Der Sommer der vielen »Aber«
Zwischenbilanz: Halbzeit bei der Weltausstellung Reformation
Von Christina Özlem Geisler
Um die Wittenberger Freiluftausstellung komplett zu sehen, läuft man gut zwei Stunden. In sieben Torräumen entlang der grünen Wallanlagen laden der Organisatorenverein r2017 und mehr als 80 Projektpartner in 16 Themenwochen zu je Hunderten Veranstaltungen ein. Aber die Installationen, Pavillons und eigens für die Weltausstellung entsandten
Ehrenamtlichen wirken an manchen Tagen wie ein Stillleben.
Ulrich Seelemann, juristischer Direktor der lokalen Geschäftsstelle der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) ist überrascht, dass derartig wenige Besucher kommen. »Ich höre oft den Satz: Reformation feiern kann ich auch in meiner Gemeinde, meinem Dorf, meiner Stadt, warum soll ich
dazu nach Wittenberg fahren?«, erzählt der ehemalige Berliner Konsistorialpräsident.
Im Überangebot liegt nach Meinung von Hans Kasch eine der Ursachen, weshalb das Besucherinteresse hinter den Erwartungen der Veranstalter zurückbleibt: »Woher sollen die ganzen Menschen für mehr als 100 Veranstaltungen an einem Wochentag kommen?«, fragt der Direktor des Lutherischen Weltbundes in Wittenberg.
Vor der Eröffnung der Weltausstellung am 20. Mai überwog unter den Wittenbergern die Vorfreude darauf, dass der Reformationssommer anbrechen und die Scheinwerfer der Welt auf die Lutherstadt lenken würde. Aber es gab auch solche, denen mulmig
war beim Gedanken an drängelnde Menschen und verstopfte Gässchen.
Sie können aufatmen: Zwar ist die Lebensader des Mönchs und Reformators Martin Luther, die mitten durch die Altstadt führt, gut besucht. Touristen wollen sein Haus, seine Predigtkanzel, sein Grab und die 95 Thesen an der Schlosskirchentür sehen. Laut Tourist-Information übernachten 2017 auch deutlich mehr Menschen in der Lutherstadt als im Vorjahr. In deren oft straffem Gruppenprogramm kommt die Weltausstellung aber
selten vor.
Die Verantwortung für Planung und Durchführung des Reformationssommers hat die EKD an den r2017 unter Führung des ehemaligen Grünen-Abgeordneten Ulrich Schneider ausgelagert. Kulturveranstaltungen und vor allem die Musikkonzerte auf der Schlosswiese liefen gut, heißt es.
Gerhard Wegner, Direktor des Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD, meint, ein Problem 2017 sei, dass viele Menschen außerhalb Wittenbergs noch nicht verstanden hätten, was hinter dem Begriff »Weltausstellung« steckt. Ein weiteres Problem sei die inhaltliche Ausrichtung: »Wer aus dem inneren Bereich kommt, findet hier tolle Ausstellungselemente. Wer aber mit Kirche nichts zu tun hat, kann mit vielem auch nichts anfangen.« (epd)
Autor:Adrienne Uebbing |
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