Zelten mit Luther
Konficamps in Wittenberg starten nach Ferienpause ab 23. August in die zweite Runde
Von Christina Özlem Geisler
Die Thesentür im Rückspiegel, geht es immer geradeaus. Vorbei an Gewerbeparks und Datschen fühlt es sich schon bald nicht mehr wie Wittenberg an. Der Altersdurchschnitt sinkt um ein bis zwei Generationen. Willkommen im Konficamp – dem Lern- und Freizeitabenteuer für evangelische Jugendliche in Vorbereitung auf ihre Konfirmation.
Am Nordrand der Lutherstadt ist eine Stadt aus Zelten entstanden. Sie ist so weitläufig, dass man sie selbst vom höchsten Punkt aus nicht auf ein Bild bekäme. Und so XXL, dass die einzelnen Viertel Ortsnamen der Reformationsgeschichte tragen: Bergen, Debrecen, Venedig und 13 weitere. 160 Zelte sind es insgesamt, darunter 132 zum Schlafen und für Gruppenarbeiten, vier Essenszentren, vier Kirchen mit Platz für bis zu 350 Menschen und ein Riesenzelt für Großveranstaltungen.
Bis zu 12 000 Jugendliche aus der ganzen Republik ziehen hier über den Sommer gestaffelt mittwochs ein und sonntags aus. Sie können lernen, was es heißt, aufeinander zu vertrauen und Neues auszuprobieren – vom erlebnispädagogischen Hochseilklettern bis zum innovativen Konfirmandenunterricht.
Genau diese Mischung mache das Konficamp aus, sagt Pfarrer Matthias Hempel von der Oldenburger Kirche und schon zum zweiten Mal dabei. Konzentration und Spaß, was zum Knobeln und was für die Kreativität. Zum Konfi-Unterricht von heute gehören Hempels Überzeugung nach immer mehr Lieder und Beispiele aus dem Alltag der Jugendlichen. Nötig sind auch Teamleiter, die noch näher an der Lebensrealität der Konfis dran sind, vielleicht sogar eine Vorbildfunktion erfüllen. »Wenn die Jugendlichen verstehen, was es mit ihrem Leben zu tun hat, sind sie auch offen für Glaubensthemen«, so Hempel. Er und seine Kollegen seien für die theologischen Inhalte da, bei deren Vermittlung träten sie aber gerne hinter den jungen Mitarbeitern vor Ort zurück.
Die Morgenandacht im Großzelt zeigt, was Hempel meint: Vor der Bühne sitzen um die 1 000 Konfirmanden, auf der Bühne stehen die etwa fünf Jahre älteren Moderatoren. Die Musiker stimmen einen Song der Band Coldplay an. Die Ballade handelt vom Scheitern und von Einsamkeit, vom Verlieben, Verlieren und Vergeben. »Das Camp hier zeigt Wege, religiöse Themen mal nicht von der Bibelstelle her anzupacken«, sagt Hempel. »Mit Ressourcen, die den meisten kleinen Gemeinden bei sich zu Hause gar nicht zur Verfügung stehen.«
Als nächstes läuft auf den Leinwänden rechts und links der Bühne ein Film über Pauline: Paulines Mutter macht Stress wegen der Schulnoten, Pauline wird unter dem Leistungsdruck ganz still. In spontan gebildeten Murmelgruppen sollen die Konfis überlegen, wie der Film weitergeht. Ein Mädchen rutscht gelangweilt auf der Bierbank herum, sagt: »Is’ mir doch egal!« Als sie bemerkt, dass sich die anderen ernsthaft am Gespräch beteiligen, scheint auch sie langsam Mut zu finden: »Ein bisschen kenne ich das auch von mir daheim.«
Campleiter Tobias Bernhard, im normalen Leben bayrischer Diakon, stellt zufrieden fest: »Die Stimmung ist so was zwischen Konfirmandenunterricht, Kirche und einem riesigen geilen Jugendfestival!« Für einige Bewohner der angrenzenden Siedlung scheint es nicht ganz so geil. Bernhard berichtet von Beschwerden und Besuchen der Polizei wegen Ruhestörung.
Wo außerhalb des Reformationssommers Reitturniere stattfinden, liegt ein Platz für Sportturniere und Hüpfburgen. An Literatursäulen können Bücher ausgeliehen und in einer mobilen Stube Brote gebacken werden. Beim Ausflug in die Altstadt landet dann jeder mal zumindest für ein Selfie vor der Tür, an die der Reformator Martin Luther vor 500 Jahren seine 95 Thesen gepinnt haben soll. Spätestens da wird klar, was mutig sein und ausprobieren bewirken kann. (epd)
Autor:Adrienne Uebbing |
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