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Zwischenruf
Abgeschoben – und die Kirchen schweigen

Foto: pixabay.de

In den letzten Wochen überbieten sich die verschiedenen politischen Parteien mit ihren Forderungen, abgelehnte Asylbewerber so schnell wie möglich abzuschieben. Wie solche Ablehnungen zustande kommen, konnte ich wieder einmal erleben:

Von Gottfried Martens

Einem treuen afghanischen Gemeindeglied, dem ich in meiner Pfarr-amtlichen Bescheinigung bescheinigt hatte, dass ich ohne Zweifel von der Ernsthaftigkeit seiner Konversion überzeugt bin, wurde vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in einem Bescheid mitgeteilt, dass sein Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht allein abgelehnt, sondern in der schärfsten Form als "offensichtlich unbegründet" abgelehnt wird.

Wenn ein Pfarrer bescheinigt, dass ein Gemeindeglied ernsthaft konvertiert ist, dann ist es natürlich "offensichtlich unbegründet", dass dieses Gemeindeglied ein ernsthafter Christ ist. Begründung des BAMF: "Der Antragsteller ist … nicht formal getauft worden. Es bleibt schon fraglich, wie der Antragsteller am Gemeindeleben teilnehmen will, wenn er nach dreijährigem Aufenthalt fast gar kein Deutsch spricht." Das BAMF bezeichnet mich als "Gottlieb Martens". Nach vielen Jahren in Deutschland kann der BAMF-Mitarbeiter offenkundig noch nicht einmal einen deutschen Namen richtig schreiben … Ich hatte in meiner Bescheinigung bescheinigt, dass der Antragsteller gültig getauft ist.

Aber was bedeutet schon die Erklärung eines Pastors oder einer Kirche über die Gültigkeit einer Taufe, wenn doch allein der deutsche Staat das Recht dazu hat, die Gültigkeit einer Taufe festzustellen – auch entgegen den Aussagen der Kirche …? Und wenn der Pastor in seiner Bescheinigung schreibt, dass der Antragsteller zu unserer Gemeinde nach Berlin kommt, weil unser Gemeindeleben auf Farsi gehalten wird, dann lügt er natürlich, denn das BAMF weiß natürlich besser als der Pastor, dass der Antragsteller in unserer Gemeinde kein Wort versteht …

Und dann kommen nun wieder die vielen sich christlich nennenden Politiker und Journalisten und geifern, dass solche Leute, bei denen der Staat entschieden hat, dass sie nun mal nicht getauft sind, auch wenn der Pastor so etwas behauptet, und dass der Pastor lügt, wenn er behauptet, dass sie den Gottesdienst in ihrer Muttersprache verstehen, sofort in den nächsten Flieger nach Kabul gesteckt werden sollen.

So sieht die Realität über abgelehnte Asylbewerber in Deutschland aus … Und die Kirchen schweigen und schweigen und schweigen, lassen es willfährig zu, dass der Staat sich das Recht anmaßt, über die Gültigkeit von Taufen in diesem Land zu entscheiden. Ich weiß nicht, was mich mehr anwidert: der Staat, der sich als oberste Religionsbehörde versteht, oder die Kirchen, die sich diesem Staat staatsfromm unterwerfen …

Der Autor ist promovierter Theologe und Pfarrer an der Dreieinigkeits-Gemeinde in Berlin-Steglitz. 

Autor:

Online-Redaktion

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