Ikone der DDR-Friedensbewegung
Kirche und Politik würdigen Schorlemmer
Der evangelische Theologe und DDR-Bürgerrechtler Friedrich Schorlemmer ist tot. Der am 16. Mai 1944 im brandenburgischen Wittenberge geborene Friedrich-Wilhelm Schorlemmer war einer der wichtigsten Protagonisten der friedlichen Revolution in der DDR. Sein Tod löste bei Vertretern aus Kirche und Politik tiefe Trauer aus. Wir haben einige Stimmen zusammengetragen.
Mit Friedrich Schorlemmer verliert die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland einen streitbaren, anregenden Geist und eine wichtige ostdeutsche Stimme, die gesamtdeutsch gehört wurde. Ich bin sehr traurig. Zu seinem 80. Geburtstag habe ich ihn noch besucht. Da war er schon auf dem Weg in die andere Welt. Ich bin Gott dankbar, dass ich ihn seit meiner Jugend kennen durfte. Wir haben in einem Haus gewohnt. Bei der Gründung von „Frieden 83“ war ich dabei und auch, als das Schwert zur Pflugschar geschmiedet wurde. Er hat mich geprägt. --- Friedrich Kramer, Landesbischof der EKM
Mich verbindet mit Friedrich Schorlemmer, dass er meinen Impuls von der Friedensdekade aufgenommen hat, indem er 1983 ein praktisches Exempel statuierte und ein Schwert in eine Pflugschar umschmieden ließ. In diesem Jahr bekamen wir beide in Gotha den Friedenspreis "Der Friedenstein" für unseren Einsatz. Meine Freude darüber, dass wir den Preis gemeinsam erhalten haben, ist groß. Seine Kinder haben den Preis stellvertretend für ihn in Empfang genommen. --- Harald Bretschneider, früherer Landesjugendpfarrer in Sachsen
Friedrich Schorlemmers Engagement für Frieden und Demokratie bleibt beeindruckend. Das hat auch die Christen im Westen bewegt. Ich bin traurig, dass er von uns gegangen ist, denn ich habe ihn sehr geschätzt, als Gesprächspartner, als Theologen, als Menschen mit aufrechtem Gang. Unsere Kirche, ja unser Land werden seine klare Stimme vermissen. --- Margot Käßmann, ehemalige EKD-Ratsvorsitzende
Lange bevor ich Friedrich Schorlemmer persönlich kennenlernte, hatten mich Worte von ihm berührt. Zu später DDR-Zeit abgedruckt in der Neuen Berliner Illustrierten sprachen sie von „Mauern in uns“, dass sie „fallen müssen“ und „zerbröseln“ – Schorlemmers Bedingung für Versöhnung und Frieden. Seine Forderung nach vorbehaltlosem Verzeihen war und blieb spektakulär. Seine Sehnsucht, in die Konfliktlastigkeit dieser Welt Schlichtendes zu sagen, reizte seine Sprachbegabung und prägte seine theologische Rede. Bei meinem letzten Besuch zu Beginn diese Jahres lenkte ich im Abschiedsgruß unsere Hoffnung auf das Licht von Bethlehem. Er entgegnete in Geistesgegenwart: "Aber es flackert schon heftig“. --- Christina Neuß, Leiterin Archiv und Bibliothek der EKM und beauftragt, den Nachlass Friedrich Schorlemmer zu ordnen
Ich erinnere mich an eine Rede Friedrich Schorlemmers vor Jugendlichen in der Braunkohlegegend um Leipzig – vermutlich im Sommer 1988. Damit machte er in trostloser Zeit Mut mit dem Hinweis auf den biblischen König Kyros, der den im antiken Babylon gefangenen Juden die Rückkehr nach Jerusalem erlaubte. Schorlemmer sah darin eine Parallele zur Politik Gorbatschows. So lehrte er mit der Bibel in der Hand Bibel, Augen und Herzen offen zu halten. --- Christoph Kähler, früherer Thüringer Landesbischof
Friedrich Schorlemmer war eine wichtige Stimme des Ostens und eine Symbolfigur der kirchlichen Friedensbewegung in der DDR. Wortmächtig hat er den Freiraum der Kirche genutzt. Sein Name ist eng verbunden mit dem Wittenberger Kirchentag 1983 und der symbolträchtigen Aktion ‚Schwerter zu Pflugscharen.‘ Schorlemmer war Mitinitiator der Bürgerrechtsbewegung und eine Leitfigur der friedlichen Revolution“, sagte Haseloff heute in Magdeburg. Haseloff: „Nach 1989 war Friedrich Schorlemmer ein kritischer Begleiter der deutschen Einheit. Er hat sich immer wieder eingemischt und den öffentlichen Diskurs beeinflusst. Für sein beeindruckendes Engagement wurde er 2014 mit dem Verdienstorden des Landes Sachsen-Anhalt ausgezeichnet. Meine Gedanken und mein Mitgefühl sind bei seiner Familie und seinen Angehörigen.“ --- Reiner Haseloff, Ministerpräsident Sachsen-Anhalt
Wir trauern um einen bedeutenden Protagonisten der Friedensbewegung und der friedlichen Revolution in der DDR. Mit ihm verstummt eine wichtige Stimme des Ostens! Schorlemmer war ein herausragender Theologe, der sich stets für Freiheit, Gerechtigkeit und den Dialog in der Gesellschaft einsetzte. Als Prediger in der Lutherstadt Wittenberg stand Schorlemmer an vorderster Front der oppositionellen Bewegung, die 1989 maßgeblich zum Fall der Mauer beitrug. Besonders sein Engagement für Gewaltfreiheit und seine unermüdliche Arbeit in der Friedensbewegung machten ihn zu einem Symbol für den gewaltlosen Widerstand gegen das DDR-Regime. Als Autor und Publizist setzte er sich für einen aufgeklärten Glauben und eine verantwortungsbewusste Kirche ein, die sich in die gesellschaftlichen Debatten einmischt. Mit seinem Tod verliert Deutschland eine moralische Instanz, einen Theologen, der nicht nur predigte, sondern auch handelte, und einen unermüdlichen Kämpfer für eine gerechtere und friedlichere Welt. Sein Erbe wird in den Herzen vieler Menschen fortleben, die durch ihn Mut und Inspiration gefunden haben. --- Bodo Ramelow, Ministerpräsident Thüringen
Heute trauern wir beim Kirchentag gemeinsam mit vielen Christinnen, Engagierten und Aktivisten. Friedrich Schorlemmer gehörte zu den Menschen, deren Bekanntschaft Spuren hinterlässt. Er war ein herausragender Denker, Mahner und Mutmacher für alle, die etwas bewegen wollten – respektiert auch von vielen, die anderer Meinung waren. Unser großer Dank gilt seinem herausragenden Engagement insbesondere für die Kirchentage in der DDR. Gott empfängt heute einen streitbaren und geliebten Menschen, dem wir nach einem kämpferischen Leben Ruhe und Frieden wünschen. --- Anja Siegesmund, Präsidentin des Deutschen Evangelischen Kirchentags
Mit großem Bedauern habe ich vom Tod unseres Ehrenbürgerbürgers Dr. h. c. Friedrich Schorlemmer erfahren. Friedrich Schorlemmer setzte sich vor dem Mauerfall unermüdlich für den friedlichen Wandel von der Diktatur zur Demokratie ein. Er ermutigte viele ostdeutsche Bürgerinnen und Bürger, sich an der Neugestaltung einer liberalen Gesellschaft zu beteiligen und prägte das bürgerschaftliche Selbstbewusstsein einer Generation. Seine Aufgabe sah er darin, andere davon zu überzeugen, dass nur die
demokratische Staatsform und das demokratische Denken das Fundament sein können, um politisch, kulturell und wirtschaftlich stabile Verhältnisse zu schaffen. Dank seines über 30-jährigen Wirkens wurde die Stadt Wittenberg nicht nur als Geburtsort der Reformation, sondern – insbesondere durch die Friedensaktion „Schwerter zu Pflugscharen“ mit dem Kunstschmied Stefan Nau im Jahr 1983 – auch als Wirkungsstätte der Friedlichen Revolution bekannt. Wir alle haben viel von Friedrich Schorlemmer
lernen dürfen und sind ihm für sein außerordentliches Engagement sehr dankbar. Ich wünsche seiner Familie, auch im Namen des Stadtrates, in dieser außerordentlich schweren Zeit der Trauer viel Kraft, um diesen großen Schmerz und Verlust bewältigen zu können. Meine Gedanken sind in dieser schweren Zeit bei seiner Familie. --- Torsten Zugehör, Oberbürgermeister der Lutherstadt Wittenberg
Mit Friedrich Schorlemmer verlieren wir eine wichtige und unverwechselbare Stimme aus dem Osten, die Menschen in Ost und West gleichermaßen bewegt und beeinflusst hat. --- Rainer Vor, Vorsitzender der Stiftung Friedliche Revolution
Autor:Online-Redaktion |
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