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Ihr individueller Klang prägt Orte von Salzwedel bis Sonneberg

Meisterwerk der Renaissance: die 1518 von Martin Hillger gegossene große Glocke der St.-Wenzels-Kirche in Naumburg | Foto: Christoph Schulz
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  • Meisterwerk der Renaissance: die 1518 von Martin Hillger gegossene große Glocke der St.-Wenzels-Kirche in Naumburg
  • Foto: Christoph Schulz
  • hochgeladen von Kirchenzeitungsredaktion EKM Nord

Beeindruckend: 10 000 Glocken läuten in der Evangelischen Kirche Mitteldeutschlands und in Anhalt

Von Michael von Hintzenstern

Für mich sind Glocken faszinierende Schöpfungen menschlicher Kreativität, Symbole unseres christlichen Glaubens und Musikinstrumente, die in ihrer Gesamtheit Himmel und Erde verbinden«, bekennt Christoph Schulz (Magdeburg). Er ist Referent für Glockenläuteanlagen und Turmuhren in der Region Nord der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM). Gemeinsam mit seinem Kollegen Marcus Schmidt (Erfurt), der in gleicher Funktion für die südliche Region zuständig ist, erfasst er momentan den Glockenbestand in der einstigen Kirchenprovinz Sachsen und der ehemaligen Thüringer Landeskirche.
»Wenn man von rund 4 000 Kirchengebäuden im Gesamtgebiet der EKM ausgeht, ist auf Grund unseres aktuellen Glockenerfassungsstandes eine Zahl von fast 10 000 Glocken zu nennen«, bringt Schmidt die Dimension ihres Aufgabengebietes auf den Punkt. Die Mehrzahl der Glocken sei aufgrund ihres Alters, ihrer Klangschönheit, ihrer einzigartigen künstlerischen Verzierungen oder als Bestandteil eines unter Denkmalschutz stehenden Kirchengebäudes denkmalpflegerisch schützenswert.
»Glocken sind immer ein Abbild ihrer Zeit und berichten uns über die Frömmigkeit ihrer Auftraggeber. Ihr individueller Klang prägt dabei für eine lange Zeit das Orts- oder Stadtbild. Glocken werden somit zu Stimmen der sie beherbergenden Sakralarchitektur und der Kirchengemeinde«, ist sich der Sachverständige sicher.
Ihrer Wesensart nach seien Glocken Idiophone, also selbstklingende Musikinstrumente. »Als Zeugnisse des Bronzegießkunsthandwerks waren nicht nur das musikalische Klangbild und die Gestalt, sondern vielmehr auch das Dekor über alle kunstgeschichtlichen Epochen Veränderungen unterworfen. Über viele Entwicklungsstufen und -formen (z. B. Bienenkorbglocken, Zuckerhutglocken) erhielten die Glocken in der Gotik (14./15. Jahrhundert) die uns heute bekannten Proportionen und Klangstruktur (Molloktavglocke)«, erläutert Marcus Schmidt die Historie.
»Das Geburtsgebiet des deutschen Glockengusses war der Großraum Harz«, verweist Christoph Schulz auf regionale Wurzeln. »Hier gab es die Bodenschätze und die Klöster, in denen Mönche das Wissen und die handwerklichen Fertigkeiten zum Gießen von Glocken von irischen Wandermönchen erlernt haben. Darum existieren im Harz und in einem Umkreis von bis 150 km die ältesten Glocken in einer Fülle, wie nirgendwo in Deutschland: Bienenkörbe (11. Jahrhundert) und Zuckerhüte (12./13. Jahrhundert) sowie Übergangsglocken bis zum Ende des 14. Jahrhunderts.« Dieser Reichtum schließe das Gebiet der anhaltischen und braunschweigischen Landeskirche ein. In der Altmark gebe es ebenfalls noch sehr viele Zuckerhüte.
Marcus Schmidt vermutet, »dass bereits gegen Ende des 8. Jahrhunderts Glocken und Glockenläuten zu liturgischen Handlungen im südwestlichen Teil des heutigen Freistaats Thüringens eingeführt waren«. Darauf lasse das Inventarverzeichnis des 783 gegründeten Benediktinerinnen-Klosters Milz (Landkreis Schmalkalden-Meiningen) Rückschlüsse zu, in dem von vier Glocken und einer Schelle die Rede sei. »Thüringen ist somit als eine sehr alte Glockenlandschaft anzusehen!«
Bienenkörbe, zwischen 1040 und 1100 gegossen, hängen in der Nord-Region im Merseburger Dom, in Theißen und in Drohndorf sowie in Rieder (Anhalt). Die ältesten Glocken der Süd-Region läuten in den Kirchen von Daasdorf am Berge im Weimarer Land (1250, Zuckerhutform), Urleben im Unstrut-Hainich-Kreis (1278), der Kirche Divi Blasii in Mühlhausen (1281) und Boblas im Burgenlandkreis (1300).
Die größte Glocke der EKM hängt im Magdeburger Dom (1702) und hat ein Gewicht von 8,8 Tonnen. In der Evangelischen Landeskirche Anhalts ist die Gloriosa (1378) im Nordturm der Kirche St. Nicolai in Zerbst das größte Läute-Instrument. Vom Kirchenschiff des 1945 zerstörten Gotteshauses stehen jedoch nur noch die Umfassungsmauern. Aber es gibt auch immer neue Klangkörper! In der Margarethenkirche Gotha werden am 12. August die alten Stahlglocken abgenommen und am 31. Oktober durch ein neues Geläut ersetzt. In Tambach-Dietharz (Thüringer Wald) weiht Landesbischöfin Ilse Junkermann am 20. August eine neue Luther-Glocke!

Meisterwerk der Renaissance: die 1518 von Martin Hillger gegossene große Glocke der St.-Wenzels-Kirche in Naumburg | Foto: Christoph Schulz
Bienenkorbglocke in der Kirche von Rieder im Harz | Foto: Christoph Schulz
Autor:

Kirchenzeitungsredaktion EKM Nord

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