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Jury kritisiert diese Unwörter
Klimaterroristen

Die "alternativen Fakten" im Foto waren beispielsweise 2017 zum Unwort des Jahres gewählt worden, 2021 war es "Puschback".  Seit 1994 wird das Unwort  jährlich von einer politisch und institutionell unabhängigen und ehrenamtlichen Jury bestimmt und bezeichnet einen Begriff, der entweder gedankenlos oder mit kritikwürdigen Intentionen vor allem im öffentlichen Kontext verwendet wird. | Foto: epd-bild/Stefan Arend
  • Die "alternativen Fakten" im Foto waren beispielsweise 2017 zum Unwort des Jahres gewählt worden, 2021 war es "Puschback". Seit 1994 wird das Unwort jährlich von einer politisch und institutionell unabhängigen und ehrenamtlichen Jury bestimmt und bezeichnet einen Begriff, der entweder gedankenlos oder mit kritikwürdigen Intentionen vor allem im öffentlichen Kontext verwendet wird.
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Mit dem Ausdruck Klimaterroristen wird im öffentlich-politischen Diskurs pauschal Bezug auf Akteure genommen, die sich für die Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen und die Erreichung der Ziele des Pariser Klimaabkommens einsetzen. Der Ausdruck wurde im öffentlichen Diskurs gebraucht, um Aktivisten und deren Protest zu diskreditieren.

Von Constanze Spieß

Die Jury kritisiert die Verwendung des Ausdrucks, weil Klimaaktivisten mit Terroristen gleichgesetzt und dadurch kriminalisiert und diffamiert werden. Unter Terrorismus ist das systematische Ausüben und Verbreiten von Angst und Schrecken durch radikale physische Gewalt zu verstehen. Um ihre Ziele durchzusetzen, nehmen Terroristen dabei Zerstörung, Tod und Mord in Kauf. Durch die Gleichsetzung des klima-aktivistischen Protests mit Terrorismus werden gewaltlose Protestformen zivilen Ungehorsams und demokratischen Widerstands in den Kontext von Gewalt und Staatsfeindlichkeit gestellt.

Mit der Verwendung des stigmatisierenden Ausdrucks Klimaterroristen verschiebt sich zudem der Fokus der Debatte von den berechtigten inhaltlichen Forderungen der Gruppe hin zum Umgang mit Protestierenden (z.B. Präventivhaft). Die Forderungen der Klimaaktivisten, die Klimakrise durch wirksame politische Maßnahmen zu bewältigen, treten im öffentlichen Diskurs dabei ebenso in den Hintergrund wie die globale Bedrohung durch den Klimawandel. Im Vordergrund steht stattdessen die Frage nach politischen und juristischen Handlungsmöglichkeiten gegen zivilgesellschaftliche Akteure.

Der Ausdruck Klimaterroristen reiht sich in ein Netz weiterer Unwörter ein, die dazu dienen, die Aktivisten und deren Ziele zu diffamieren und in den Kontext von Gewalt und extremer Aggression zu stellen. Zu dem Netz der weiteren Unwörter zählen Klimaterrorismus, Ökoterrorismus oder Klima-RAF.

Außerdem kritisieren wir als Unwörter auf Platz 2 und 3 im Jahr 2022:

Sozialtourismus: Der Ausdruck Sozialtourismus war bereits 2013 Unwort des Jahres. Von einigen Politikern und Medien wurde damals mit der Verwendung dieses Wortes gezielt Stimmung gegen unerwünschte Zuwanderung, insbesondere aus Osteuropa, gemacht. Aus aktuellem Anlass hat sich die Jury entschieden, diesen Ausdruck auf Platz 2 zu setzen. Im Jahr 2022 wurde Sozialtourismus von Friedrich Merz zur Bezeichnung von Menschen aus der Ukraine, die Zuflucht vor dem Krieg suchen, verwendet. Die Jury sieht in diesem Wortgebrauch eine Diskriminierung derjenigen Menschen, die vor dem Krieg auf der Flucht sind und in Deutschland Schutz suchen; zudem verschleiert der Ausdruck ihr prinzipielles Recht darauf. Die Perfidie des Wortgebrauchs besteht darin, dass das Grundwort Tourismus in Verdrehung der offenkundigen Tatsachen eine dem Vergnügen und der Erholung dienende freiwillige Reisetätigkeit impliziert. Das Bestimmungswort sozial reduziert die damit gemeinte Zuwanderung auf das Ziel, vom deutschen Sozialsystem profitieren zu wollen, und stellt die Flucht vor Krieg und die Suche nach Schutz in den Hintergrund.

defensive Architektur: Bei diesem Ausdruck handelt es sich um eine Übertragung aus dem Englischen (de-fensive/hostile urban architecture). Im Deutschen ist der Ausdruck auch unter der Alternativbezeichnung Anti-Obdachlosen-Architektur bekannt. Bei dem Wort defensive Architektur handelt es sich um eine milita-ristische Metapher, die verwendet wird, um eine Bauweise zu bezeichnen, die sich gegen bestimmte, wehrlose Personengruppen (zumeist Menschen ohne festen Wohnsitz) im öffentlichen Raum richtet und deren Verweilen an einem Ort als unerwünscht betrachtet. Die Jury kritisiert die irreführende euphemistische Be-zeichnung einer menschenverachtenden Bauweise, die gezielt marginalisierte Gruppen aus dem öffentlichen Raum verbannen möchte.

In diesem Jahr greift die Jury wieder auf die 2013 eingeführte Kategorie des persönlichen Unworts des Gast-jurors zurück, um Ausdrücke, die den jährlich wechselnden Gastjuror:innen am Herzen liegen, zu würdigen.

Das persönliche Unwort des diesjährigen Gastes Peter Wittkamp (Autor, Gagschreiber und Werbetexter):
militärische Spezialoperation: Der Ausdruck ist eine zutiefst euphemistische Bezeichnung für einen aggres-siven kriegerischen Akt, der als das enttarnt werden muss, was er ist: Propaganda, mit der der Kreml nicht nur die gesamte Welt und Deutschland belügt, sondern auch sein eigenes Land und seine Bürger.

Unwortstatistik 2022:

Für das Jahr 2022 erhielt die Jury insgesamt 1476 Einsendungen. Es wurden 497 verschiedene Ausdrücke vorgeschlagen, von denen knapp 55 den Unwort-Kriterien der Jury entsprachen.

Unter den häufigsten Einsendungen (mehr als 15), die aber nicht zwingend den Kriterien der Jury entspre-chen, waren: (Doppel-)Wumms (52), Gratismentalität (26), Klima-Kleber (18), Klima-RAF (34), Klima-Terro-rist(en) (32), (militärische) Sonder-/Spezialoperation (64), mithitlern (15), nachhaltig (18), Sondervermögen (54), Sozialtourismus (71) und Zeitenwende (15).

Die Jury der institutionell unabhängigen und ehrenamtlichen Aktion „Unwort des Jahres“ besteht aus folgen-den Mitgliedern: den vier Sprachwissenschaftlern Dr. Kristin Kuck (Otto-von-Guericke-Universität Mag-deburg), Prof. Dr. Martin Reisigl (Universität Wien), Prof. Dr. David Römer (Universität Kassel), Prof. Dr. Constanze Spieß (Sprecherin der Jury; Philipps-Universität Marburg) und der Journalistin Katharina Küte-meyer. Als jährlich wechselndes Mitglied war in diesem Jahr Peter Wittkamp (Autor, Gagschreiber, Werbe-texter) beteiligt.

Die Autorin ist Professorin am Institut für Sprachwissenschaft in Marburg und Sprecherin der Jury.

unwortdesjahres.net
unwort-bilder.de

Autor:

Online-Redaktion

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