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Neue Tora-Rolle wird geschrieben
In Nordhausen möchten viele dabei sein

Rabbi Reuven Yaacobov zeigt in Nordhausen eine fertige Pergamentseite. An seiner Seite Superintendent Andreas Schwarze. | Foto: Regina Englert
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Am Mittwoch konnte Rabbiner Reuven Yaacobov zusehen, wie sich der Saal des Nordhäuser Bürgerhauses schnell mit Menschen aller Generationen füllte. Alle waren gekommen, um dabei zu sein, wenn er an der neuen Tora-Rolle schreibt. Sie ist ein Geschenk der Evangelischen Kirche Mitteldeutschland und des Bistums Erfurt an die Jüdische Landesgemeinde Thüringen zum Themenjahr „Neun Jahrhunderte jüdisches Leben in Thüringen“. „Und sie haben dieses Geschenk angenommen, das ist nicht selbstverständlich“, erklärt Alexandra Husemeyer, die Koordinatorin des Projekts. Sie erinnert unter anderem an das Entjudungsinstitut in Eisenach und seine Aufgaben in der Zeit des Nationalsozialismus. Und dennoch ist der Nachmittag von einer entspannten Atmosphäre geprägt. Der Rabbi erzählt Witze, während er seine Materialien aufbaut. Kinder sitzen auf dem Boden und versuchen sich in hebräischen Schriftzeichen. Konfirmanden umringen den Rabbi und warten auf ihren von ihm geschriebenen Namen. Die Zuhörer lauschen seinen Erklärungen gespannt und beeindruckt. Die fröhliche und dennoch feinfühlige Moderation von Alexandra Husemeyer trägt zur guten Stimmung bei. Gleichzeitig steht die Polizei auf dem Platz vor dem Bürgerhaus Wache. Der Anblick bedrückt, zeigt er doch nach dem Anschlag von Halle die begründete Vorsicht.

Gut, dass Sie da sind!

Bürgermeisterin Jutta Krauth und Superintendent Andreas Schwarze begrüßen den Rabbiner, die jüdische Gemeinde und die vielen Gäste dann auch sehr herzlich. „Gut, dass Sie da sind!“, betont der Superintendent nachdrücklich. „Wir dürfen heute zusehen, wie Gottes Wort in die Welt kommt“, freut er sich mit allen Anwesenden. Und auch der Rabbiner nickt zustimmend.
Dann kommt er selbst zu Wort und zieht die Zuhörer sofort in seinen Bann. „Ich soll das Geschenk erschaffen“, erklärt er seine Aufgabe. Schon die Geschichte der Entwicklung des Pergaments, auf dem die Schrift entsteht, ist interessant. Stück für Stück holt er sie vor. Von der braunen weichen Version im Ursprung bis zum heute 10 x so dünnen weißen Pergament mit den feinen Längslinien. Pergament ist Tierhaut, geschrieben wird auf der Fleischseite, nicht auf der Hautseite. Fehler können heute korrigiert werden. Das liegt auch an der verwendeten Tinte aus Ruß, Olivenöl, Honig und Gummi Arabicum. Sie verklebt auf dem Pergament zu einer Masse, die abgekratzt werden kann. Bis zu 4x ist eine Korrektur an einer Stelle möglich. Doch das ist dem Rabbi noch nie passiert. 20 Rollen hat er bereits geschrieben. 20 x die fünf Bücher Mose. Er kann sie auswendig, die 304.805 Buchstaben. Beim ersten Schreiben habe er gezittert, erzählt er. Vor 3.300 Jahren wurde sie von Mose geschrieben und nun sollte er es tun. Welch´ eine Verantwortung. 6 Fehler habe er damals gemacht, beim zweiten Mal 2 und seither schreibe er fehlerfrei, erzählt er seinem staunenden Publikum.
Geschrieben werden darf die Tora nur mit einer Tier-, nicht mit einer Metallfeder. Aus Metall können Waffen entstehen. Die Tora aber steht für den Frieden.
Schwarz bleibt die Schrift durch den Ruß rund 800 Jahre, dann wird sie rot und ab rund 1.000 Jahren golden. Ab dann muss die Tora-Rolle ins Museum gebracht oder begraben werden. Das Pergament selbst hält rund 1.500 Jahre. Im Vergleich – ein Buch hält rund 500 Jahre. 68 Pergamentblätter werden mit Tiersehnen zu einer Rolle zusammengenäht. 20 cm ist eine Sehne ursprünglich, durch Dehnung wird sie beachtliche 2 km lang. Pergament und Sehne sind extrem reißfest.

Er kann sie auswendig

Tief beeindruckt war das Publikum, als der Rabbiner vom Akt des Schreibens der Tora erzählt. Jede Nacht von 22-2 Uhr sitzt er hochkonzentriert am Schreibtisch und vergisst dabei alles um sich herum. Obwohl er ihn auswendig kann, muss er den Text vor dem Schreiben ablesen, so will es die Ordnung. Acht Monate benötigt er insgesamt – am 30. September soll sie fertig sein.
„Auswendig lernt man übrigens am besten morgens jeweils nach dem Zähneputzen 15 Minuten täglich, dann sitzt der Text“, erklärt er den staunenden Zuhörern. Noch besser sei abschreiben, das wäre so erfolgreich wie 12x lesen, gibt er den Schülern mit auf den Weg. Früher wurde eine neue Tora-Rolle ein halbes Jahr lang in der Synagoge von vielen Korrektur gelesen. Heute erledigt das ein Scanner in einer halben Stunde.
Aus dem Publikum kommt die Frage, wann denn eine Tora heilig werde. Wenn der letzte Buchstabe geschrieben sei, ist die Antwort des Rabbi. Die letzten 10 Buchstaben werden erst nach der Prüfung geschrieben. Sie kommen hinzu, wenn das große Fest gefeiert wird. Dann darf die Tora-Rolle auch nicht mehr mit der Hand angefasst werden.

Die letzten Zehn

Alexandra Husemeyer hat zu diesem besonderen Tag nach Erfurt eingeladen. Am 30. September beginnt das Fest um 16 Uhr im Hirschgarten vor der Staatskanzlei. Von dort geht der Zug mit Musik durch die Stadt zur Neuen Synagoge. Der Gottesdienst wird für alle per Videostream übertragen.
Nach großem Staunen über den Entstehungsbericht einer Tora-Rolle drängten sich alle dicht um den Rabbiner. Geduldig schrieb er die vielen gewünschten Namen. Und dann kam der besondere Moment. Er tunkte die Feder in den kleinen Deckel, legt sich eine Pappe unter die Hand und schrieb an der Tora-Rolle. Welch´ ein Moment. Vermutlich erleben die Anwesenden ihn nur ein einziges Mal in ihrem Leben.
Regina Englert

Autor:

Regina Englert

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