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Archäologie
Geheimnisse um die Doppelkapelle am Lutherweg

St. Crucis: Wo Luther einst übernachtet haben soll, blicken Archäologen in die noch frühere Historie. | Foto: Steffen Schellhorn
  • St. Crucis: Wo Luther einst übernachtet haben soll, blicken Archäologen in die noch frühere Historie.
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In Landsberg im Saalekreis steht eine der größten erhaltenen Doppelkapellen. Hoch oben über der kleinen Stadt thront sie auf einem Porphyrfelsen. Am Lutherweg gelegen, zieht sie jedes Jahr viele Touristen an. Der Reformator soll dort auf seiner letzten Reise von Wittenberg nach Eisleben am 24. Januar 1546 übernachtet haben. Mit den Worten „Lieber Gott von Ewigkeit / Erbarm dich deiner Christenheit / So seufzet mit Hand und Mund / Martin Luther D.“, soll er sich in der Kapelle verewigt haben, heißt es in der Geschichtsschreibung des 18. Jahrhunderts. Ob er wirklich dort war und in dem Gotteshaus vielleicht sogar gepredigt hat, ist allerdings bislang nicht eindeutig bewiesen. Doch das mindert die Stellung der Doppelkapelle St. Crucis als ein ganz besonderes historisches Zeugnis wenig.

Das zeigt auch eine Forschungsgrabung des Landesamtes für Archäologie und Denkmalpflege Sachsen-Anhalt in Zusammenarbeit mit der Martin-Luther-Universität Halle, die im September begann und bereits nach wenigen Wochen interessante Erkenntnisse zutage brachte.
„Die Doppelkapelle gehörte einst zu einer großen Burganlage. Dabei muss es sich um eine Burg von Rang gehandelt haben, die sich an einer kaiserlichen Anlage orientiert“, sagt Landesarchäologe Harald Meller. Lange Zeit habe es viele Spekulationen über die Geschichte der Burg gegeben, die im 12. Jahrhundert von Dietrich, einem Sohn des Markgrafen Konrad von Meißen, errichtet worden war. Anders als bisher gedacht, sei diese Burg wahrscheinlich nicht in der frühen Neuzeit untergegangen. Wahrscheinlich sei bereits Mitte des 15. Jahrhunderts die Funktion als Burg erledigt gewesen, vermutet man.

Rund um die Doppelkapelle, den letzten sichtbaren Zeugen dieser Vergangenheit, wurden während der Grabungswochen mehrere kleine Grabungsfelder aufgemacht. Insbesondere wollten die Archäologen der Lage des einstigen Pallas nachgehen und Aufschluss über eine Vorgängerburg erlangen. In den unteren untersuchten Kulturschichten fanden die Archäologen erstmals auch Funde aus dem 9. bis 11. Jahrhundert. Sie machen deutlich, dass hier mit aller Wahrscheinlichkeit die Kernburg einer der umfangreichsten spätkarolinger- bis ottonenzeitlichen Befestigungsanlagen auf dem Gebiet des heutigen Sachsen-Anhalts gestanden haben muss. „Auf der Wiese hier an der Doppelkapelle müssen einst bedeutende Gebäude gestanden haben“, so der Landesarchäologe. Vieles werde allerdings nie recherchiert werden können, weil durch einen Steinbruch wahrscheinlich vieles unwiederbringlich verloren gegangen ist.

Die bisherigen Grabungsfunde lassen Schlüsse auf die Lage des einstigen Pallas der Burg Dietrichs von Landsberg zu und veranschaulichen die Bedeutung des Ortes und verschiedene Facetten des Lebens auf der Burg, das sich durch die wenigen erhaltenen Schriftquellen allein nicht fassen ließe. Man habe weit über 500 Kleinfunde ausmachen können, weiß Grabungsleiterin Katja Grünberg-Wehner zu berichten. Darunter seien Teile von Koch- und Vorratsgeschirr, Tonmurmeln, ein glasiertes Spielzeugpferdchen, aber auch Fragmente eines Wellhufeisens, der einst vergoldet gewesene Balken einer Klappwaage, eine Münze mit Loch, ein Glasring und ein vergoldetes Stück, das wohl zu einer Gürtelschnalle gehörte, Reste von Ofenkacheln und eines Glasfensters. Das sind vielfältige Belege für das einstige Leben auf dem Kapellenberg.
Im kommenden Jahr sollen die Grabungen fortgesetzt werden. Dann soll die gesamte Fläche rund um die Doppelkapelle freigelegt werden, um noch tiefere Einblicke in die baulichen Grundstrukturen und ein besseres Verständnis der Gesamtanlage zu bekommen, stellen die Archäologen in Aussicht.
Claudia Crodel

Autor:

Online-Redaktion

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