Pro & Kontra
Kann ein engagierter Christ Soldat sein?

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Verteidigen oder verweigern?  Die Frage, ob Christen guten Gewissens Wehrdienst leisten und an Kriegen teilnehmen können, hat schon die frühe Christenheit umgetrieben. Angesichts der "Zeitenwende" und der Debatte um eine Neugestaltung der Wehrpflicht gewinnt sie an Gewicht. Dass auch Christen als Soldaten dem Staat dienen könnten, müsse kein Widerspruch sein, findet Pfarrer Christoph Martin Neumann. Ganz anders sieht das der Schriftsteller Christoph Kuhn.

Pro

Christoph Martin Neumann, Pfarrer i. R. in Hildburghausen | Foto: Foto: Susann Eberlein
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 Im November 1990 fragte mich der damalige Landesbischof Werner Leich, ob ich mir vorstellen könne, als Soldatenseelsorger im Nebenamt im Regiment Bad Salzungen tätig zu sein. Eigentlich hatte ich genug zu tun im Pfarramt Möhra. Aber ich erinnerte mich an ein Gespräch im Jahr 1972 bei der Nationalen Volksarmee, wo ich meinen Wehrdienst leistete. Ich fragte damals den Kompaniechef: „Wer kümmert sich um die Seelsorge der Soldaten?“ Er antwortete: „Das macht der Polit-stellvertreter.“ Das in Erinnerung, sagte ich zu.

Es waren bewegte Zeiten damals: Grenzöffnung und Mauerfall am 9. November 1989 lagen noch nicht so weit zurück. Alle Führungspositionen im Regiment hatten Offiziere aus den alten Bundesländern inne. Und die der ehemaligen NVA-Soldaten wurden übernommen oder entlassen.

Und so geschah es, dass ich in den Jahren meiner Tätigkeit als Soldatenseelsorger Soldaten kennen lernte, die engagierte Christen waren. Ich kann nicht sagen, dass Gott ganz klar gegen jedes Töten und gegen jeden Waffendienst steht. Das trifft, offenbar, so nicht zu (5. Mose 20,10). Vielmehr hat das Volk Israel sogar – wie das Alte Testament mehrfach bezeugt – von Gott den ausdrücklichen Befehl erhalten, auf kriegerische Weise das Gelobte Land einzunehmen und die Völker, die dem Heilsplan Gottes im Wege standen, zu vernichten.

Wie also soll ich das fünfte Gebot mit der Forderung „Du sollst nicht töten“ verstehen? Offenbar gibt es zwei unterschiedliche Bedeutungen für das Wort „töten“, wie der Alttestamentler Martin Noth schreibt: „Der Sinn des Gebotes lautet: Du sollst nicht aus Eigenmacht töten. Beim Krieg erfolgt das Töten eben nicht eigenmächtig, sondern im Auftrag und in der Vollmacht der Staatsgewalt." Zwar sei Gott der Herr über Leben und Tod, so Noth. Aber er habe die Staatsgewalt als seine Stellvertreterin auf Erden bevollmächtigt, zur Abwehr und Strafe der Bosheit auch Menschen zu töten (Römer 13,4 ff). "Die Staatsgewalt soll im Auftrag Gottes regieren. Und trägt deshalb auch vor Gott die Verantwortung für Gerechtigkeit und für die Entscheidung über Krieg und Frieden.“

Ein Soldat oder eine Soldatin handelt nicht eigenmächtig, sondern sie sind Werkzeuge der Staatsgewalt.

Kontra

Christoph Kuhn, Schriftsteller aus Halle | Foto: Foto: C. Kuhn
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Ein engagierter Christ – wer kann so definiert werden? „Engagiert“ heißt laut Wörterbuch „entschieden für etwas eintreten“, ein „persönliches Interesse an etwas haben“. Nach dieser wertfreien Deutung kann ein evangelikaler Christ der USA für sein Idol Trump kämpfen – getreu dem Jesuswort „Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert.“ Egal, ob es verbürgt oder wie es gemeint ist. „Schwert“ gilt für jede Waffengattung; so kann ein engagierter Christ auch Soldat sein. Woanders heißt es aber: „Wer das Schwert zieht, kommt durch das Schwert um.“ Die Bibel spricht entschieden öfter von Gewaltlosigkeit, vom Umschmieden der Waffen, von Nächsten-, gar Feindesliebe – vom Pazifismus, der oft diskreditiert, verächtlich gemacht wird, von manchen, die in ihm nur Bequemlichkeit sehen. Doch Erziehung zur Friedenstüchtigkeit, Krisenprävention, Friedenskonsolidierung, ziviler Widerstand verlangen Fantasie, Kreativität, Mut und Mühe. Friedensarbeit muss Vorrang haben.

Die Bergpredigt ist für mich Kern des Evangeliums. Sie hat keine Klausel oder Fußnote: Gilt nur bis …, gilt nicht bei … Sie gilt zeitlos für menschliches Miteinander, für alle Konflikte und Kriege. Mögen Kriege in seltenen Fällen militärisch beendet worden sein – auf beiden Seiten bleiben Flüchtende, Traumata, Hassgefühle, Vergeltungssucht, neue Gewaltbereitschaft … Meistens endet Krieg mit Verhandlungen – die vorverlegt werden könnten. Krieg ist als Bankrotterklärung verfehlter Politik zu ächten. Schon die Militärkultur, die bis ins Zivile reicht mit militärischen Ehren, bis in die bellizistisch gefärbte Alltagssprache.

Gelang es zuweilen Bürgerinnen in Uniform, Blauhelmen, im Nothilfeeinsatz Eskalationen zu vermeiden – also pazifistisch zu wirken; im Kugelhagel der Front ist das auch für den christlichsten Soldaten unmöglich; da gilt es zu schießen und beschossen zu werden.

In demokratisch verfassten Ländern gilt das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung. Niemand darf gezwungen werden, sich dem Befehlston, Gleichschritt, Drill, Schliff zu unterwerfen, einen Eid zu leisten, ihm unbekannte „Feinde“ zu töten. Es gibt nichts Wichtigeres als Frieden – Voraussetzung für Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung.

Autor:

Online-Redaktion

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