Wenn der Pfarrer den Narren gibt
Seltenheit: Der vermutlich einzige evangelische Theologe in Deutschland, der zum Faschingsprinzen gekrönt wurde
Von Klaus-Dieter Simmen
Er ist Rheinländer. Doch keine vordergründige Frohnatur, die den Clown schon zum Frühstück braucht. Dazu ist Gregor Heidbrink, der Pfarrer von Finsterbergen, ein viel zu ernsthafter Mensch. Beim Karneval allerdings zeigt er sich ganz anders. Da pflegt der gebürtige Rheinländer seine närrische Seite. Umgewöhnen musste sich der gebürtige Bonner vor allem beim Narrenruf: »Wir lernten als Kinder zuallererst, dass es Alaaf und nicht Helau heißt«, sagt er. Damit kann er im Thüringischen keinen Narren hinterm Ofen vorlocken. Doch mittlerweile geht ihm Helau ohne Schwierigkeiten von der Zunge.
Die 44. Saison der Finsterberger Narren wird Gregor und Jeannette Heidbrink wohl ewig in Erinnerung bleiben. Schließlich halten sie als Gregor I. und Jeannette I. närrischen Hofstaat. Faschingsprinz zu sein ist mit Sicherheit eine Sehnsucht, die Rheinländern in die Wiege gelegt wird. Nun ist der Pfarrer nicht nur am Ziel seiner Wünsche, sondern der wohl einzige evangelische Pfarrer in Deutschland, der als Prinz gekrönt wurde.
Seit neun Jahren leben die Heidbrinks nun in Finsterbergen. Zum Finsterberger Karneval Club fand die Familie jedoch nicht sofort. »Wir haben Büttenabende besucht, selbstverständlich, mehr aber nicht«, sagt der Pfarrer. Um wirklich dabei zu sein, bedurfte es des Anstoßes von außen. Und den gab es an der Bar, am Ende einer der legendären viereinhalbstündigen Büttenabende. Ob er nicht zum 11. 11. eine Rede halten wolle, wurde Gregor Heidbrink gefragt. Und ja, er wollte.
Was er vortrug, damals vor vier Jahren, begeisterte das Publikum auf Anhieb. Da stand einer als Heiliger Martin auf der Bühne und brillierte, ein Senkrechtstarter. Ein Jahr später war der Heilige Martin dann fester Bestandteil des Büttenprogramms. Im roten Mantel und sich selbst auf der Gitarre begleitend, sang Gregor Heidbrink ein Lied zum Thema Flüchtlinge. »Das war 2015, das Thema bewegte die Menschen, so dass ich dachte, das kann man auch im Karneval nicht aussparen.« Der Pfarrer nahm in seinem Text jene auf die Schippe, die sich als Helfer in den Vordergrund drängten und dabei nichts weiter im Sinn hatten, als ihre alten Sachen los zu werden.
Damit spielte er auch auf seine Rolle als Heiliger Martin an. »Ich habe mir diese ganz bewusst ausgesucht, um eine Brücke zu meinem Beruf zu schlagen.« Und weil die Kirchengemeinde Finsterbergen alljährlich an den Mann erinnert, der seinen Mantel mit dem Bedürftigen teilte. »So ist der Heilige Martin eine lebendige Figur im Dorf.«
In der Bütt zu stehen brachte dem Pfarrer eine ganz neue Redeerfahrung. Da nämlich sitzt vor ihm ein gutgelauntes, angeheitertes und zahlendes Publikum. »Da muss man schon Arbeit in seinen Vortrag stecken, das Timing muss stimmen, damit der Gag auch ankommt. Das war für mich außerdem eine wertvolle Erfahrung fürs Schreiben der Predigt.« Selbst wenn er da sehr sorgfältig vorgehe, so gerate ihm in der Routine doch gelegentlich Schriftsprache darunter, gibt er zu, was bei dem einen oder anderen dazu führt, dass er abschaltet. Das passiert ihm jetzt nicht mehr.
Was macht für den aktuellen Faschingsprinzen guter Karneval aus? »Er muss von unten kommen. Das habe ich schon als Kind gelernt. Wenn die Garde marschiert, so erfuhren wir, wird das Militär veräppelt. Und das zeigt, der Spott gilt den Mächtigen. Das funktioniert, und es funktioniert noch besser, wenn der Mensch auch über sich lachen kann.« Gar nicht mag es der Pfarrer im Narrenkostüm, wenn über die Schwachen gelacht wird, über jene, die sich nicht wehren können.
Trotz Prinzenrolle steht Heidbrink auch in dieser Saison auf der Bühne –
gemeinsam mit seiner elfjährigen Tochter. In ihrem Sketch geht es um den Generationenkonflikt, um den Förster, der seine Tochter mit in den Wald nehmen, ihr die Schönheit der Natur nahe bringen will, die jedoch längst in ihrer Handywelt versun-
ken ist.
Gefragt ist das Prinzenpaar nicht nur bei den offiziellen Veranstaltungen des Karneval Clubs, die Regenten statten Besuche ab, wie etwa in der Finsterberger Kita, wo gemeinsam mit den Mädchen und Jungen gesungen wurde. Das fasziniere an der Regentschaft, gibt Heidbrink zu. Und noch etwas hat ihn in seinen Bann geschlagen: Das reibungslose Zusammenspiel zwischen den Akteuren auf der Bühne und jenen, die dahinter für einen reibungslosen Ablauf sorgen, Tontechniker und Beleuchter, Kostümschneider und andere fleißige Helfer, die nie im Rampenlicht stehen. »Ich wünschte mir, dass manche Kirchengemeinden so funktionieren würden«, sagt der Pfarrer im Prinzenkostüm.
Autor:Online-Redaktion |
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