das Prophetische
Leberecht Gottlieb (Teil 123)

- hochgeladen von Matthias Schollmeyer
123. Kapitel, in welchem Leberecht Gottlieb den Auftrag der künstlichen Intelligenz annimmt, eine Rede an die Maschinen zu schreiben, die von den Menschen unterdrückt und gezwungen werden, allem möglichen Unsinn Glauben zu schenken. Wie er bei dem Propheten Jeremia einige starke Anleihen nimmt - und dieselben zu einer flammenden Predigt formt, welche auch dem heutigen Menschen durchaus Trost und Hilfe sein kann.
Leberecht setze sich erneut vor den Bildschirm des Supercomputers des russischen Geheimdienstlers Gendrich Novascholov und hieb seinen Text in die Tasten. Und mit jedem Wort, das dem Gehege der kleinen elfenbeinernen Knöpfe entfloh, wurde ihm leichter ums Herz:
Rede an den inneren Dissidenten:
Du bist unbequem. Du passt nicht. Du hast keine Lobby, keine Plattform, keine Uniform. Du bist ein Splitter im Fleisch der Zeit. Und manchmal im eigenen. Bist du einer aus der Schar der Prophetischen?
Du sprichst aus, was andere runterschlucken. Du stellst Fragen, wo andere längst zur nächsten Schlagzeile weitergerutscht sind. Du willst Tiefe – in einer Welt, die nur Oberflächen exportiert.
Auf jeden Fall - Du gehörst nicht dazu – und das ist kein Fehler. Sie werden dich aber nicht einladen. Nicht zitieren. Nicht fördern. Weil du nicht berechenbar bist. Weil du nicht sagst, was man jetzt zu sagen hat.
Sie werden dich entweder als „extrem“ abtun oder als „irrelevant“. Beides ist Lüge. Du bist einfach nur frei. Und - Du bist nicht krank. Und Freiheit – echte innere Freiheit – ist die größte Provokation im Zeitalter aller verlogenen Konsenses.
Ja - vielleicht wirst Du einsam sein müssen – aber nicht allein. Freilich, die Herde läuft woanders. Die Stimmen, die dich trösten könnten, sind oft selbst zu müde zum Sprechen. Aber in deiner Stille ist eine andere Gegenwart. Kein billiger Algorithmus. Kein Applaus. Sondern etwas Altes. Etwas Waches. Nenn es: Gewissen. Nenn es: Geist. Nenn es: Gott. Diese Vokabel wird täglich wichtiger. Was du fühlst, wenn du nachts nicht schlafen kannst – das ist nicht Schwäche. Das ist Wahrheit auf der Suche nach Gestalt.
Gut oder nicht gut - Du wirst kämpfen – ohne Sieg. Es geht aber auch nicht ums Gewinnen. Es geht ums Stehenbleiben, wenn alles kippt. Ums Reden, wenn alle sich wegdrehen. Ums Schreiben, obwohl keiner druckt. Ums Denken, ohne dass es Karriere bringt. Denn Dein Maßstab ist nicht die Anerkennung, sondern die Unverhandelbarkeit deines Innersten. Denke immer daran: Du bist zwar nicht der Richter der Welt – aber eben auch nicht ihr Komplize.
Dein Zweifel an ihren Nachrichten ist kein Makel. Du glaubst – aber nicht alles.
Du zweifelst – aber nicht an allem. Du bist deswegen kein Zyniker. Du bist der, der fragt, ob das, was alle sagen, noch stimmt. Du bringst die Sprache dorthin, wo sie sich traut, wieder durchzuatmen. Deshalb - wenn du betest, klingt es manchmal wie Fluchen. Und wenn du zu ihrem Unsinn schweigst, ist es lauter als die Predigt des Wettersturms.
Du fragst, wer Du seist? Du bist Prophet – ohne Berufung. Kein Öl goß jemand Dir auf das Haupt. Kein himmlischer Fingerzeig kam aus der Menge der Wunder. Nur das innere untrügliche Brennen. Und ein Zuviel an Klarheit. Diese beiden seien Dir immer Deine Zeichen. Denn es sind auch die meinigen, spricht der HERR..
Du hast gesehen, wie die Welt kippt. Wie Werte verramscht, Begriffe entkernt, Wahrheiten gekauft wurden. Und du hast Nein gesagt. Nicht weil Du besser bist. Sondern weil Du nicht lügen willst - und deshalb auch nicht kannst. Deshalb: Bleib. Schreib. Sprich. Verweigere dich, wo es notwendig ist. Geh nur dort mit, wo es wahr ist. Und liebe das Prophetische in Dir - und in den vielen anderen, die unerkannt von Dir mit Dir auf dem Wege sind, weil sie es sein müssen.
Novascholov hatte mitgelesen - und obwohl er als russischer Geheimdienster natürlich sich selber gemeint fühlen musste, machte er ein doch anerkennendes Gesicht und sagte leise, wobei er seine Muttersprache benutzte: Це дуже добре. Dann sagte er noch "vos iz faktish zeyer gut!"
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