EU-Asylreform
Kirchen kontra Regierung
Berlin/Nürnberg (epd) - Neben zahlreichen anderen Flüchtlings- und zivilgesellschaftlichen Organisationen haben am Freitag auch die evangelische Kirche, das Hilfswerk «Brot für die Welt» und die Diakonie deutliche Kritik an der Einigung der EU-Innenminister zum EU-Asylrecht geäußert. Der EKD-Flüchtlingsbischof Christian Stäblein sagte dem Evangelischen Pressedienst am Rande des Kirchentags in Nürnberg: «Man lässt keine Kinder und Familien vor den Toren stehen. Punkt.»
Stäblein bezog sich damit auf den Satz «Man lässt keine Menschen ertrinken. Punkt», der vor vier Jahren auf dem Kirchentag in Dortmund gefallen war und zum Slogan der Seenot-Rettungsbewegung geworden ist.
Der Beauftragte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für Flüchtlingsfragen zeigte sich enttäuscht, dass sich Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bei den Beratungen der EU-Innenminister und -ministerinnen am Vortag in Luxemburg mit ihren Forderungen nach Ausnahmen für Minderjährige und deren Familienangehörige nicht durchsetzen konnte.
Die EU-Innenminister hatten sich am Donnerstag nach langen Verhandlungen auf eine Asylrechts-Verschärfung verständigt. Ein zentraler Punkt ist die Einführung von Grenzverfahren an der EU-Außengrenze. Menschen die aus Ländern kommen, aus denen nur wenige Flüchtlinge in Europa anerkannt werden, müssen dem Kompromiss zufolge künftig bis zu drei Monate in Lagern oder Einrichtungen an den EU-Außengrenzen ausharren, bis ihr Verfahren abgeschlossen ist. Sie sollen von dort aus zurückgeschickt werden, wenn sie kein Bleiberecht erhalten.
Die Vorschläge der EU-Innenminister sollen die Zahl der Asylbewerber mit geringen Bleibechancen reduzieren und Abschiebungen vereinfachen. Daneben sieht ein Solidaritätsmechanismus eine fairere Verteilung von Schutzsuchenden in den EU-Ländern oder Ausgleichzahlungen vor. «Uns ist eine historische Entscheidung gelungen», hatte Faeser in Luxemburg erklärt.
Unterstützung erhielt sie von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP). Baerbock sprach von einem nötigen Kompromiss, den Deutschland für eine gemeinsame europäische Asylpolitik habe eingehen müssen. Buschmann sagte dem «Redaktionsnetzwerk Deutschland» (Freitag), Europa schaffe «mehr Ordnung und klare Regeln - und die Instrumente, diese auch durchzusetzen.» Demgegenüber erklärte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei (CDU), die Fortschritte seien gegen Faeser von ihren EU-Kollegen durchgesetzt worden. Deutschland habe versucht, die Vorschläge de EU-Kommission zu verwässern.
Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) unterstützten den Kompromiss zwar, erklärten aber er sei «sehr problematisch» (Paus) und «sehr schmerzhaft» (Habeck auf Twitter) «weil Familien nicht pauschal von den problematischen Grenzverfahren ausgenommen werden». Paus versicherte, sie werde sich weiter dafür einsetzen.
Die Diakonie und das eangelische Hilfswerk "Brot für die Welt" kritisierten den Asyl-Kompromiss scharf. Er sei »kein historischer Erfolg, sondern ein historischer Bruch des Flüchtlingsschutzes«, erklärte Dagmar Pruin, die Präsidentin von »Brot für die Welt«. Europa ziehe einen tiefen Burggraben um die Außengrenzen, weil nach den Plänen künftig viel mehr Menschen in Drittstaaten zurückgeschickt werden könnten, wo sie nicht sicher seien. Diakonie-Präsident Ulrich Lilie sprach von einem »fatalen Signal« aus Luxemburg. Es sei nun am Europäischen Parlament, den Kompromiss zu korrigieren, mahnte Lilie: »Die Vorstellung, dass künftig auch Familien mit Kindern an den Außengrenzen inhaftiert werden könnten, ist unerträglich."
Autor:Katja Schmidtke |
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