Politisches Engagement von Theologen erforscht
Ein breites politisches Spektrum
Protestantische Parlamentarier sind entgegen von weit verbreiteten Klischees offenbar nicht mehrheitlich links engagiert. Evangelische Parlamentarier würden auch nach dem Jahr 1968 ein breites politisches Spektrum abdecken, erklärten Forscher der Universität Münster.
Von Holger Spierig
«Das Klischee etwa vom bärtigen Geistlichen bei Anti-Atomkraft-Demonstrationen bedarf einer Revision», sagten Wissenschaftler des Exzellenzclusters Religion und Politik der Universität. Die Forscher untersuchen aktuell die parlamentarische Tätigkeit evangelischer Theologen vom 19. Jahrhundert bis heute.
Die Parteizugehörigkeit entwickle sich zwar im Verlauf der vergangenen 170 Jahre ein wenig hin zu einer eher sozialdemokratisch-grünen Ausrichtung, erklärten der Sozialethiker Arnulf von Scheliha und die Theologin Uta Elisabeth Hohmann. Von einer oft unterstellten Rot-Grün-Werdung im Geiste der 1968er zu sprechen, ginge aber zu weit.
Protestanten seien zunächst Monarchie-orientiert gewesen, hätten aber früh Denkmodelle ausgebildet, um ihre Überzeugungen mit der demokratischen Idee zu verbinden, erklärten die Wissenschaftler. «In politischen Umbruchzeiten sind protestantische Theologinnen und Theologen besonders stark im Parlament vertreten, wobei keine eindeutige fachpolitische Spezialisierung erkennbar ist», erläuterten sie. Auffällig sei ein überdurchschnittlich hoher Frauenanteil auf Reichs- und Bundesebene, in den Länderparlamenten dominierten hingegen die männlichen Theologen.
Über die Epochen hinweg war laut den Forschungsergebnissen der politische Protestantismus im ganzen Parteienspektrum vertreten: Von mehrheitlich liberal im Kaiserreich über eher nationalistisch- und christlich-konservativ seit der Weimarer Republik hin zu sozialdemokratisch-grün seit der jüngeren Vergangenheit. Es habe jedoch auch Ausnahmen gegeben, wie sozialdemokratische Protestanten im Kaiserreich. Aktuell seien etwa Mandatsträger mit theologischem Hintergrund in einigen Länderparlamenten auch in der AfD vertreten. Der anfangs so starke Liberalismus sei deutlich geschrumpft, aber nicht ganz geschwunden. «In der Konstante ist aber das gesamte Spektrum abgedeckt», erläuterte Hohmann.
Unter den theologischen Parlamentariern seien auch immer solche von größerer Bekanntheit gewesen, hieß es. Als Beispiele nannten die Forscher die Pastorin und Grünen-Politikerin Antje Vollmer. Weitere bekannte theologische Mandatsträger seien Reinhard Höppner (SPD), Peter Hintze (CDU) sowie der spätere Bundespräsident Joachim Gauck (parteilos).
Die Erhebung habe auch Kurioses zutage gefördert: So habe der sächsische Landtagsabgeordnete Frank Richter, ursprünglich römisch-katholischer Priester, zweimal die Konfession und einmal die Partei gewechselt.
(epd)
Autor:Online-Redaktion |
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