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Serie: Christen in der DDR
Kirchenjunge und Freundschaftsrat

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Christsein in der DDR: Dass jemand in der DDR unangefochten kirchliches und gesellschaftliches Engagement miteinander verbinden konnte, war ungewöhnlich. Knut Kreuch, Oberbürgermeister von Gotha, betont, dass ihm dies gelungen sei.
Von Sabine Kuschel

»Ich war einer der ganz wenigen Jugendlichen in der DDR, die Kirchenjunge und zugleich Freundschaftsratsvorsitzender waren.« Der Freundschaftsrat war in der DDR das formale Leitungsgremium der Jung- und Thälmannpioniere an einer polytechnischen Oberschule. Jährlich wurden in jeder Klasse Pioniere gewählt, die in den Freundschaftsrat entsandt wurden. Der Freundschaftsrat wählte einen Vorsitzenden.
Der Kirchenjunge hatte die Aufgabe, sonntags den Kirchenraum für den Gottesdienst vorzubereiten, wie zum Beispiel die Lieder anzuschlagen. Er musste etwa eine Stunde vor Gottesdienstbeginn in der Kirche sein. Bei Beerdigungen trug der Kirchenjunge das Kreuz. Und er sammelte Spenden. »Mir gaben sie immer etwas mehr«, kommentiert der Bürgermeister schelmisch.
Knut Kreuch ist am 7. Dezember 1966 in Wechmar (Kirchenkreis Gotha) geboren. Getauft wurde er Ostern 1967. Seine Eltern waren kirchlich, »gingen aber nur Heiligabend, wenn die Kirche gut gefüllt war, zum Gottesdienst«, erzählt er. Etwa als 13-Jähriger wollte er unbedingt die Christenlehre besuchen. »Ich bekam den Drall«, beschreibt er sein Interesse für Kirche und Glauben. Zu dieser Zeit war er stellvertretender Freundschaftsratsvorsitzender.
»Ich konnte gut Gedichte vortragen«, und deshalb wollte er im Weihnachtsgottesdienst beim Krippenspiel mitmachen. Da er einen »guten Draht« zur Pastorin hatte, bekam er eine Rolle, die des Hirten Corydon. Die Erinnerung daran amüsiert ihn. Einen einzigen Satz hatte er aufzusagen, den er belustigt zitiert: »Ich lege dir dies Tüchlein hin.« Kreuch lacht. Der Junge schien prädestiniert zu sein für ein verantwortungsvolles Ehrenamt. Als ein Kirchenjunge gebraucht wurde, sagte jemand im Ort: »Das kann doch der Knut machen.« Knut machte das. Und erinnert sich heute mit Freude an diese Zeit. Der Gottesdienst begann 9.30 Uhr, er musste
8.15 Uhr in der Kirche sein und gemeinsam mit dem Küster alles vorbereiten. Die Abendmahlsvorbereitung gehörte ebenso dazu, genauer: der Messwein –
trockener Cabernet – wurde verdünnt. Von dem Wein haben sich der Küster und der Kirchenjunge freilich auch einen Schluck genehmigt.
Etwas knifflig wurde es, als ein neuer Freundschaftsratsvorsitzender gewählt werden sollte. Knut war bereits Stellvertreter und sollte nun den Vorsitz übernehmen. Er wurde gewählt. Allerdings forderte der Pionierleiter ihn auf, sein Amt als Kirchenjunge niederzulegen.
Der Junge verstand das nicht. Er fragte sich: Warum? »Warum kann ich nicht Freundschaftsratsvorsitzender sein und zugleich in die Kirche gehen?« Er schrieb einen Brief an die Zeitung »Das Volk«, die seit 1990 als Thüringer Allgemeine erscheint, und bat um eine Antwort auf seine Frage.
Das war 1980. Er hörte lange nichts. Eines Tages sollte er zum Schuldirektor kommen. Dieser schickte ihn ins Gemeindeamt, wo er von jemandem erwartet würde. Merkwürdig. Wer könnte ihn dort erwarten? Der stellvertretende Chefredakteur von »Das Volk«, der sich auf Knuts Brief bezog. Wie er überhaupt solch eine Frage stellen könnte, wies ihn der Mann von der Zeitung zurecht.
Nach diesem Gespräch zweifelte der Schüler an sich selbst, entschied sich aber schließlich, einfach weiterzumachen. Beide Posten auszuüben. Punkt. Das ging gut. »Ich habe keine Repressalien erlebt.« Kreuch vermutet sogar, dass er in der DDR der Einzige war, der unbehelligt zugleich gesellschaftlich und kirchlich aktiv sein
konnte.
Dass er in der Folgezeit in Schwierigkeiten geriet, hat andere Gründe. Sie lagen in seiner Heimatverbundenheit. In der 6. Klasse (!) war er als Berufsoffizier geworben worden. Die Konsequenzen hatte er zu der Zeit noch nicht absehen können. 1985 nach seiner Lehre als Fahrzeugschlosser wurde er eingezogen. Er hielt es nur wenige Tage bei der Armee aus. Es zog ihn nach Hause. Unerträglich die Vorstellung, für viele Jahre fern seiner Heimat zu sein. »Ich konnte nicht loslassen«, sagt er. Wenn er den Kirchturm seiner Heimatkirche nicht sieht, fehle ihm etwas.
Er beendete die militärische Ausbildung noch bevor sie richtig begonnen hatte. Mitten in der Nacht kam er in Seebergen an, von dort lief er zu Fuß nach Hause. »Meine Eltern fielen aus allen Wolken.« Sie wollten sich gerade auf den Weg zu seiner Vereidigung machen. Seine Entscheidung, die Offizierslaufbahn abrupt abzubrechen, nahm ihm der Staat erwartungsgemäß übel. Es wurde ihm gedroht, dass er keinerlei Chance auf Qualifizierung erhielte. »Ich wurde ausgegrenzt.« Doch das hat er sich nicht gefallen lassen. »Ich habe mich hoch gekämpft.«Bis zum Oberbürgermeister der Stadt Gotha.

Autor:

Online-Redaktion

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