen Konzeption für die jeweilige Region sowie ein beschlossener Brutto-Netto-Stellenplan zu einer verlässlichen Arbeitsgrundlage führen. Unterstützend wirkt sich aus, wenn die Beschlusslage eine zehnjährige Gültigkeit hat. Bei der Konzeptionsentwicklung werden die Vertreter der Kirchengemeinden und die Verantwortlichen für aktive kirchliche Handlungsfelder gehört. Es wird eine Regionalstelle für Verwaltung und Organisation in der Region eingerichtet. Für die Stelle wird eine konkrete Stellen-beschreibung erarbeitet und eine entsprechende Eingruppierung vorgenommen (Fachhochschulabschluss).
Die jeweilige Kirchengemeinde oder die Gemeinden, die in der Region zu einem Pfarrsprengel gehören, sind gut beraten, wenn sie in ihrer Konzeptionsentscheidung Prioritäten setzen - entweder bei der aktiven Minderheit oder bei den Kirchenfernen (s. Pöggeler, aktive Minderheit - passive Mehrheit). Konzeptionelle Gemeindearbeit treibt die Entwicklung voran im Sinne von Konzentration institutioneller Besinnung. Bei der Realisierung einer Gemeindekonzeption sind alle Haupt - und Ehrenamtlichen gehalten, der beschlossenen Konzeption zu folgen. Andere Nebensachen im Pfarramt, z.B. Bauaufgaben, dürfen nicht zur Hauptsache werden. Wenn die Gemeinden in einer ländlich geprägten Region sich etwa in ihrer Konzeption für einen Schwerpunkt Öffentlichkeitsarbeit entschieden haben, so sollen die Vertreter der Gemeinden bei ihrem Auftritt in der Öffentlichkeit ihre Rolle, ihre Position und ihre Funktion beach-ten. Es ist hilfreich, wenig von der eigenen Person zu reden und vielmehr von der Botschaft und dem betreffenden Anlass. Die Handlungsfelder Diakonie und Sonderseelsorge sind besonders geeignet, die Gute Nachricht in die Welt zu sagen. So versteht sich Diakonie als „Wir sind Kirche.“

2.5. Institution
Die Kirche ist ein einzigartiges Gebilde. Die Kirche stellt sich dieser Welt nicht gleich. Sie nimmt Anteil an den Spannungen dieser Welt: als Institution, als corpus permixtum und als Bewegung im trinitarischen Verständnis der Aufgabe der Verkündigung. Wenn auch die Kirche sich in einer Art Übergangssituation befindet - Frage der Ablösung der Staatsleistungen, Kritik am Kirchensteuersystem, Mitglieder-schwund etc. – bleibt sie unverzichtbar für die Gesellschaft, indem sie religiöse Orientierung gibt. In der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung ist die Kirche ein Teilsystem (Gemeinde / Institution / Gesellschaft). Unsere Kirche versteht sich als eine Kirche unierter Prägung. Sie trägt die Erfahrung als Lerngemeinschaft in sich und setzt bewusst Prioritäten im kirchlichen Dienst. Kirche ist mehr als eine Ansammlung von Gemeinden. Sie strebt nach einer Milieuerweiterung und knüpft daran ihren Bildungsauftrag. Die Institution besinnt sich nicht nur auf sich selbst. Sie findet den Weg nach außen. So ist sie Kirche im Landkreis, in der Stadt und in der Region. Sie hat eine öffentliche Aufgabe, Kultur innerhalb und außerhalb der Kirche zu fördern. Die Kirche wird getragen von einem synodal - geschwisterlichen Prinzip und lebt von einer mündigen Partizipation. Kirche bleibt als Institution unverzichtbar.

2.6. Religion
Wir Religiösen müssen doch zusammenhalten. Die Ökumene ist nicht nur die Sichtweise auf den extremen Schrumpfungsprozess der beiden Kirchen. Sie treibt vielmehr das „Kümmern um die Vielen“.
Streitigkeiten auf Kosten anderer Religionen und Konfessionen schaden der Glaubwürdigkeit. „Wir stärken die Ökumene“ (vgl.: epd, Ökumenischer Gottesdienst, Kirchentag 2021) und die Zusammenarbeit mit anderen Religionen, indem wir vertrauensvoll aufeinander zugehen. Die Römisch -katholische Kirche und Evangelische Kirchen arbeiten in der versöhnten Verschiedenheit zusammen. Sie über-nehmen gemeinsame Aufgaben vor Ort und sind gehalten Doppelungen abzubauen, z.B. Krankenhaus-, Gefängnisseelsorge. Wir fördern und unterstützen „neue Formen ökumenischer Gemeindearbeit.“ (vgl.: epd Ökumenischer Gottesdienst, Kirchentag 2021)
Um dies zu erreichen, ist es notwendig, den Blick nach rechts und links zu anderen Religionen und Glaubensgemeinschaften zu wenden.
Respekt wird bei einem interreligiösen Dialog der jeweiligen Glaubensentscheidung entgegengebracht. Das eigene christliche Profil wird nicht unter den Scheffel gestellt. So bleibt die Anrede in einem christlichen Gebet eine christliche Anrede, um in Klarheit den christlichen Glauben im Vielklang „der versöhnten Verschiedenheit“ der Kirchen/Religionen das Eigene zu vertreten. In ausgewogener Weise sind Ehren-amtliche bei den interreligiösen Gesprächsrunden vertreten. Hilfreich ist die intensive Beschäftigung mit den Arbeitshilfen für die Gestaltung interreligiöser Feiern, wenn z.B. Christen und Muslime anlässlich einer standesamtlichen Hochzeit eine religiöse Feier ausrichten. Dabei wird empfohlen, die Details der Vorbereitung der Feier keinesfalls zu vernachlässigen. Zum Beispiel: genauer Ablauf der Feier, Festlegung der Teile der Verkündigung, Urkunde, Siegel, Kirchenbucheintragung, Meldung der religiösen Feier usw.

2.7. Demokratie
Der Austausch und die Fürbitte für politisch Verantwortliche gehört zu den ständigen Aufgaben der Kirche. Das hört dort auf, wo aus einer finsteren völkischen Gesinnung heraus argumentiert wird und andere Menschen benachteiligt werden. Alle Menschen besitzen eine unverfügbare Würde. Die Gottebenbildlichkeit des Menschen ist dafür die biblische Grundlage. Wir halten mit Hartmut Rosa fest: „Demokratie braucht Religion“. Das zu leben und zu gestalten, ist Aufgabe aller kirchlichen Mitarbeitenden. Wenn sich jemand antisemitisch, demokratieverachtend oder rassistisch verhält, ist Auseinandersetzung geboten. Hier ist kirchenleitendes Handeln erforderlich.
Die Katholische Deutsche Bischofskonferenz hat das in überzeugender Weise getan. In der Erklärung „Völkischer Nationalismus und Christentum sind unvereinbar“ ist deutlich auf die Sorge hingewiesen, dass sich Hass verstärkt und eine Ideologie des Völkischen Nationalismus die Grundlagen unserer Gesellschaft zerstören.

2.8. Europa
Identität und Glaube sind in der europäischen Geschichte miteinander verbunden. So schreibt Rothe in seinem Aufsatz „Unterwegs nach Europa“ zum europäischen Geist und zum Kern Europas. Es sind die „historisch gewachsenen Ortschaften mit ihren geschichtsträchtigen Gebäuden, Straßenführungen und alten Kulturlandschaften, die in Europa wichtig sind und in zweiter Linie […] die Fähigkeiten und zivilgesellschaft-lichen Instrumentarien, Streit friedlich auszutragen, Freiheitsrechte zu bewahren und soziale Gerechtigkeit ernst zu nehmen. Diese Mischung hat es in sich: Bibel und Antike, römisches Recht und christliche Weltreligion, Germanisches und Jüdisches, Humanismus und Rationalismus, Aufklärung und demokratische Gewaltenteilung, persönliches Gewissen und Gemeinsinn.“
Europa ist geprägt in seinen Städten und Dörfern durch repräsentative Kirchengebäude. Sie sind Orte der Orientierung in mehrfacher Hinsicht. „Was wäre Europa ohne seine schönen Gotteshäuser? Sie verkörpern buchstäblich die Hoffnung auf eine andere Welt in vielfältiger Weise: Sie sind öffentliche Räume der Kunst, und überliefern wertvolle Geschichten der Vergewisserung, Impulse der Veränderung, Symbole der Ermutigung und Melodien der Transzendenz […] In einer umtriebigen Gesellschaft vermögen sie die passiven Tugenden der Menschen zu stärken.“
Als Zeichen seiner Hoffnung hören Menschen das Wort: Durch deine Nachkommen sollen alle Völker auf Erden gesegnet werden. (Gen. 12,3).
Was geschieht gerade in Europa? Sichtet und prüft Gott sein Volk durch neue, ungewohnte Gefährdungen - Pandemie, mit der kaum jemand gerechnet hatte, Klimakrise, die niemand in den Griff zu bekommen scheint, Energiekrise, plötzliche Kriege in Europa und im Nahen Osten mit ihren Auswirkungen auf Europa? Dazu Menschen, die in großer Einsamkeit und Verlassenheit leben. Die Menschen hatten sich daran gewöhnt, dass alles fast wie von allein selbstverständlich weitergeht wie bisher. Das Sichten und Prüfen Gottes bedeutet nicht, dass Gott diese Krisen und Kriege will. Sie sind von Menschen gemacht: indem zum Beispiel die bisherigen Grundlagen des Zusammenlebens in Frage gestellt werden, die natürlichen, technischen, politischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, sozialen und mentalen Entwicklungen, die Perspektiven künstlicher Intelligenz u.a., die es in dieser Weise noch nie gegeben hat. Sichtet und prüft Gott sein Volk? Es geht in aller Kreuzverlassenheit (Heinz Schürmann) darum, dass die Angehörigen des Volkes Gottes der Welt vorleben sollen, wie man als „Gesegnete Gottes“ in der Gemeinschaft leben kann. Dann kann von ihnen Segen ausgehen für „alle Geschlechter auf Erden“ als Zeichen seiner Hoffnung für diese Welt.

3. Schlussakzent
Jeder gute Vorschlag hat seine eigene Nachhaltigkeit. Über allem steht die Liebe als die tiefste, reichste und schönste Ausformung der christlichen Botschaft.
„Mein Auftrag ist, im Herzen der Kirche Liebe zu sein."  (Schwester Thérèsa von Lisieux).

Autoren:

Pfarrer u. Senior i.R. Andreas Eras Pfarrer u. Superintendent i.R. Johannes Haak

Pfarrer und Propst i.R. Joachim Jaeger Pfarrer i.R. Martin Moeslein

Pfarrer i.R. Dr. Aribert Rothe

Erfurt, den 30. Oktober 2024

Zur besseren Lesbarkeit wird in dieser Wortmeldung das generische Maskulinum verwendet. Die in dieser Arbeit verwendeten Personenbezeichnungen beziehen sich auf alle Geschlechter.

4. Literatur
Bálint, Kristóf, „Die KMU VI und ihre (Schluss)Folg(erung)en. Referat zum Mitarbeitendenkonvent, Barnim, 10. 01. 2024
Boehm, Omri, Die Würde der Menschheit, Literaturfest in München, 16. 11. 2023
EPD: Ökumenischer Gottesdienst in der katholischen Kirche Herz Jesu in Berlin zum Auftakt des Ökumenischen Kirchentages 2021 im Februar 2020
Friedenthal-Haase, Martha, Aufsatz „Die Wenigen und die Vielen, zu Orientierungsfragen der politischen Erwachsenenbildung in der Demokratie, in: Bildung und Erziehung, 60 (2007) 2, Seite 209 – 226
Halik, Thomas, Hauptreferat auf der Dreizehnten LWB-Vollversammlung, Krakau, 14. September 2023, „Ein Leib, Ein Geist, eine Hoffnung“
Moldenhauer, Bernd, Aufsatz zum Thema: Überlegungen zur Beratung des Kirchenkreises Erfurt und Vorlage zur Diskussion des Papiers am 13. 06. 2023 in Erfurt (Versinkende Lebenswelten, über die gegenwärtige Situation der protestantischen Kirche)
Pöggeler, Franz, Bildungsunion im vereinten Deutschland. Perspektiven einer grundlegenden Reform (Studien zur Pädagogik, Andragogik und Gerontogogik, Bd. 13), Frankfurt a. M. u.a. 1992
Rosa, Hartmut, Demokratie braucht Religion, Kösel-Verlag, München, 10. Auflage, 2023
Rothe, Aribert, Stichworte der Herausforderung, die folgenden Stichworte der Herausforderung fußen auf den Arbeitstexten der Initiative SALZWERK: Der interreligiöse Impuls folgt dem Ansatz des interreligiösen Gesprächskreises Thüringen
Rothe, Aribert, Unterwegs nach Europa – Perspektiven evangelischer Kirchen; in: Deutsche Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Erwachsenenbildung (DEAE), Forum Erwachsenenbildung, Nr. 4/2011, Frankfurt a. M. 2011

Wie hältst du's mit der Kirche?, zur Bedeutung der Kirche in der Gesellschaft, erste Ergebnisse der 6. Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung, Herausgeberin: Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) 2023, Evangelische Verlagsanstalt Leipzig
Wegmarken, Evangelische Schulstiftung in Mitteldeutschland St. Johannes, Beilage - Glaube und Heimat Nr. 22. vom 2. Juni 2024, besonders die Seite 2, Artikel: Vielfältige Kompetenzen lernen fürs Leben mit Praktika und Kontakten zu Mitchristen von Christina Eberhardt
Winkler, Eberhard, Vortrag am 30.11.2023 in der Uni Halle zum Thema: Diakonie als Leitmotiv der praktischen Theologie
Pressemitteilung der Deutschen Bischofskonferenz vom 22.02.2024 „Völkischer Nationalismus und Christentum sind unvereinbar“, Erklärung der deutschen (katholischen) Bischöfe

Autor:

Johannes Haak

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