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Annette Kurschus
Kein Ja oder Nein in komplexen Fragen

Foto: epd-bild/Stephan Schütze

Ukraine-Krieg, Sterbehilfe, Klimaschutz: Krisen und ethische Fragen sind allzeit präsent. Die EKD-Ratsvorsitzende warnt vor allzu forschen Antworten. Oft gebe es kein einfaches Richtig oder Falsch.

Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, hat vor einfachen Antworten auf komplexe ethische Fragen wie Krieg und Frieden oder Suizidassistenz gewarnt. Das Finden einer christlich verantworteten Haltung bedeute auch in Krisen- und Kriegszeiten, Skepsis, Zweifel und Meinungsänderungen zuzulassen und die Unverfügbarkeit von Welt und Leben zu akzeptieren, sagte Kurschus am Montag in Bielefeld. Die Kirche müsse «als Lernende im Namen Jesu» unterwegs sein und das in jeder Predigt und jeder Debatte erkennbar machen.

Auch im Blick auf den Krieg in der Ukraine darf nach Ansicht der westfälischen Präses ein simples Ja oder Nein «die komplizierte Wirklichkeit nicht eindampfen und beschneiden», Aporien und Dilemmata dürften nicht verwischt oder gar weggeredet werden. Kurschus verwies auf das biblische Gebot der Feindesliebe: Der «verbrecherische Angriff auf die Ukraine» sei unzweifelhaft der russischen Seite zuzuschreiben. «Trotzdem sind wir untröstlich über alle Verletzten, über jeden Toten, über jede verwitwete Mutter, über jedes verwaiste Kind auf beiden Seiten.»

Christinnen und Christen müssten immer neu ausloten, «wie wir das Recht und die Würde von Menschen in Not verteidigen und uns zugleich für Frieden einsetzen können», unterstrich die leitende Theologin der Evangelischen Kirche von Westfalen in ihrem jährlichen Bericht vor der westfälischen Landessynode. Das Handeln müsse sich an Jesu Rede vom Reich Gottes und seiner Vision einer besseren Gerechtigkeit messen lassen.

Die EKD unterstützt Waffenlieferungen an die Ukraine zur Selbstverteidigung. Dies ist aber in der evangelischen Kirche ebenso umstritten wie das 100-Milliarden-Euro-Paket für die Bundeswehr.
«Besonders stark» sind die Kirchen nach Kurschus' Worten, wenn es um zivile Friedensarbeit nach dem Ende des Krieges geht, die dann ein unabdingbares Fundament sein werde.

Auch im Blick auf Sterbehilfe seien die Lebens- und Sterbesituationen seien «weitaus vielschichtiger und mannigfaltiger, als dass sie sich in eine einfache Ja-Nein-Alternative fügen ließen», sagte Kurschus. Zwar dürfe der Suizid niemals eine rechtlich, ethisch und gesellschaftlich gleichwertige alternative Option zum Leben sein.
Dennoch sollten niemandem Beistand und Seelsorge verwehrt bleiben: «Wer in Situationen größten Leids und anhaltender Ausweglosigkeit sein Leben beenden will; wer sich - nach Prüfung des Gewissens vor Gott - dazu entschließt, einem anderen bei dessen Suizid beizustehen, soll nicht die Verurteilung der Kirche oder der Glaubenden fürchten müssen.»

Mit Blick auf das Schwerpunktthema der bis Mittwoch tagenden Landessynode, den Klimaschutz, hob die 59-jährige Theologin den Aspekt einer «internationalen Klimagerechtigkeit» hervor. Klima- und Sicherheitspolitik, die ihren Namen verdiene, werde nie zulasten, sondern stets «zugunsten der Armen in aller Welt und auch zugunsten der Armen in unserem Land geschehen können und müssen».

Die Evangelische Kirche von Westfalen ist die viertgrößte der 20 evangelischen Landeskirchen in Deutschland. Die Landessynode ist das oberste Organ.

(epd)

Autor:

Online-Redaktion

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