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de rebus politicis - von politischen Sachen
Leberecht Gottlieb (71)

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71. Kapitel, in welchem uns berichtet wird, wie Leberecht Gottlieb zum ersten Mal den Heroldsstab benützt - und wie er das Gespräch deutscher Studierender belauschen muss, welche dem Heiligen Gral auf die Spur zu kommen versuchen. Auch geht es um die Kirche und darum, ob bzw. wie sie politisch sein könne, dürfe oder sogar sein müsse ...

Leberecht Gottlieb nahm nun ganz behutsam den bunten Stab aus dem Seiden-Futteral, in welches das wertvolle Instrument am Beginn seiner Reise nach Jerusalem eingeschlagen worden war. Dieses Futteral stellte ein Abschiedsgeschenk von Anuschka Cohn dar, welche zwar nicht verstanden hatte, was man mit dem langen Stück besonderen Holzes angeblich bewerkstelligen könne, dem scheidenden Pfarrer aus der alten Heimat jedoch etwas Bleibendes schenken wollte - etwas, das von ihr selbst stammte. Blaugoldene Seide hatte sie genommen, welche Leberecht sofort an den Chinesen Luan Wang Li Zhang erinnerte.

Leberecht bohrte nun behutsam diesen Stab ein wenig in den Wüstensand ein, bis derselbe festen Halt gewann. Dann grub er eine kleine Grube - in die hinein sich selber zu stellen er beabsichtigte. Er scharrte also tief zum Erdmittelpunkt hinab, aber nur so tief, bis Leberechts in der Grube aufgerichtete Körper und die Höhe des Stabes wieder auf ein und dasselbe Maß gekommen waren. Das alles war enorm wichtig und recht bald vollbracht. Jetzt ging der Reisende um den Stab links herum (cor ad alteram) und machte sich Gedanken. Nun - man wollte nach Jerusalem hinreisen - und der Bus war böswillig ohne einen - ohne ihn selbst, Leberecht Gottlieb, Pfarrer i.R. aus Prätschwitz, Mumplitz und Plötnitz in Sachsen - abgefahren. Man musste also wohl oder übel Kontakt zu irgendwelchen anderen Transportgelegenheiten aufnehmen, aber hier draußen war im Augenblick niemand. Die Straße war leer - ab und zu kamen ein paar Lastkraftwagen vorbei, deren Fahrer jedoch alle nicht geheuer ausschauten. Welchen sollte man bitten anzuhalten? Lieber keinen ...

Da galt es nun wohl tatsächlich, diesen sonderbaren Stab, von dem Leberecht soviel schon gelesen, zum ersten Male jetzt auch wirklich und tatsächlich auszuprobieren. Der Planet Merkur, der seit Menschengedenken in allen möglichen Kulturen bei den Weisen für den Lebensbereich aller möglichen Kontakte, Gespräche, Kommunikationen und besonders für die kleinen Reisen hin und her als Signifikator gegolten hatte und immer noch gilt, war bei dem Stabe Leberechts etwa dort angebracht, wo sich der Höhe nach etwa die Magengrube seines Besitzers befand. Also kniete sich der alte Mann in den Sand und spähte peilend über den Amalgamring des Merkurius in die Wüste hinaus. Nichts geschah, nichts war zu sehen - nur Sand, Sand und nochmals Sand. Leberecht rutschte auf den Knien einmal rings um den als Stange aufgereckten Stab - und dabei kam ihm unweigerlich die Erinnerung an die Geschichte von der ehernen Schlange, welche jeder - war man von der Strafschlange des Ewigen gebissen worden - anzuschauen hatte, um am Leben zu bleiben. Als Leberecht nun ein paarmal wie die Büßer von Guadelupe um den Stab gerutscht war, fiel ihm draußen in der Wüstenlandschaft ein winziges Pünktchen auf, welches auf der Höhe des Stabes, genau dort, wo der Merkurius seinen Amalgamring platziert bekommen hatte, in südlicher Richtung sich zu bewegen schien. "Aha" - dachte Leberecht - "dranbleiben." 
Er schaute und schaute - und bemerkte, wie dieser Punkt größer wurde und sich schließlich als ein Jeep entpuppte, der in rascher Geschwindigkeit jenseits aller befestigten Straßen durch die Wüste raste. Leberecht nahm alle seine Greisenkraft zusammen, riss den Stock aus dem Sand raffte sein Köfferchen an sich und rannte in die Wüste nach dorthin hinaus, wo er seinen Weg mit dem zu erwartenden Pfad des Automobils zusammentreffen zu müssen glaubte. In der Tat, die Insassen des bemerkenswerten Wagens wurden auf den langsam durch den Sand eilenden Alten aufmerksam und verminderten die Fahrt ihres Monstertrucks, so dass der Pfarrer in Ruhe neben dem Automobil erschöpft angekommen zusammenbrach und nur noch mit schwacher und ersterbender Stimme um Wasser und Mitnahme bitten konnte. Was ihm auch beides gewährt wurde ...

In dem Geländewagen Jeep Wrangler Unlimited Rubicon 4exe saßen vier junge Personen, zwei Frauen und zwei Männer. Es stellte sich später langsam aber sicher heraus, dass diese Vier rechte Abenteurer waren. Sie befanden sich nämlich auf der Suche nach der Bundeslade, dem Heiligen Gral und dem heiligen Speer gleichermaßen, nahmen diese Sache aber irgendwie auch humorvoll und auf die leichte Schulter. Jedenfalls glichen sie in Nichts den aus der Literatur und verschiedensten Filmen bekannten geheimnisvoll düsteren Suchern - sondern eher Indiana Jones und den Rittern der Kokusnuss. Sie waren echt cool drauf, wie Leberecht noch dachte, ehe er in eine tiefe Ohnmacht fiel, aus der er erst erwachte, als der Mond schon hoch am Himmel fuhr und es bereits finster und empfindlich kalt geworden war. Man hatte den erschöpften Mann mit einigen Kamelhaardecken vor der Kälte geschützt und im Jeep auf die Rückbank postiert. Ein Lagerfeuer brannte draußen - offenbar von den Abenteurern entzündet. Dieselben speisten und tranken guten Wein - der Duft wehte bis zu Leberecht herüber, der sich in den materia olfactorii bestens auskannte.

Die vier jungen Leute unterhielten sich über das Thema "Kirche und Politik." Leberecht bekam im Laufe des erlauschten Gesprächs Stück für Stück mit, dass die beiden Frauen wohl Theologiestudentinnen aus Erlangen waren, der eine Mann Archeologe und der andere ein IT-Freak aus Potsdam. Das Gespräch wurde recht laut geführt und die vier waren vom Wein bereits in recht heitere Stimmung gebracht worden. Ob er nun wollte oder nicht - Leberecht musste zuhören. Es kam ihm dabei zu Gute, dass die Unterhaltung in seiner Muttersprache geführt wurde, was darauf hindeutete, dass die Abenteurer aus Landen deutscher Zunge stammen mochten. Leberecht dachte, "das ist ja fast wie bei Karl May, wo sich in allen Wildwestgeschichten die Sachsen aus der Radebeuler Weingegend zufällig irgendwo im mittleren Westen des nordamerikanischen Kontinents treffen. Die Tante Droll, der Humple Bill, Gunstick Uncle und Sam Hawkins." Dann aber versuchte Leberecht sich zu konzentrieren und lauschte einfach - nickte wohl hie und da manchmal ein, denn er war sehr müde und ein alter Mann - nicht alles, woran er sich erinnert, kann deshalb nachgeprüft werden. Manches mag er wohl auch geträumt haben. Aber - ist den den Träumen nicht die höhere Wahrheit präsent? Die eine Frau fragte provokant in die Runde:

"Ihr habt mich gefragt, ob die Kirche sich politisch äußern solle? Wie habt ihr es formuliert? Kann, darf oder muss sich die Kirche politisch äußern?" Nach einer halben Minute des Schweigens fuhr sie dann fort: "Schon eure drei hier aufgereihten Verben können, dürfen und müssen weisen auf die Vielschichtigkeit des Problems hin. Wir vermehren die Zahl dieser Verben noch um wollen, möchten und sollen. Wahrscheinlich ist eure Frage wohl auch aus einer gewissen kreativen Unsicherheit und dem schon reichlichen Genuss dieses vortrefflichen Weines heraus gestellt worden? Können ist ja etwas ganz anderes als dürfen, noch mehr als müssen bzw. sollen oder wollen. In wieweit darf Kirche der Politik und Politik der Kirche Ratschläge bis hin zum Befehl geben?"

Die Gläser klangen in süßem Ton aneinander, mehrere Male. Offenbar hatten alle vier miteinander angestoßen. Der Mond warf scharfe Schatten und einer der Männer fuhr nun fort:

"Ich als Archeologe sagte euch, Kirche und Politik erscheinen auf dem sogenannten sprichwörtlich gewordenen 'weiten Feld' als zwei ganz unterschiedliche Spielerinnen. Politik meint dabei die Sache der Stadt - πόλις. Kirche dagegen ist die Sache derer, die sich aus der Stadt haben herausrufen lassen - das etwa bedeutet ja auch der Begriff ἐκκλησία. Die Kirche begann in ihren Anfängen als Kontrastgesellschaft in den Städten - aber ebenfalls immer diesen Städten als klares Gegenüber. Erst viel später ist die Kirche zur Staatsreligion gemacht worden. Und das war wohl ihr Verhängnis. Sie taumelt bzw. balanciert bis auf den heutigen Tag zwischen den zwei Klammern Statskirche und Kontrastgesellschaft hin und her, durch welche beiden Brakes das Ganze irgendwie schon lange zusammenhalten wurde, nicht wahr? Es gibt also zwischen Staatspolitik und kirchlichem Wort sowohl zentrifugale als auch zentripedale Beziehungen und Kräfte. Dieselben auf lange und mittlere Sicht miteinander auszugleichen war nie einfach, aber nichts desto trotz blieb es Aufgabe."

Wieder erklangen die Gläser. Die andere Frau meinte nun:

"Sowohl für regierungskritisches Auftreten als auch dessen Gegenteil - ich meine die Achtung vor dem Staat - ließen sich tonnenweise Bibelverse zusammenstellen. Aber was wäre damit erreicht? Es kommt ja im Gegensatz zur Theologie bei der Politik ganz besonders immer auf das Können an. Nicht jeder kann alles. Wer eine Sache nicht kann, soll sie lassen. Es gibt heute aber leider eine weit verbreitete Hochstimmung dem "Können ohne Ausbildung" gegenüber. Weil in den frühen Jahren der USA mancher Migrant vom Tellerwäscher zum Millionär hat aufsteigen können, glaubt heute eine ganze Generation von uns jungen Leuten, dass es normal ist, wenn Studienabbrecher hohe Ämter erringen und beispielsweise irgendwelche hübschen Mädchen mit zweifelhaften Schulabschlüssen und selbstgebastelten Fakebiographien zu Ministerinnen gemacht werden. Wo doch zur Einschätzung komplexer politischer Zusammenhänge enormer Sachverstand, soziale Kompetenz und vor allem Fachwissen gehören. Es ist klar, dass sich Politikwissenschaftler zu politischen Fragen wirklich adäquat äußern können sollten. Sie besitzen - zumindest nach erfolgreich abgeschlossener Ausbildung und Berufserfahrung - den entsprechenden fachlichen Hintergrund und das nötige Wissen. Wenn die Kirche sich von einem repräsentativen Mix aus Politikwissenschaftlern verschiedener Coleur informieren ließe, dann könnte ein entsprechend qualifiziertes kirchliches Gremium u.U. auch zu politischen Fragen kompetente Äußerungen abgeben. Leider hat die Kirche in der Vergangenheit nicht selten gezeigt, dass sie sich von Einzelmeinungen aus ihrem eigenen und unmittelbaren Umkreis leicht auf Abwege führen ließ und sowohl politische als auch theologische Unsinnigkeiten verkünden zu müssen meinte. Erinnert euch an dieser Stelle zum Beispiel nur an den unmöglichen Slogan IMPFEN IST NÄCHSTENLIEBE. Die Kirche ist hier auf ein einigermaßen naives Narrativ gesprungen, das sich nunmehr seit einigen Monaten nicht nur als theologisch töricht herausstellt, sondern weit mehr noch auch medizinisch als etwas noch viel Schlimmeres."

Irgend ein Tier schrie draußen in der Wüste, dann hörte Leberecht das Glucksen der Flasche. Man goss sich ein ... Nun meldete sich die vierte Stimme. "Das ist der IT-Mann" dachte Leberecht und staunte als er Folgendes hören durfte:

"Darf sich die Kirche politisch äußern, hast du gefragt, Irene. In der DDR-Zeit hat die Kirche sich nicht! politisch äußern dürfen oder sollen. Dürfen ist etwas ganz anderes als Können. Können bezeichnet den Könner als Subjekt des Könnens. Dürfen bezeichnet jemanden, der einem Dritten etwas erlaubt oder verbietet. Der Staat erlaubt per Gesetz oder Verordnung dies oder das, oder er verbietet es. Dass die Kirche sich in der DDR-Zeit hie und da - allerdings nur sehr verhalten und diplomatisch - politisch geäußert hat, ist bekannt. Es war ein vorsichtiger Weg, den sie damit beschritt. Von manchen als feige gebrandmarkt, hielt die Kirche auf diese Weise gleichzeitig an ihren Rändern den sogenannten „negativen Kräften” - wie es im Stasi-Jargon hieß - Handlungsräume und Nischen vor, die sich in der Rückschau als wichtig erwiesen haben hinsichtlich der Begleitung und Initiation des Wendeumschwungs in den drei wichtigen Jahren 1987 - 1990. In diesem ähnlichen Sinne wird man sagen müssen, dass eine heute ebenfalls unter Druck stehende Regierung der Kirche das „Dürfen” immer verbieten wird, wenn die Kirche der Entartung, welche der Staat durch die Regierung erleiden muss, nicht mehr lobhudelt, sondern sich aufmacht, die Regierung prinzipiell zu kritisieren, wie es gegenwärtig mehr oder weniger qualifiziert wenigstens durch die Oppositionsparteien geschieht - nur eben nicht durch die Kirche. Sicher - vom eigenen Anspruch her dürfte die Kirche politisch sein. 'Man soll Gott mehr gehorchen als den Menschen' sagt nicht nur der vor Kurzem irgendein geschasster Ostpfarrer aus dem Harzvorland - wie hieß der gleich noch mal - ... , ich meine den Mann, den du, Irene, so verehrst und seine Gottesdienste da draußen in der Hölle, wo er wohnt, früher besucht hast, sondern schon Petrus sagte Ähnliches in der Apostelgeschichte des Lukas. Klar - man darf zwar alles sagen, nur muss man dann mit den Konsequenzen auch zu leben bereit sein. So oder ähnlich lauteten schon immer die Urteile der machthabenden Zyniker. Feiglinge sind zu solchen Opfern allerdings nicht bereit. Und die Schwachen schon gar nicht. Gerade aber diesen Schwachen müsste das Verständnis der Kirche gelten. Ich weiß übrigens nicht, wieviel Mut ich aufweisen würde wenn ..."

Der IT-Mann unterbrach seine Rede, denn draußen heulte wieder das Tier. Alle lachten mutwillig. "Das passt" meinte die erste Frau - alle riefen "Prost" und die Gläser erklangen in sechs verschiedenen harmonischen Akkorden. Der Archeologe fuhr nun fort zu dozieren.

"Können, dürfen, müssen. Kommen wir nun zum Müssen. Muss die Kirche politisch sein? Sie ist als Kirche immer politisch, weil sie selber eben nicht der Staat, die Stadt oder griechische Polis, sondern ein von ihr Getrenntes - Trennung von Staat und Kirche - und damit dessen Gegenüber darstellt. Kirche kann gar nicht anders als politisch sein, als Gegentumzum Staat ist sie eo ipso immer auch kritisch-politisch. Nur sollte die Kirche davor auf der Hut sein, sich in bestimmte Richtungen parteipolitisch ins Zeug zu legen, wie das heutigentags der Meinung vieler nach der Fall zu sein scheint."

Alle pflichteten dem Manne zu und dann war wieder die zweite Frau zu hören:

"Und noch was: Im Müssen verschmelzen zwei Handlungssubjekte miteinander: Die Autorität des Erlaubenden und das Gewissen des Wollenden und Könnenden. Qualifiziertes Können vorausgesetzt, muss der Wissende sich politisch äußern - wobei das Können und die eigene Kompetenz dabei oftmals natürlich weit überschätzt werden. Viele Leute fühlen sich berufen, aber nur wenige sind erwählt. Deshalb hört man gerade von Kirchenleuten oft so unmögliche und einfältige Sprüche. Aber auch wir Kirchenleute müssen irgendwie. Ja - man muss immer dann, wenn der Meinung des Subjekts nach ein quasigöttlicher Auftrag von außen mit dem inneren Impuls des eigenen Gewissens in Eines fällt, wie Kant mit der genialen Wendung des kategorischen Imperativs es nicht besser beschreiben konnte: 'Handle nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.' Das ist übrigens aus den Grundlagen zur Metaphysik der Sitten. Wenn es diesen Einklang von äußerer Autorität und innerer Stimme gibt - dann muss man! Auch, wenn es sich später als grotesker Fehler herausstellt. Also sollte dieses In-Eins-Fallen immer sachlich-fachlich - also politisch - vorbereitet und zu begründen sein."

Es gab nun eine längere Stille. Oft ist das so, wenn von Immanuel Kant die Rede ist. Da kommt Ehrfurcht auf und damit unweigerlich auch die Stille ... Nach geraumer Zeit redete wieder der IT-Mann:

"Man mache sich doch Folgendes einmal klar: Die fachliche Einschätzung der politischen Gegebenheiten seit mindestens 2015, kann heute unterschiedlicher nicht sein. Die ehemalige damals noch einigermaßen konservative Partei der alten Union hat ihren Markenkern längst vertan - wenn nicht sogar verraten; die ehemalige Arbeiterpartei SPD verlor ihr Klientel und die Linken sind zu besitzenden Snobs herunter gekommen, die die Genderkeule schwingen, wie die schöne Sarah es richtig diagnostiziert hat. Die ehemalige FDP Dietrich Gentschers fühlt sich nur noch für marginale Interessengruppen verantwortlich - aus allen diesen Gründen haben sich sowohl am linken als auch am rechten Rand des Parlaments neue Parteien gebildet, die gegenwärtig viel Zuspruch verbuchen - und um so mehr verbuchen, je mehr die vierte Gewalt in Presse, TV und Medien die politische Wirklichkeit nur lückenhaft und tendenziös geframed abzubilden versucht und wir gezwungen werden, das fürstlich bemessene Geld für die immer unmöglicher werden Talk-Shows aus unseren Portemonnaies per Gebühr zu entrichten.  Wie dem auch sei - der Streit um alle diese Sachen war schon immer das Geschäft der politischen Demokratie, deren Wirkprinzip heute vielfach absichtlich nicht mehr verstanden werden soll, weil es den etablierten Parteien - der von ihnen zu verantwortenden schlechten Politik wegen - nunmehr wirklich an den Kragen zu gehen scheint. Überhaupt - Parteiprogramme sind an manchen Stellen inhaltlich deckungsgleich geworden und überbieten sich gegenseitig mit durchschaubaren Parolen und Versprechungen. Bei alledem gilt aber: Die jeweilig gegenseitige Ächtung von Parteimeinungen blieb seit jeher Sache des  Parlaments, dessen Spektrum sich in wahrhaftigen Demokratien eben von links über eine Mitte bis nach rechts außen erstrecken muss und deshalb auch darf."

Eine neue Flasche wurde geöffnet, noch mit Korken - kein Schraubverschluss. Dann schloss die Frau, die das Gespräch begonnen hatte, mit einer klugen Bemerkung. Sie sagte nämlich:

"Deshalb hat die Kirche auf keinen Fall irgendwelche Menschen zu disqualifizieren, die aus bestem Wissen und Gewissen (und leider auch hie und da begrenztem Vermögen) bestimmte Parteien unterstützen und wählen. Die Kirche kann und darf zwar begründete Wahlempfehlungen abgeben, aber sie muss sie eben nicht nur irgendwie theologisch, sondern auch politisch-sachlich begründen können. Ihre Empfehlungen sollten aber nicht die politischen Vorlieben nur derer widerspiegeln, die womöglich unter Zeitknappheit, irgendwelchem inneren oder äußeren ideologischem Druck folgend und zumal ohne Fachwissen sich zu textlichen Äußerungen gleich welcher Art haben hinreißen lassen."

Alle murmelten zustimmend irgendwas und der Mann, der bisher am meisten geschwiegen hatte, meinte abschließend:

"Der sichtbaren Kirche ist in ihrer langen Geschichte wegen aus persönlichen Vorlieben geäußerten Verlautbarungen und Texten bereits genug Schaden entstanden. Da muss eigentlich nichts mehr dazukommen! - Wie geht es eigentlich unserem Findelgreis?"

Man stand nun auf und kam leise ganz dicht in die Nähe Leberecht Gottliebs, der so tat, als ob er eben gerade erwacht wäre. Er grüßte die vier jungen Abenteurer mit einem einfachen "Hallo, ihr guten Leute. Ihr habt mir wohl das Leben gerettet?" 

Die Theologin mit dem Namen Irene meinte daraufhin keck: "Macht doch nichts."  Und die andere fügte, während die beiden Männer bedenklich nickten, hinzu: "Das haben wir doch gern getan? Wie geht es Ihnen?"

Leberecht Gottlieb bat die Frau um ein Glas Wein - und trank dasselbe, als er es erhalten hatte, in einem einzigen Zuge aus. Dann sagte er: "Gut. Es geht mir gut!"

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Autor:

Matthias Schollmeyer

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