Kirche und Kultur im Blickpunkt
Erfurt/Magdeburg: Adventsempfang und ökumenisches Neujahrsgespräch
Es war fast, als hätten sie sich vorher abgestimmt. Beim Adventsempfang der Evangelischen Kirchen in Thüringen beklagten Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) und der Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Martin Hein, die Herabwürdigung von Einzelnen oder Institutionen in den sogenannten Sozialen Medien.
Hein sprach bei dem Empfang zum Thema »Höflichkeit und Respekt: die kleine Münze christlicher Ethik in Zeiten der Verrohung«. Darin forderte er, die Kirchen müssten stärker gegen eine eklatante Verrohung der Umgangsformen vorgehen. Die Theologie habe sich mit diesem Aspekt der Alltagsethik nur beiläufig befasst, stellte der Bischof fest. »Öffentliche Brandmarkung und Bloßstellung von Menschen, rassistische, nationalistische oder sexistische Äußerungen müssen als unchristlich benannt werden«, so Hein.
Respekt und Höflichkeit als Haltungen der Wertschätzung und Würdigung seien demgegenüber christliche Verhaltensweisen. Die Kirchen sollten den ethischen Diskurs für diese Herausforderung in Gang halten, forderte der Bischof.
Der Abend begann mit einer Andacht von Landesbischöfin Ilse Junkermann in der Augustinerkirche. Beim anschließenden Empfang im »Haus der Versöhnung« konnte Oberkirchenrat Christhard Wagner, der Beauftragte der Evangelischen Kirchen in Thüringen bei Landtag und Landesregierung, auch den Präsidenten des Thüringer Landtags, Christian Carius (CDU), begrüßen.
Kirche bringt Kultur in den ländlichen Raum
Als vor Jahren die Enquete-Kommission »Kultur in Deutschland« des Deutschen Bundestages die Ausgaben der Kirchen für Kultur in den Blick nahm, förderte sie Erstaunliches zutage: Zwischen 3,5 und 4,8 Milliarden Euro würden die beiden großen Kirchen im Jahr für kulturelle Zwecke ausgeben. »Das sind etwa 20 Prozent ihres Etats und etwa gleich viel wie bei Ländern und Kommunen«, so Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates beim ökumenischen Neujahrsgespräch der Katholischen und Evangelischen Akademie am 7. Dezember in Magdeburg. »Kirche und Kultur. Dialog oder Funkstille?« lautete das Thema.
»Das hat mich erstaunt«, so Zimmermann, »auch deshalb, weil die Kirchen nicht viel Wind darum machen.« Die Kirchen sollten aber ihre kulturpolitische Macht stärker sehen anstatt, wie bislang, zu sehr nach innen zu schauen. Zimmermann würdigte das große Engagement der Kirchen. Im ländlichen Raum seien sie oftmals der einzige Anbieter von Kultur, so der evangelische Christ, der seit 2015 der Synode der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz angehört.
Landesbischöfin Ilse Junkermann unterstrich, dass Kultur nichts Überflüssiges oder Freiwilliges sei. »Gott hat die kreative Kraft in die Menschen gelegt«, so die Theologin. Sie nannte Beispiele für die Pflege des Erbes und für aktuelle Aktivitäten in der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, wie die Kirchliche Stiftung Kunst- und Kulturgut, das Kleinkunstfestival »Grenzgänger« oder die Tatsache, dass Kirche auch Auftraggeberin für zeitgenössische Kunst sei.
Der katholische Magdeburger Bischof Gerhard Feige verwies darauf, dass das Evangelium sich den verschiedenen Kulturen in der Welt nicht einfach nur angepasst, sondern sie durchdrungen und verändert habe. »Die Kirche hat die Welt beträchtlich geformt.« Viele Menschen heute seien auf Sinnsuche, und die Kirchen sollten diese
Suchbewegung ernst nehmen. (G+H)
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