Kommentar
Kloß im Hals
Von Willi Wild
In Mühlhausen hat man es mit kulinarischer Tradition. Aber nicht nur hier. In ganz Thüringen versteht man etwas von lukullischen Genüssen. In Weida huldigt man dem Kuchen, im Eichsfeld der Rohwurstsorte Feldkieker, in Südthüringen den rauhen Hütes, in Apolda den Backhauskartoffeln.
Wir wissen nichts von Thomas Müntzers Leidenschaft für Klöße. Aber warum sollte nicht auch in der heutigen Zeit eine Tradition begründet werden? Am Sonntag gibt es in der Müntzer-Stadt erstmals einen Kloßsonntag. Im Gemeindehaus der Petrigemeinde predigt Pfarrer Tobias Krüger über die Kartoffel. Als Anschauungsobjekt hat er eine alte Kloßpresse dabei, die er im Keller gefunden hat. Die Frau eines Bio-Bauern bringt ein altes Mühlhäuser Kloßrezept mit, das nach dem Gottesdienst ausprobiert und dessen Ergebnis mit Rotkohl und Rouladen verzehrt werden soll. »Am Kloßsonntag wollen wir über Kartoffeln und unsere Verantwortung für die Umwelt reden und dann auf traditionelle Art und Weise Thüringer Klöße machen. Weil Gemeinde auch zur Heimat gehört«, so Pfarrer Krüger.
Zu dieser Heimat gehört auch das Gelände eines ehemaligen Außenlagers des KZ Buchenwald. Angesichts des Leids der in den Konzentrationslagern der Nationalsozialisten Internierten und der Unmenschlichkeit des Systems der Zwangsarbeit mag einem der Kloß im Halse stecken bleiben. Nach Angaben des Historikers Frank Baranowski sollen im Lager »Martha II« bis zu 700 weibliche jüdische Häftlinge zwischen 15 und 33 Jahren aus Ungarn und Polen festgehalten und zur Zwangsarbeit gezwungen worden sein. Das Ansinnen eines Investors, an diesem Ort ein Thüringer Bratwurstmuseum errichten zu wollen, hat hingegen nichts mit Heimatverbundenheit zu tun. Es ist schlicht geschichtsvergessen und geschmacklos.
Autor:Online-Redaktion |
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