Nachgefragt
Christentreffen von West in Ost
Der Katholikentag ist im Mai in Erfurt zu Gast. Nach Querelen ist der Vorsitzende des Trägervereins, Manfred Ruge, zurückgetreten. Zum Nachfolger wurde der Jurist Jan Helge Kestel gewählt. Veranstalter des Treffens ist das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK). Karin Wollschläger sprach mit dem ZdK-Generalsekretär Marc Frings über den Ost-Faktor und West-Vorstellungen.
Was dürfen wir vom kommenden Katholikentag erwarten?
Marc Frings: Der Katholikentag in Erfurt wird mehr denn je durch aktuelle politische Diskussionen geprägt sein. Die Auseinandersetzungen sind von großer Unsicherheit geprägt, aber auch von populistischen Parolen, Falschmeldungen und gegenseitiger Diffamierung. Der Katholikentag möchte dieser Entwicklung deutlich etwas entgegensetzen: durch sachliche Debatten. Wir bieten Begegnungen auf Augenhöhe, mit klaren Positionen für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, für Menschlichkeit und Solidarität.
In Ostdeutschland hat der Laienkatholizismus nicht recht Fuß fassen können. Was ist Ihr Eindruck?
Klar, der Verbandskatholizismus, wie man ihn im Westen kennt, hat im Osten keinen Einzug gehalten. Das macht das katholische Leben im Osten nicht besser oder schlechter, sondern schlicht anders: Wallfahrten, Familienkreise und das Gemeindeengagement sind hier sicherlich ausgeprägter als in anderen Teilen des Landes.
Dass sich der Laienkatholizismus im Osten so anders entwickelt hat, lag sicher an den Repressalien, mit denen Kirche und Gläubige in der DDR zu kämpfen hatten. Da gab es nicht das gesicherte Fundament, das die Verbände und Räte im Westen hatten. Dafür waren die Pfarrgemeinden in der DDR auch ein Schutzraum, der eine gewisse Freiheit im Sozialismus bot. Das wurde uns immer wieder berichtet. Das hat die Gemeindemitglieder viel enger zusammenwachsen lassen.
Jüngst gab es Diskussionen, ob genug "Osten" im Katholikentag stecken wird. Was muss aus Ihrer Sicht unbedingt drin sein?
Im Mittelpunkt muss die Begegnung und das wechselseitige Hören stehen! Ich merke das bei mir persönlich: Ich war sieben Jahre jung, als die Mauer fiel und bin in dem Glauben aufgewachsen, dass wir – die jungen Generationen – die deutsche Identität hinter uns lassen und zu Europäern heranwachsen. Dank der Vorbereitung des Katholikentags konnte ich viele Gespräche in Thüringen und anderen ostdeutschen Bundesländern führen und verstehe nun besser, dass viele Fragen unbeantwortet sind – Fragen, die in der ost- und der gesamtdeutschen Gesellschaft auszuhandeln sind.
Das Ost-West-Thema hat gesellschaftspolitisch eine neue Dynamik und Relevanz bekommen. Auf kirchlicher Ebene wird dieser Diskurs indes bislang nur sehr verhalten geführt.
Ich glaube, dass wir in der Kirche erst noch in den Dialog und die kritische Reflexion zum Einheitsprozess eintreten müssen. Mit der Wiedervereinigung sahen sich die Ostdeutschen plötzlich mit einem westdeutschen politischen und wirtschaftlichen System konfrontiert. Aber sie mussten auch lernen, wie Westdeutschland seine Staatskirchenbeziehung geregelt hat. Das war ein Kulturschock für die ostdeutschen Christen.
Ich glaube, dass es wechselseitigen Respekt und wechselseitiges Lernen braucht. In Teilen Westdeutschlands brechen volkskirchliche Räume zusammen und nähern sich einer postsäkularen Situation, die im Osten seit Jahrzehnten der Wirklichkeit entspricht. Dabei muss es auch Verständigungen über regionale Unterschiede geben: Wie politisch und gesellschaftlich Kirche sein muss, kann sicherlich nicht einheitlich beantwortet werden.
(kna)
Autor:Online-Redaktion |
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