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Sprengel Erfurt - Feuilleton

Beiträge zur Rubrik Feuilleton

Sylvia und die weiße Fahne
Altes und Neues von Leberecht Gottlieb (15)

Was bisher geschah, das ist hier abzulesen. Demzufolge musste der Student Leberecht das Bett hüten – etwa vier Tage lang war er wirklich richtiggehend krank. Eine Gehirnerschütterung. Um den argen Kopf hatte er ein weißes Tuch gewunden. So zollte er den Schmerzen Tribut, – sowohl den physischen als auch den psychischen. Erst viel, viel später dämmerte ihm, dass das weiße Tuch wohl der Anfang seiner Kapitulationserklärung gewesen sein musste. Hängen nicht auch die Bewohner belagerter Städte...

  • Sonneberg
  • 08.12.23

die Wette (Teil I)
Prolog im Himmel

Gott der HERR - hochgelobt sei er - und Satan, ausgelöscht sei sein Name, treffen sich seit Ewigkeiten turnusmäßig zu ihren Dienstbesprechungen, wobei die klare Subordination des Letzteren unter den Erstgenannten klar sein dürfte ... Während einer dieser Konvente stellte sich nun heraus, dass bei dem alten Weltverächter und einstigem Lieblingsengel Gottes sich die fatale Wettlust seit den Tagen Hiobs weiterhin unabgeschwächt erhalten hatte. Er trumpfte auf und forderte den Allgütigen dazu...

  • Sonneberg
  • 07.12.23
Nikolausikonen ...

Nikolaus
2023

Singe von Nikolaus, Muse, und künde herrliche Mären und löbliche Tat. Wie denn der Bischof myräischer Pfründe Glück gebracht Eltern und Kindern einst hat. Als im Ornat oft der Alte mit Ruhe ging durch die Straßen der nächtlichen Stadt und durch die Fenster warf, manchmal in Schuhe Naschwerk legte dem ärmlichen Kind – oder, wo leer sich fand Kiste und Truhe – füllte mit Nüssen den Schrank und den Spind. Niemand kannte den freundlichen Schenker, heimlich geschah jede Guttat und lind. Einmal nun...

  • Sonneberg
  • 06.12.23

die Rede Luthers vom Dach des Weltgebäudes herab
AN DIE OBRIGKEIT (Schluss der Tierbriefe)

Nicht länger, Freunde, wartet auf den Fuchs. Er ist bei mir im Himmel hier. Ganz dicht an meiner Seite, denn - an eine Leine habe ich den Schelm gelegt. Ich aber bin nicht in der Hölle - wie die Maus berichtete. Zwar  w a r  ich dort, doch nur bei fünfzig Jahren. Und hab ich in Ordnung noch gebracht all die Bekenntnisschriften - und auch den kleinen Katechismus hier und da verändert. Nun sind die Dinge, die man heute nicht mehr mag, aus meinem Werk getilgt. Darauf ward mir der Rest der...

  • Sonneberg
  • 06.12.23

die Predigt des Fuchses
Geburtstagsgabe (32)

Das Beuteltier vom entlegenem Erdteil legt seinem König die Briefe zu Füßen. Der nimmt sie und wiegt in der Rechten bedächtig alles Geschriebene lang und mit Ernst. „Einer fehlt noch,“ so hört man ihn grollen. „Einer kam nicht, um Luther zu preisen. Einer missachtete Nobel den Löwen, seine Befehle und deutliche Weisung? Reinecke ist es - der trotzige Schelm. Kaum hat der König die Worte geendet, tritt in den Kreis der rötliche Fuchs schon. „Nimmer, Herr König, wollt ich Euch trotzen, da Ihr so...

  • Sonneberg
  • 05.12.23

Pfau
Geburtstagsgabe (29)

Auch der Pfau trippelt heran, schlägt sein prachtvolles Rad auf und wir lesen darin, wie in einem Briefe ... Wenn ich in den Parks umhergehe, weiß ich, dass die Menschen mir bewundernd nachblicken. Nichts ist so faszinierend wie mein Federschmuck. Mit hundert Augen schaut er euch an. Mein zitterndes Rad reicht aus, um heulende Kinder zu beruhigen, traurige Rentner froh zu machen und Selbstmörder von ihrer Wahnsinnstat abzubringen. In der Antike führte man Depressive vor einen Pfauen und seine...

  • Sonneberg
  • 04.12.23

die Elephantin
Tierbriefe (28)

Der mächtigen Elephantin wird nach ihrer Lesung nur wenig Applaus zuteil. Unbeholfen sind die Sätze. Über den guten Ton schritt sie bedenkenlos hinweg. Aber sagt die Wahrheit. Jedoch - wer schätzt Belehrung und klare Worte bei denen, die selber gerne belehren, weil sie sich klug dünken?  Bin Elephant. Und grau. Schreiben fällt mir schwer. Ich habe dicke Finger. Der Marabu hier macht das für mich. Habe ihn gebeten. Wir Tiere helfen einander. Ich komme aus Elephantine. Das liegt in Ägypten. Wir...

  • Sonneberg
  • 04.12.23
2 Bilder

das Lamm
Geburtstagsgabe (27)

Agnus, das Lamm, ist dran. Es bäht herzanrührend und liest seinen eben verfassten Brief vor. Tränen haben die Tiere geweint, kaum merklich - doch tropften sie nieder, da nun das Lamm ein großes Geheimnis enthüllt. Ich bin, liebe Freunde, Agnus, das Lamm. Oft schon ward ich gemalt und gezeichnet. Ich trüge die Last aller Welt, singt die Messe. Und manchmal fühl ich mich auch genauso. Mein Fell wird geschoren - doch einmal zieht man es mir von den Rippen für alle Zeit. Mein Goldene Vlies … Das...

  • Sonneberg
  • 03.12.23

der Floh
Geburtstagsgabe (26)

Der Brief des Flohs zum Geburtstagsfest ist das Allerbeste. Denn dürft Ihr hier lesen! Niemals hat es gut gerochen unter Martin Luthers Hemd. Aber ich habe da trotzdem meine Arbeit gemacht. Man muss etwas abkönnen. Wir Flöhe sind von uraltem Geschlecht. Und halten viel aus, sind schnell, auf der Hut und gefürchtet. Manche Menschen können uns dressieren. Dann sind wir nicht abgeneigt, Kunststückchen zu vollbringen. Das sind die Flohzirkusse, die hochberühmten aus alter Zeit. Heute gibt es keine...

  • Sonneberg
  • 02.12.23

Zecke
Geburtstagsgabe (25)

Die Zecke hat mit Blut einen Text geschrieben, der es in sich hat. Es geht um Luther: Man ekelt sich vor mir. Ich bin die Zecke Widerlich. Den glaubenden Frommen sage ich, mich hätte der Allmächtige zusammen mit dem ganzen anderen Geschmeiß geschaffen. Auch denen, die ihre Lebensfahrt an nichts mehr binden, sage ich nichts anderes. Es läuft beides auf dasselbe hinaus und ist mir egal. Ich gehe auf Körperwärme. Sobald Wärme da ist, lasse ich mich fallen, beiße zu, sauge mich fest, voll - und...

  • Sonneberg
  • 01.12.23
Medizin, Theologie, Philosophie und Jurisprudentia

der Gottesbeweis
Neues und Altes von Leberecht Gottlieb (14)

Er sollt sich nämlich erinnern. Und das kann schwer sein. Sehr schwer sogar … Aber wir sehen nun zu, was Erinnerung ist. Sie ist das Paradies, aus dem man nicht vertrieben werden kann. Mit bebendem Finger wies der Student Leberecht Gottlieb nach dem Vorlesungsplan für das beginnende Semester. Da stand es schwarz auf weiß: „Die Gottesbeweise: Idee und Geschichte eines ungehörigen Problems“. Freitags von 14.00 bis 15.30 Uhr Hörsaal A5. Prof. Dr. Dr. Moritz Schleiffringk. 
Ja, – jetzt war...

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  • 01.12.23

der Regenwurm
Geburtstagsgabe (zweiter Exkurs)

Aus dem schwarzen Erdboden erhob ich mich eben - und drang zu Euch auf. Ich bin Dwertatschili, der Regenwurm. Bin von einer fernen Sonne. Ihr kennt mich freilich nur als Regenwurm. Aber wir Regenwürmer waren und sind Seelenbegleiter der Dwertatschili, die eine Lebensform bei dem Stern Prokyon darstellen, um den Tratoriphos kreist - ein unmaßgeblicher Planet, von dessen Art es dort tausend ähnliche gibt. Wir kamen mit unserer Raumflotte in der Zeit des Tertiär zu Euch - da wart Ihr noch nicht...

  • Sonneberg
  • 30.11.23

das Einhorn
Geburtstagsgabe (18)

Nun tritt das Einhorn aus dem Schatten aller Unmöglichkeiten ins grelle Licht der Realität. Was für ein Wunder ... Lest hier den Brief dieses fabelhaften und liebenswürdigen Wesens: Hallo - Ihr Lieben alle! Ich war damals nicht mit auf Noahs Arche, bin aber trotzdem noch da. Weil -  das kam so. Gott der HERR - hochgelobt sei sein Name - hatte vor der gegenwärtig noch laufenden Schöpfung, in der wir jetzt alle leben, noch mehrere andere Welten hervorgehen lassen. Das waren aber sozusagen nur...

  • Sonneberg
  • 24.11.23

die Gottesanbeterin
Geburtstagsgabe (16)

Die listige Gottesanbeterin? Sie folgte König Nobels Befehl und schrieb ein - wenn auch verwirrendes - Gratulationskärtchen ... Gott zum Gruße alle miteinander. Fürchtet Euch und fliehet nicht vor mir! Ich bete gerade nur noch ein wenig an, dann will ich mich Euch zuwenden. Ich bete eigentlich immerzu. Zu wem? Zu mir selbst. Weil - ich bin die Gottesanbeterin. Wer betet sich heute etwa nicht an? Wir haben es darin weit gebracht. Früher verneigte man sich vor Blitz und Donner, dann vor den...

  • Sonneberg
  • 24.11.23

der Feuersalamander
Geburtstagsgabe (17)

Gerade noch hatte die Gottesanbeterin geschrieben und vorgelesen - schon ist der Nächste an der Reihe. Der Salamander ... Erst vor Kurzem von meinem Mittagsschlafe erwacht, werde auch ich ein paar Gedanken über die Kirche Martin Luthers und ihn selbst zum Besten geben. Verratet es aber nicht jedem. Alles, was wir Salamander offenbaren, möchte eigentlich streng geheim gehalten werden. Und ist nicht für alle Ohren bestimmt. Denn wir Salamander sind geheimnisvolle Wesen. Nun - ich bin noch etwas...

  • Sonneberg
  • 23.11.23

Io spricht
Geburtstagsgabe (14)

Luther empfing gern Gäste. Das war bekannt. In diesem Jahr bekommt er zu seinem Geburtstag Briefe von Tieren. Hier schreibt die Kuh: Manche halten mich für heilig. Bin ich auch. Nicht nur in Indien, sondern auch hier. Ihr melkt mich - und ihr esst mich. Mein „Muh“ ist das Ur aller beruhigenden Laute. Im Chinesischen ist Mu das Schriftzeichen für die Null, aus der bekanntlich alles kommt. Im Japanischen ist es Wu. Wichtig ist das tiefe „U“ wie in Kuh. Das bedeutet soviel wie LEERE DES GEISTES....

  • Sonneberg
  • 22.11.23

Axolotl darf nicht fehlen!
Geburtstagsgabe (13)

Hier ist der Brief des Axolotls an uns Menschen betreffs des Reformators Martin Luthers, dessen Geburtstag heuer vernachlässigt ward. Ich bin das Axolotl. Das heißt, ich werde es sein. Martin Luther hat mir auf meinem Weg zur Vollendung geholfen. Darum dreht sich alles, was ich hier berichten will. Wer Martin Luther war, muss ich nicht sagen. Von dem aber, was ein Axolotl sein könnte, wäre es wichtig zu sprechen. Also, - wir Axolotl leben im Wasser. Wir haben Kiemen, und deshalb bleiben wir...

  • Sonneberg
  • 21.11.23

Außenseiters Ansichten
Geburtstagsgabe (12)

Luther hat Geburtstag. Kommt und singet alle mit. Wünscht Gesundheit und viel Glück. Heute das Stinktier - oder der Skunk. Ich schäme mich ja so für all meine Brüder und Schwestern, die mit ihren Briefen den Luther geschmäht haben. Ich dagegen - Eure Olibanisa - will ein wirkliches Loblied auf ihn singen. Auch die Hyäne stimmt sicher gern mit mir ein, wie sie eben beteuert, oder deute ich ihr zustimmendes Nicken falsch? Und die Taube ist ebenfalls in meiner Nähe … Hallo, Freunde! Es ist Mode...

  • Sonneberg
  • 19.11.23
Leberecht - auf dem großen Schiff

Traumwelten
Altes und neues von Leberecht Gottlieb (13)

Ein Brief aus dem Kirchenamt war gekommen. „Aus dem Konsistorium“ wie Leberecht Gottlieb zu sagen pflegte - obwohl es ein Konsistorium schon längst nicht mehr gab. Diesen Brief nun mochte er nicht öffnen. Der alte Landgeistliche hielt sich von zwielichtiger Post seit Jahren in einer klugen Weise fern. Nein, manches beachtete er einfach nicht mehr. Sicherlich stand Unwichtiges oder sogar Unliebsames in diesem Schreiben. Er legte den Brief auf den Stapel zu den anderen Sachen, denen er keine...

  • Sonneberg
  • 14.11.23
Schildy über Luther

LUTHER HAT HEUTE 540. GEBURTSTAG
GEBURTSTAGSGABE (2)

Kaum war die Rede verklungen, welche der Pinguin vorgetragen hatte, schleppte sich die Schildkröte herbei. Langsam kriecht sie, uralt ist die Arme, aus schuppigem Panzer pendelt ein Hals, faltig und unansehnlich. Der Hals verdickt sich zum Haupt, wie Ihr seht. Doch beide Augen sind klar wie ein Spiegel. Die Alte hebt an und berichtet: "Ich gehöre keiner christlichen Kirche an. Ich bin Buddhistin. Auf meinem Rücken ruhen die Alter vergangener Ewigkeiten. Mein Name lautet Testimonia. Sprecht das...

  • Sonneberg
  • 10.11.23

Mögen sie ruhen in Frieden!
SO FRÖHLINGLICH

Günter-Konrad S. hatte als Angestellter der HO (Handelsorganisation der DDR) zunächst in der Brauhaus-straße 1, später in der Bahnhofstraße 3 von Bad Berka einen kleinen Laden für Haushaltswaren, in dem er souverän und kenntnisreich hinter dem Verkaufstisch agierte. Er war Jahrgang 1916 und eigentlich Ost-preuße. Aber er war schon als Kind mit Eltern und Geschwistern nach Dresden gekommen, eine Stadt, die ihn sehr geprägt hat. Er studierte an der Sächsischen Kunstakademie Malerei bei Prof....

  • Weimar
  • 03.11.23

Hubertus und Akteon
zum 3. November

Und wieder musste er hinaus zum Jagen, so ging es lange schon - seit Jahr und Tag. Hubertus heißt der Mann. Wir woll’n es wagen, sein Schicksal zu betrachten, Schlag auf Schlag: Als Knabe schlief er immer in dem Raume, wo Bogen, Spieß und scharfe Armbrust lag. Auch ein Gemälde, wie aus bösem Traume - zeigt Akteon, verwandelt als ein Hirsch, und seiner Hunde Meute, Schaum am Maule, zerrissen ihren Herrn, weil auf der Pirsch beim Bad Diana er gesehen hatte - der Wälder Göttin, nackt wie eine...

  • Sonneberg
  • 03.11.23
"Der Geistertanz" (Franz Schubert D 494)

Novembernebel
zu F. Schuberts „Geistertanz“ D 494

Ich fasse Mut, an des Novembers Rande dort in dem Kirchhof eine Zeit zu wallen. Ich lang den Stock und wähl zum dunklem Lande der Wandrung Weg, indes die Blätter fallen. Wohl dachten andre ebenso und kamen mit mir zum Platz der Särge, Urnen, Hallen. Da waren alte Weiber, junge Damen - und Greise, welchen alle Glieder zittern, ich sah die Männer, deren große Namen ich aus den Büchern kannte, wo von Rittern erzählt wird weiter Fahrten bunte Fabel, von Abenteuerreisen, süßen, bittern. So viele...

  • Sonneberg
  • 02.11.23

Nachdem man sie geschändet hatte
Er galt, was das betrifft, als schwierig

SCHWIERIG (Für Phillip Zig) Nachdem man sie geschändet hatte mit Gewalt, immer und immer wieder, in diesem dunklen Viehwagen, und nachdem ihr das gar nicht gut bekommen war, und die Blutung nicht enden wollte, öffneten die Sieger das Tor des Waggons und stießen sie mit den Füßen hinaus. Das gab ihr den Rest. Irgendwer wird sie irgendwann gefunden haben. Ob die Tiere schon dran gewesen waren, wer will das sagen? Völlig unklar auch, ob der oder die ein Loch geschaufelt und ein Gebet gesprochen...

  • Weimar
  • 30.10.23
  • 1

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