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Charlotte Knobloch wird 90
Durch Widerstände angespornt

Foto: epd-bild / Helmut Frank

Sie ist eines der bekanntesten Gesichter des Judentums in Deutschland: Charlotte Knobloch. Seit Jahrzehnten kämpft sie gegen Antisemitismus und für ein Judentum in der Mitte der Gesellschaft.  Ende Oktober wird die gebürtige Münchnerin 90 Jahre alt.

Von Christiane Ried 

München (epd). Gegen alle Widerstände - so lässt sich Charlotte Knoblochs Leben wohl gut beschreiben: Sie überlebte als jüdisches Mädchen die Verfolgung durch die Nationalsozialisten, blieb trotz Auswanderungsplänen nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland, bekleidete die höchsten jüdischen Ämter des Landes und verwirklichte ihr «Herzensanliegen», das Jüdische Zentrum im Herzen Münchens. Seit Jahrzehnten kämpft Knobloch gegen Antisemitismus und für ein Judentum in der Mitte der Gesellschaft. Am 29. Oktober wird sie 90 Jahre alt.

Als einziges Kind des jüdischen Anwalts Fritz Neuland und seiner zum Judentum konvertierten Frau Margarethe wurde sie 1932 in München geboren - nur wenige Monate, bevor die Nationalsozialisten an die Macht kamen. Nach der Trennung ihrer Eltern zog ihre Großmutter sie auf. Mit bewegenden Worten schilderte Knobloch im vergangenen Jahr in ihrer Rede zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus im Bundestag die Schikanen und Ausgrenzungen, die sie als Kind in Nazideutschland erleben muss. Und sie erzählte vom Abschied von der Großmutter, die 1942 ins KZ Theresienstadt deportiert und später ermordet wurde. Knobloch überlebte die Schoah, versteckt bei einer katholischen Bauernfamilie in Franken.

Gern hätte sie Jura studiert, aber wegen ihrer Flucht vor den Nationalsozialisten habe sie einfach zu viele Lücken in der Schule gehabt, sagte Knobloch einmal im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Sie sei daher immer auf der Suche gewesen. All ihre Ämter - etwa als Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland - seien wohl «der Ersatz für einen Wunsch, dem ich nicht nachkommen konnte», sagte sie.

1951 heiratete sie den Krakauer Juden und KZ-Überlebenden Samuel Knobloch, bekam zwei Töchter und einen Sohn. Mit den drei Kindern waren dann auch die Auswanderungspläne in die USA vom Tisch. In die Öffentlichkeit trat Knobloch erst, als die Kinder groß waren - «dann habe ich mit meinen Tätigkeiten in der jüdischen Gemeinde begonnen».

1985 wurde sie Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern - in dem Jahr, in dem der Dokumentarfilm «Shoa» von Claude Lanzmann herauskam und das Leid der Juden während der NS-Zeit Thema in der Bundesrepublik wurde. «Da hat sich was bewegt - auf der Täter- und auf der Opferseite. Plötzlich ist man aufeinander zugegangen. Ganz langsam, das ging nicht von heute auf morgen», erinnert sich Knobloch an jene Zeit. Bis heute steht sie der Israelitischen Kultusgemeinde als Präsidentin vor.

1997 wurde Knobloch Vizepräsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, 2006 für vier Jahre dessen Präsidentin. Dazu kamen Spitzenämter im Jüdischen Weltkongress und im Europäischen Jüdischen Kongress. Ihr Herzensthema war aber stets der Bau des neuen Jüdischen Zentrums in München mit Synagoge, Gemeinderäumen, Schule, Jugendzentrum. Jahrelang habe sie Widerstände hinnehmen müssen, wollte zwischendurch auch schon alles hinschmeißen. Aber am Ende habe der Gegenwind sie nur noch mehr angespornt: «Ich wollte dieses Projekt durchsetzen.» Mit der Eröffnung des Zentrums im Herzen Münchens im Jahr 2006 habe die jüdische Gemeinde die «Hinterhofatmosphäre» verlassen und sei im Bewusstsein der Menschen angekommen.

Ihr sei sehr wichtig, dass sie viel dazu habe beitragen können, dass das Judentum hier wieder eine feste Heimat hat, sagt Knobloch. Kummer bereitet ihr der wiedererstarkte Antisemitismus in Deutschland. Juden erlebten aktuell ein Land, in dem Antisemitismus auf dem Vormarsch sei, sagte sie schon 2019. Dabei lebten sie seit
1.700 Jahren auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands und hätten seither seine Geschichte mitgeschrieben. «Die Epoche der Juden in Deutschland ist nicht vorbei», betont Knobloch.

«Ich habe mir nie vorstellen können, dass ich Antisemitismus in dieser Form noch mal erleben muss», sagte sie nach dem Anschlag auf die Synagoge von Halle 2019. Ein Dorn im Auge sind ihr die rechtsextreme NPD, die zu ihrem Bedauern vom Bundesverfassungsgericht trotz zweier Anläufe nie verboten wurde, und die AfD. Sie könne es nicht fassen, dass sich mit der AfD eine Partei etabliert habe, die Holocaust-Vergessen und Antisemitismus in den Vordergrund stelle, betont sie.

Auch wenn Knobloch eine der letzten Jüdinnen ist, die die NS-Zeit miterlebt haben - «das Judentum darf sich nicht über den Holocaust definieren», mahnt sie regelmäßig. Wenn jetzt Juden wieder in eine Ecke gestellt und zu Opfern gemacht würden, «tut uns das nicht gut».

Für ihre Enkel und Urenkelkinder wünsche sie sich, dass diese «in Freiheit, in Ruhe und Frieden leben können. Und dass sie nicht verantworten müssen, dass sie jüdisch sind.»

(epd)

Autor:

Online-Redaktion

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