Gott im Spiel
Besondere Kindergottesdienste werden den Sommer über in Wittenberg angeboten
Von Katja Schmidtke
Sand und schlichte Holzfiguren – mehr braucht es nicht, um für Kinder die tausendjährigen alten Geschichten der Bibel zum Leben zu erwecken. Ruhig, ja nahezu meditativ wird in den »Godly-Play«-Gottesdiensten von Josef, Jona oder Jesus erzählt mit Naturmaterialien, in einer elementaren, aber nicht trivialen Sprache.
Die Idee hinter »Gott im Spiel« – wie man diese Form der Kindergottesdienste ins Deutsche übersetzen kann – stammt aus der Montessori-Pädagogik. »Godly Play« bietet einen Gottesdienst vom Anfang bis zum Ende, ganz auf kleine Menschen ausgerichtet, und unterscheidet sich in dieser Hinsicht von vielen traditionellen Formen des Kindergottesdiensts. Innerhalb der EKM gibt es eine Regionalgruppe; in Halle, Aschersleben, Erfurt und auch Wittenberg gibt es regelmäßige Angebote.
»Nun wollen wir die Chance nutzen und zur Weltausstellung Reformation ein wöchentliches Angebot etablieren«, sagt Gemeindepädagogin Adelheid Ebel. Seit Anfang Juni bis 24. September lädt sie sonntags, 9.45 Uhr, in den Malsaal des Cranachhofs ein. Bewusst sei keine Kirche gewählt worden, die Hemmschwelle für Nichtkonfessionelle soll niedrig sein. Bewusst sei auch die Zeit gewählt: Eltern könnten ihre Kinder in den Malsaal bringen und dann selbst einen Gottesdienst in der Stadt- oder Schlosskirche besuchen.
Nach knapp vier Wochen »Godly Play« freut sich Adelheid Ebel über die gute Resonanz. Luft nach oben ist noch bei den Angeboten unter der Woche.
Anderthalb Stunden dauert ein »Godly-Play«-Kindergottesdienst. Das scheint lang für Zwei- bis Zwölfjährige, aber die Veranstalter nehmen sich bewusst Zeit: Ankommen, begrüßen, die Frage an alle, ob sie bereit für die Geschichte sind, das eigentliche Erzählen, im Anschluss mit den Kindern die Geschichte ergründen und in eine Phase des freien Spiels überleiten. »Kinder können die Geschichte selbst nachspielen, sie können mit Papier und Stiften malen, Bausteine stapeln oder basteln. Wir geben nichts vor, unterbreiten mit den Materialien nur ein Angebot«, sagt Adelheid Ebel.
In Chaos arte das nicht aus, erzählt die Gemeindepädagogin aus sechs Jahren Erfahrung »Godly Play« in Wittenberg. Sie sei jedes Mal aufs Neue erstaunt, wie die wuselige Kinderschar plötzlich ruhig wird, wenn die Geschichtenerzählung beginnt. Neben dem Leiter, dem Erzähler des Gottesdiensts, gibt es einen Begleiter, der die Kinder begrüßt und bei praktischen Fragen hilft. Außerdem sind diesen Sommer jedes Mal Klavierschüler aus der Kreismusikschule dabei, die die Gruppe bei Liedern auf dem Flügel der Malschule begleiten.
Deutlich werden im Gottesdienst die Grundzüge der Montessori-Pädagogik: Das Kind wird ernst genommen, alle halten sich an Regeln, damit es allen gut geht. Dazu gehören der Umgang mit den Materialien und die Ordnung des Raumes, jedes Ding hat seinen Platz und wird zurückgeräumt, wenn es nicht mehr benutzt wird. Äußere und innere Ordnung – so weit vom Gottesdienst ist das nicht entfernt, auch er folgt ja einer Struktur.
»Godly Play« klingt mit einem kleinen Fest aus. »Wir sitzen in einer Runde, jeder bekommt einen Keks und einen Becher Saft, wir singen und beten«, sagt Adelheid Ebel. Eine Agape mit bewusster Reduktion, wohltuend in einer Zeit des Übermaßes. Katja Schmidtke
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