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Bad Sulza
Mit dem Erinnern wird stiefmütterlich umgegangen

Gedenkstein am ehemaligen KZ-Areal in Bad Sulza | Foto: Foto: Jens-Christian Wagner
  • Gedenkstein am ehemaligen KZ-Areal in Bad Sulza
  • Foto: Foto: Jens-Christian Wagner
  • hochgeladen von Beatrix Heinrichs

Auf ehemaligem KZ-Areal sollen Wohnungen entstehen.

Die Fenster im Erdgeschoss sind mit Brettern vernagelt, die Nebengebäude teilweise eingefallen. Die Natur hat sich das große Grundstück in Bad Sulza (Kirchenkreis Apolda-Buttstädt) schon vor Jahren zurückgeholt.
Ein Gedenkstein aus DDR-Zeiten und eine verblasste Tafel weisen auf die besondere Bedeutung des Ortes in der NS-Zeit hin: Mitglieder der Thüringer Landtagsfraktion der KPD sind hier interniert worden, Zeugen Jehovas, Juden und politische Gegner des Nationalsozialismus. Das Areal war ein Konzentrations-lager.
«Das KZ Bad Sulza war eines der sogenannten frühen Konzentrationslager und direkter Vorgänger von Buchenwald», sagt Jens-Christian Wagner, Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora: «Für viele der hier inhaftierten insgesamt 850 Häftlinge war dieser Ort die erste Station auf einem langen Leidensweg durch weitere Lager und Zuchthäuser.» Bad Sulza sei ein «wichtiger Erinnerungsort».
Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass das Gebäude am 13. April 1945 in großen Teilen niederbrannte. Nur im Erd- und Kellergeschoss haben sich noch Spuren der KZ-Nutzung erhalten, unter anderem die Kellertreppe und die Eisentüren zu den Arrestzellen samt Fenstergittern.
«Bei einem als Kellerregal genutzten dreistöckigen Etagenbett handelt es sich wohl um ein ehemaliges Häftlingsbett», sagt Landeskonservator Holger Reinhardt. Und auch auf dem Gelände hätten sich etwa die Pflasterung aus der KZ-Zeit ebenso wie einige Betonzaunpfosten mit Metallstäben zur Befestigung von Stacheldraht erhalten. All das müsse beim Umgang mit dem Gelände bedacht werden, betont er. Denn es gibt eine Bauvoranfrage.
Ein Investor mit Sitz im 50 Kilometer entfernten Riechheim im Weimarer Land wolle das Gelände entwickeln, ist aus Kreisen der Kommunalpolitik zu erfahren. Im Hauptgebäude wolle er Wohnungen und auf dem Grundstück Einfamilienhäuser errichten, wird aus der Bauvoranfrage zitiert. Kreisdenkmalschutz und Kommune wollen die Entwicklung des Areals am nordöstlichen Rand der Stadt gern ermöglichen. Noch steht die Stellungnahme des Landesdenkmalamtes aus.
Dessen Behördenleiter Sven Ostritz hat den Fall zur Chefsache gemacht. «Ich stehe noch ganz am Anfang», sagt der Investor. Die Voranfrage solle klären, was überhaupt auf dem Grundstück möglich sei. Die Bedeutung des Ortes erkenne er an, eine Einbeziehung des Erinnerns an dessen Geschichte werde er grundsätzlich unterstützen. Aber auch bei diesem Bauvorhaben müsse der Aufwand für mögliche Denkmalschutzauflagen im Blick bleiben.
Immer wieder stellen sich Grundeigentümern Fragen, wie mit Orten des NS-Terrors umzugehen ist, und wie sie als Erinnerungsorte erhalten bleiben können. In der Kirchengemeinde und im GKR habe man das Thema noch nicht explizit besprochen, sagt Matthias Uhlig. Oft würden dann Steine, Mahnmale, Stehlen oder Tafeln aufgestellt, was der Sache durchaus auch gerecht würde, meint der Bad Sulzaer Pfarrer. Das Problem sei aber ein anderes: "Mit dem Erinnern als solchem wird meist nur stiefmütterlich umgegangen."
Dieter Kranich, Vorsitzender des Kirchenfördervereins "Sankt Mauritius" in Bad Sulza, sieht das ähnlich. Eine frühere Ortspfarrerin habe sich sehr für die Erinnerungsorte in der Stadt, zu denen neben dem einstigen KZ-Areal unter anderem auch ein Ehrenhain für gestorbene sowjetische Kriegsgefangene zählt, stark gemacht. "Wir haben vieles, aber vieles wird auch vernachlässigt", bedauert Kranich. Auf die Frage, warum das so sei, antwortet er pragmatisch: "Zum Jahrestag geht man noch einmal hin, legt Kränze oder Blumen nieder. Aber den Rest des Jahres spielt das Erinnern eben leider keine Rolle." Erinnerungsorte zu etablieren sei das eine, sie zu erhalten und zu pflegen – gedanklich und auch ganz praktisch – das andere, davon ist er überzeugt.
Nichtsdestotrotz: Pfarrer Uhlig würde die Aufstellung einer Tafel am ehemaligen KZ-Gelände begrüßen, sagt er, damit was hier geschah, nicht in Vergessenheit gerät. "Die Vergangenheit gehört zu unsere Gegenwart dazu, aber wir müssen auch nach vorne schauen", meint der Pfarrer und verweist – vor dem Hintergrund des AfD-Hochs – auf die nächsten Wahlen, die ein großes Thema seien.
Dass ehemalige Tatorte des Nationalsozialismus grundsätzlich nachgenutzt werden dürfen, ist sowohl für den Denkmalschutz als auch die Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora denkbar. Es seien an diese Nutzung jedoch «hohe ethische Anforderungen» zu stellen, heißt es übereinstimmend. Auch Denkmalschützer Ostritz betont, eine Nachnutzung solcher Orte sei möglich. Doch dürfe dabei der Charakter des Denkmals nicht verloren gehen.

Beatrix Heinrichs /Matthias Thüsing (epd)

Autor:

Beatrix Heinrichs

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