LWB
Ein friedlicher Kongress unweit des Krieges
Der Lutherische Weltbund (LWB) traf sich zu seiner Vollversammlung im polnischen Krakau, während einige Hundert Kilometer entfernt die Ukraine um ihre Existenz kämpft. Der Krieg warf seine Schatten auf das Treffen.
Von Jan Dirk Herbermann (epd)
Der Bischof aus Dänemark gab sich nach seiner Wahl bescheiden: «Ich will der Gemeinschaft dienen», rief Henrik Stubkjær den rund 360 Delegierten des Lutherischen Weltbundes zu, die ihn zu ihrem neuen Präsidenten gewählt hatten. Mit seiner natürlichen Art konnte der 44. Bischof von Viborg am Versammlungsort Krakau in Polen schnell Sympathien gewinnen. Stubkjær sei «ein kluger Theologe, engagierter Diakoniker und überzeugter Ökumeniker», urteilte der Delegationsleiter der deutschen Kirchen, Frank Otfried July.
Die Wahl Stubkjærs zum Präsidenten markierte die wichtigste Einzelentscheidung der einwöchigen Versammlung, die am Dienstag endete. Mit Stubkjær steht erstmals seit 2003 wieder ein Theologe aus Europa an der Spitze des LWB, jenem Kontinent, der von Russlands Angriffskrieg in der Ukraine erschüttert wird. Und dieser Krieg warf seine Schatten auf die Versammlung, die in einem modernen Kongresszentrum nahe der Wawel-Burg stattfand.
Den Delegierten war schmerzlich bewusst: Während sie sich friedlich versammeln, kämpft nur wenige Hundert Kilometer entfernt die Ukraine um ihre Existenz als freie Nation. Für die Ukrainerinnen und Ukrainer gehe es um «Leben oder Tod», sagte Pawlo Schwarz, Bischof der Deutschen Evangelisch-Lutherischen Kirche in der Ukraine.
Der neue LWB-Präsident präsentierte sich als vorausschauende Führungspersönlichkeit mit programmatischen Schwerpunkten - dies könnte auch den Opfern des Ukraine-Krieges zugutekommen. Die Arbeit des Bundes werde unter seiner Leitung auf den vier Säulen beruhen, auf denen die Organisation 1947 gegründet wurde: «Dem Einsatz für die Bedürftigen und Unterdrückten, gemeinsamen Initiativen in der Mission, gemeinsamen Anstrengungen in der Theologie und einer gemeinsamen Antwort auf die ökumenische Herausforderung».
Der 14. Präsident könnte zumal die humanitäre Arbeit, die im Weltdienst gebündelt ist, weiter stärken. Stubkjær kennt die Aktivitäten des Weltdienstes genau: 2017 rückte er im LWB zum Vorsitzenden des Weltdienstausschusses auf. Schon jetzt unterstützt dieser Ausschuss in mehr als zwei Dutzend Ländern 3,2 Millionen Not leidende Menschen, die von Konflikten, Klimawandel und Naturkatastrophen betroffen sind. Darunter befinden sich viele Ukrainerinnen und Ukrainer.
Der LWB hilft in der Ukraine vor Ort, erst unlängst eröffnete der Weltdienst ein neues Büro in Charkiw. Und LWB-Kirchen in Polen, Ungarn, Rumänien, der Tschechischen Republik, Estland und der Slowakischen Republik bieten Flüchtlingen Unterkunft, Verpflegung und seelsorgerliche Betreuung an.
Angesichts der russischen Aggression rief der scheidende LWB-Präsident Panti Filibus Musa zu einer verstärkten Friedensarbeit auf. «Lassen Sie uns nie vergessen, dass das unsere Mission ist», unterstrich der Erzbischof aus Nigeria. Die LWB-Generalsekretärin Anne Burghardt betonte, dass nach einem Ende der Gewalt ein Heilungsprozess in der Region einsetzen müsse.
Dabei könnte die Rolle der Kirchen noch wichtiger werden. Einstweilen jedoch müssen auch die Lutheraner der Gewalt im Osten Europas nahezu ohnmächtig zusehen. Auf die Frage, ob der LWB und andere kirchliche Organisationen zu einer friedlichen Lösung des Konflikts beitragen könne, wussten viele Lutheraner keine Antwort.
Der ukrainische Bischof Schwarz urteilte nüchtern: Der Einfluss der Kirchen und Religionsgemeinschaften bei der Friedenssuche würden regelmäßig überschätzt. Die Kirchen sollten sich auf die Versorgung der Not leidenden Bevölkerung konzentrieren.
Eindeutig fiel immerhin die Kritik an der russisch-orthodoxen Kirche aus - der Moskauer Patriarch Kyrill gehört zu den eifrigen Verfechtern des Überfalls der Kremltruppen auf die Ukraine. «Theologisch, politisch und menschlich ist das völlig unverantwortlich», machte LWB-Generalsekretärin Burghardt klar. Die evangelisch-lutherische Pfarrerin stammt aus Estland, einem weiteren Nachbarland in Osteuropa, in dem sich Menschen von Russland bedroht fühlen.
Autor:Katja Schmidtke |
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