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Zum Tod des Autors Ulrich Schacht
Die Freiheit des Seins

Von Thomas A. Seidel

Es gibt Menschen, bei denen weiß man nicht, wann man sich das erste Mal begegnet ist, weil man das Gefühl hat, dass man sich schon immer kennt. Man kann sich auch nicht vorstellen, dass das Gottesgeschenk einer solchen »Wahlverwandtschaft« einmal zu Ende sein könnte. So geht es mir mit Ulrich Schacht. Doch nun hat Gott sein Geschenk zurückgenommen.
Am 16. September ist unser Bruder Ulrich von Wismar (so sein Ordensname), friedlich lächelnd im Sessel sitzend, in seinem traumhaften roten Schwedenhaus oberhalb von Förslöv mit dem weiten Blick aufs Meer dorthin gegangen, von wo wir alle kommen. Es fehlt uns im Augenblick jegliches Verständnis dafür, warum der allmächtige Gott uns mit dieser Unbarmherzigkeit konfrontiert. Warum er seiner lieben Frau Stefanie, seiner Tochter Constanze, ihrem Mann Sverre, der kleinen Enkeltochter Svea, zahlreichen Freundinnen und Freunden (und nicht wenigen Feinden) aus der Schar der Medien, der Politik und vor allem den Kollegen aus der Gruppe der Schriftsteller im deutschsprachigen Raum diesen begnadeten, vielseitigen, namhaften Poeten, Essayisten und Autor so umstandslos entzogen hat.
Ulrich Schacht wurde am 9. März 1951 in der DDR im Frauengefängnis Hoheneck (Erzgebirge) geboren, wo seine Mutter inhaftiert war. Er ist in Wismar aufgewachsen, hat 1968/69 eine Lehre als Bäcker und Konditor und ein längeres diakonisches Praktikum absolviert. Von 1970 bis 1973 studierte er evangelische Theologie in Rostock und in »Luthers Kloster« in Erfurt. 1973 wurde er wegen »staatsfeindlicher Hetze« zu sieben Jahren Freiheitsentzug verurteilt, 1976 in die BRD »freigekauft«. Von 1977 bis 1998 lebte er in Hamburg, studierte dort Politikwissenschaften und Philosophie. Er war von 1984 bis 1998 Feuilleton-Redakteur der »Welt« und »Welt am Sonntag«. Seit 1998 lebte er in Schweden. 1987 hat er die Evangelische Bruderschaft St. Georgs-Orden gegründet und seither geleitet. Der vom 25. bis 27. Oktober im Erfurter Augustinerkloster geplante LIII. Konvent muss nun ohne ihn stattfinden. In einem Gedenkgottesdienst wird seiner gedacht (27. 10., 19 Uhr, Augustinerkirche).
In seinem Essayband »Über Schnee und Geschichte« (2012) schreibt Ulrich Schacht: »Quelle der Freiheit: Gott entlässt mich, ausgestattet mit dem Spiel-Raum meines Lebens, in die Freiheit seines Seins. Der Freiheitssinn meines Lebens liegt also nicht vor, er steht hinter mir. Ich kann ihn nicht erreichen wie ein selbst gestecktes Ziel; aber ich kann von ihm ausgehen wie von einem immerwährenden Grund.« Dieses grundlegende Gottvertrauen ist es, das uns mit ihm verbindet.

Der Autor ist Spiritual der Evangelischen Bruderschaft St. Georgs-Orden
www.georgsbruderschaft.de

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Online-Redaktion

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