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Mit Kinderaugen

Vor dem beeindruckenden Altar der Wittenberger Schlosskirche steht eine Kinderkirchenführerin mit zwei Besucherinnen. Erkennbar sind die jungen Gästeführer an ihren roten Jacken. | Foto: Thomas Klitzsch
  • Vor dem beeindruckenden Altar der Wittenberger Schlosskirche steht eine Kinderkirchenführerin mit zwei Besucherinnen. Erkennbar sind die jungen Gästeführer an ihren roten Jacken.
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In Wittenberg sollen ab Juni Jungen und Mädchen Gäste durch beide große Kirchen führen

Von Katja Schmidtke

Der Altar ist elf Meter hoch! Grün ist die Farbe der Trinitatiszeit. Ein Wichern-Adventskranz hat bis zu 28 Kerzen. Es sind bemerkenswerte Fakten, manchmal zum Staunen, manchmal zum Schmunzeln, die die Kirchenführer da ihren Gästen präsentieren. So bemerkenswert wie die Kirchenführer selbst: Kinder.
Seit Monaten beschäftigen sie sich mit dem Thema, seit Wochen üben sie in der Schlosskirche und bald auch in der Stadtkirche. Gewissenhaft bereiten sie sich auf das Projekt vor, das kurz nach Pfingsten offiziell starten soll.
Ein bis zwei Kinder stehen dann an Stationen im Kirchenraum: An Kanzel und Gestühl, Altar, Taufstein, den Gräbern von Luther und Melanchthon und unter dem Porträt von Johann Hinrich Wichern. Sie sind erkennbar an ihren selbstgestalteten Buttons und den roten Fleecejacken. Es sind Kinder aus der Schlosskirchengemeinde, der Stadtkirche und aus Wittenberg-West, die an dem Projekt teilnehmen. Sie haben in den vergangenen Monaten nicht nur viel gelernt, sondern auch eine Beziehung zur Kirche aufgebaut und bringen sich selbst ein, sagt Gemeindepädagogin und Projektmitarbeiterin Adelheid Ebel. Die Kinder sollen mit den Gästen ins Gespräch kommen, nicht bloß Fakten herunterrattern. Wofür stehen Kelch- und Ankersymbole auf dem Taufstein? Warum sind Wappen im Gestühl doppelt? Es mag verblüffen, wenn eine Viertklässlerin unterm Wichern-Bild fragt: »Hatten Sie schon einmal eine Erleuchtung?«
Ein ähnliches Programm ist nach der Schloss- nun auch für die Stadtkirche erarbeitet worden. Auch weil mehr junge Wittenberger Interesse daran hatten, Teil dieses Projekts im Reformationssommer zu werden. Neben Adelheid Ebel gehört die Gemeindepädagogin an der Stadtkirche, Marina Ungu­reanu, zur Projektgruppe, außerdem der »Wittenberger Melanchthon« Michael Schicketanz und die Geschäftsführerin der beiden evangelischen Schulen, Ulrike Gardlo. Auch die ehemalige Religionslehrerin Viola Mörbt und einige Berufskollegen unterstützen das Vorhaben. Aktuell beteiligen sich insgesamt rund 20 Kinder. »Wenn es 30 würden, wäre das gut«, meint Adelheid Ebel und freut sich, dass sich in der evangelischen Gesamtschule nach Ostern eine Arbeitsgemeinschaft für Sechstklässler gegründet hat.
Denn viele kleine Kirchenführer werden gebraucht. Immerhin einmal pro Woche sollen die Kinder durch »ihre Kirche« führen, jeweils freitags 12.30 bis 13.30 Uhr, abwechselnd Schloss- und Stadtkirche. Die Kinderführungen soll es in der Schlosskirche ab dem 9. Juni und in der Stadtkirche ab 16. Juni bis zum Ende der »Weltausstellung Reformation« am 10. September geben.
Es ist nicht nur ein Beitrag der Gemeindebasis zum Reformationssommer, sondern auch ein Stück Herzensbildung für die jungen Menschen. Sie entwickeln, so hofft Adelheid Ebel, Liebe und Stolz, solch beeindruckende Kirchengebäude zu haben, ebenso wie Selbstbewusstsein und ein Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten.
Ein Mädchen stellte das kürzlich unter Beweis: Eigentlich war sie mit ihrer Schulklasse und einem zertifizierten Gästeführer in der Schlosskirche unterwegs, bis sie sich ein Herz fasste und den Profi fragte, ob sie auch etwas sagen durfte. Natürlich. Da zog sie ihre rote Fleecejacke aus dem Rucksack und sprach vor ihren Klassenkameraden über den Altar. Er ist elf Meter hoch, wusstet ihr das?

Autor:

Kirchenzeitungsredaktion EKM Nord

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