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Gefallen tut es mir nicht …
Von Inge Wollschläger
Vor vielen, vielen Jahren wurde ich an diesem Tag vom Krankenwagen abgeholt und in die knapp 100 km entfernt Uniklinik in Quarantäne gebracht.
Sechs lange Wochen lag ich dort. Vater und Mutter, Schwester und der Hund – ebenso wie Oma Lydia – waren weit, weit weg.
Zum Ärger meiner Schwester packte man mir sämtliche Sammelbände von "Fix & Foxi" ein, die sie nie wieder sah. Seit einem halben Jahr war ich in der ersten Klasse. Ich konnte die Geschichten nur schwer lesen – da halfen auch die vielen bunten Bilder nicht.
Ich hatte nichts zu tun. War allein. Verlassen. Hatte nichts zu melden. Außer, mich von den viel älteren Mädchen in meinem Zimmer ärgern und gängeln zu lassen. Der Keks hat zu schweigen, wenn der Kuchen spricht.
"Gefallen tut es mir nicht. Aber ich muss es aushalten …", schrieb ich in abenteuerlicher Orthografie und in krakeligen Erstklässler-Buchstaben später in mein Fotoalbum.
Es war keine gute Zeit. Keine schöne Erinnerung.
Jahre später – jetzt – fällt sie mir wieder ein. Erneut bin ich in Quarantäne (alle bisher #dnkgtt symptomfrei, einer "nur" positiv getestet).
Meine Gesellschaft ist definitiv besser als vor Jahren. Die Umstände auch. Die Unterhaltung ebenso. Lesen und schreiben klappt mittlerweile ganz gut. Es wird eingekauft, und man ruft mich an. Fragt nach, umarmt mich durchs Telefon. Ist da und bereit.
An der Aussage: "Gefallen tut es mir nicht. Aber ich muss es aushalten …", hat sich jedoch nichts geändert.
Jeden Tag gehe ich mit der Kleinen in mir zum Trost Kakao trinken. Ich lese ihr vor. Und streichele sanft ihr Haar.
Fürchte dich nicht.
Autor:Online-Redaktion |
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