Nachgefragt
Der Zufallsfund eines einmaligen Dokuments
Der Fernsehjournalist Christian Walther recherchierte zu einem ganz anderen Thema, als ihm unveröffentlichtes Filmmaterial vom 9. November 1989 in die Hände fiel. Willi Wild sprach mit dem Publizisten über die Probleme der Veröffentlichung.
Man hat Sie zunächst mit den historischen Aufnahmen abblitzen lassen. Warum?
Christian Walther: Bei rbb und MDR hieß es, dass das Material den Ansprüchen der Redaktionen für Zeitgeschichte nicht gerecht würde. Das stimmt sogar. Ton und Bild sind schlecht. Aber es handelt sich um ein einmaliges historisches Dokument. Aus meiner Sicht gehört es zum öffentlich-rechtlichen Auftrag, solch ein Filmmaterial zu zeigen. Am Ende hat sich dieser Gedanke dann durchgesetzt.
Wer hat damals die Aufnahmen gemacht?
An diesem Abend waren sogar zwei Kameraleute der ARD vor Ort. Vermutlich sollte ein Beitrag für die Tagesthemen entstehen. Doch dann kamen die Ereignisse des späteren Abends mit dem Fall der Mauer, und dadurch ist nie ein Beitrag über die Veranstaltung im Französischen Dom erschienen.
Zudem war sicher niemandem klar, welche Macht sich zu dem Zeitpunkt hier versammelte. Es war überhaupt nicht erkennbar, dass das die politische Elite der kommenden Zeit werden würde.
Welche Bedeutung hat für Sie dieser historische Fund?
Viele Teilnehmer der Veranstaltung haben politische Karrieren gemacht und nicht diejenigen, die auf der viel größeren Demonstration auf dem Alexanderplatz waren. Es zeigte sich die Stärke der Reformergruppe aus der CDU. Die Ausführungen der Personen aus den Bürgerrechtsbewegungen waren gemessen daran eher philosophisch unterfüttert und beschrieben Demokratie-Ideen.
Wenn man diesen Film sieht, ist man nicht mehr so überrascht, dass die CDU die Wahlen am 18. März 1990 gewonnen hat.
Trotzdem hatte man den Eindruck, dass sich alle Gruppen auf Augenhöhe begegneten.
Alle Beteiligten, gerade auch die CDU, haben sich an diesem Abend zur DDR und zum Sozialismus bekannt. Die CDU wäre heute – gerade im Westen – gut beraten, ihr Verhältnis zur Linkspartei etwas entspannter zu sehen, weil sich ihre eigenen Leute damals von der SED nicht groß unterschieden.
Autor:Online-Redaktion |
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