Zu viel Luther?
Kommentar von Stefan Rhein
Das aktuelle Reformationsjubiläum ist kaum überschaubar und zugleich inspirierend. Eine kleine, ganz persönliche Auswahl der letzten Tage: Lesung von F. C. Delius, der in seinem Buch »Warum Luther die Reformation versemmelt hat« Luther den Erbsündenbegriff des Augustinus und damit die Sündhaftigkeit der Sexualität vorwirft und in der Diskussion einen »Erbsündenbeauftragten« der EKD fordert. Am gleichen Tag, wiederum in Wittenberg, eine Tagung über die Zukunft von Kirchengebäuden und über Ideen zur Transformation von Räumen zu Orten spiritueller Begegnung. Zwei Tage später ein Ausstellungsbesuch »Luther in Laach«, denn auch im Benediktinerkloster Maria Laach grassiert der Luther-Virus. Luther war hier natürlich nie, ist aber bis heute mit zahlreichen Schriften in der wunderschönen Bibliothek präsent, übrigens bis zum Zweiten Vaticanum als »verbotene Bücher« gekennzeichnet und erst danach als »allgemeine Theologie«. Die Vielzahl an Veranstaltungen in ganz Deutschland zeigt: Das Reformationsjubiläum ist eine Graswurzelbewegung!
Luther (ver)führt viele Menschen an die authentischen Stätten. Eine schöne Erfahrung: Auch die Heimat Luthers, das Mansfelder Land, wird zunehmend wahrgenommen, die Museen in Eisleben und Mansfeld besuchen fast dreimal so viele Gäste wie im gleichen Zeitraum 2016. Denn: Das Original zieht! Gegen jede kirchliche Luther-Skepsis und Luther-Ferne sei gesagt: Mit seinen Ecken und Kanten ist Luther ein faszinierender Mensch, ein »Vater im Glauben«, der mit seinem eigenen Ringen bis heute existenziell berührt, ein großartiger Schriftsteller und Seelsorger, eine Persönlichkeit Mitteldeutschlands wie der Weltgeschichte. 2017 ist ein Luther-Jahr, und das ist auch gut so!
Der Autor ist Direktor der Stiftung Luthergedenkstätten Sachsen-Anhalt
Autor:Adrienne Uebbing |
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