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Weihnachtsmeditation von Kirchenpräsident Joachim Liebig
Fürchtet euch nicht!

Einzigartig: 14 Engel aus Stuck zieren die Wände des Langhauses der Basilika St. Georg und Pancratius im anhaltischen Hecklingen. Die Werke eines unbekannten Künstlers sind 800 Jahre alt.  | Foto: Ronny Brick
  • Einzigartig: 14 Engel aus Stuck zieren die Wände des Langhauses der Basilika St. Georg und Pancratius im anhaltischen Hecklingen. Die Werke eines unbekannten Künstlers sind 800 Jahre alt.
  • Foto: Ronny Brick
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Weihnachten ruft Kindheitserinnerungen wach. Ich erinnere mich an wachsende Aufregung, je näher der Heiligabend kam. Ein wenig war auch Furcht dabei. Mein älterer Bruder hatte eine Freude daran, mir vom Weihnachtsmann und seiner Rute zu erzählen. Das konnte er so lange, bis ich im Weihnachtsmann unseren Nachbarn erkannte.

Die Furcht scheint in diesem Jahr zum Weihnachtsfest eine besondere Rolle zu spielen, freilich nicht die Furcht vor dem Weihnachtsmann. Gemeinsam haben wir ein Jahr erlebt, in dem Verunsicherung, Ärger, Wut und auch Furcht vieles geprägt haben. Wie wird es weitergehen? Werden wir zurückfinden können zu vertrautem Verhalten? Was wird aus manchem Arbeitsplatz werden? Wie geht es der Mutter im Pflegeheim? Und dann hören wir, wie seit fast 2000 Jahren die Engel zu den Hirten sagen: Fürchtet euch nicht!
Die Furcht der Hirten war gewiss eine andere als unsere. Mitten in der Nacht erleben sie ein Wunder. Für die Furcht aber ist es unerheblich, welchen Grund sie hat. Darum gilt der Satz der Engel allen Menschen seit der ersten Heiligen Nacht. Ob die Hirten sich nach der Begegnung mit den Engeln tatsächlich nicht gefürchtet haben, verschweigen die Evangelien. Immerhin wissen wir: Sie brachen auf, um zu erzählen.

Das werden sie nicht furchtsam getan haben. Es scheint also möglich zu sein, auf die Zusage hin, sich nicht fürchten zu müssen, die Angst zu verlieren. Auch damit verbinde ich eine Kindheitserinnerung. Wenn mein Vater zu mir sagte, hab keine Angst, dann war der nächtliche Albtraum vergessen. Bedeutsam ist, wer die Furcht vertreibt. So wie ich meinem Vater vertraut habe, vertrauen die Hirten den Engeln. So will ich Gott vertrauen.

Damit ist die Furcht nicht grundlos, aber sie verliert ihre lähmende Macht. Zu diesem Weihnachtsfest ist der angstlösende Ruf der Engel besonders bedeutsam. Es gibt hinreichende Gründe für die Furcht – lähmen muss sie uns nicht. Das weihnachtliche Wunder, in dem Gott uns als Mensch so nahe kommt wie nur denkbar, macht uns gewiss: Jede Furcht ist begrenzt.

Dieser Glaube muss sich auch in Erfahrungen tiefster Trauer bewähren. In diesem Jahr sind Menschen gestorben, die ohne Covid-19 das Weihnachtsfest mit uns gefeiert hätten. Wird es der Weihnachtsbotschaft gelingen, die Trauer um den Verlust zu mindern? Alle Weihnachtslieder, alle biblischen Texte, alle Gebete müssen sich daran messen lassen. Die Glaubenserfahrung vergangener Jahrhunderte macht mich gewiss, das sei möglich.

Alle Gottesdienste, so anders sie in diesem Jahr sein mögen, haben die Furchtlosigkeit und den Trost zum Ziel. Gott selbst spricht uns an, und wir können hören und vertrauen, wie ich es als Kind mit meinem Vater erlebt habe. Mag alles auch unvertraut sein – an der Weihnachtsbotschaft ändert sich nichts. Mit vertrauter Beständigkeit können wir furchtlos und getröstet aller Unsicherheit entgegentreten. Wie die Hirten sollen wir davon erzählen und unsere Hoffnung teilen: mit den Hoffnungslosen, den Trostsuchenden, den Verzweifelten, den Angsterfüllten.

Damit entsteht Gemeinschaft, wie wir sie besonders 2020 dringend brauchen. Wie anders als in Gemeinschaft sollen wir sonst das kommende Jahr meistern? Unser Miteinander darf nicht durch Abgrenzung und Isolation beschädigt werden. Konflikte und Streit sollen ihren Platz haben, doch darüber darf Gemeinschaft nicht zerbrechen.

Furchtlose Menschen sind eher bereit, Gemeinschaft zu pflegen und zu stützen. Angst macht einsam. Gehen wir in der Gewissheit von Gottes Zusage an uns in das Christfest und das neue Jahr und fürchten uns nicht! Weil Gott es so will. Weil Weihnachten ist.

Autor:

Online-Redaktion

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