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Katholikentag Erfurt
Labor für die Zukunft?

Der 103. Deutsche Katholikentag, der vom ZdK veranstaltet wurde, war der erste in einem ostdeutschen Bundesland nach dem 100. Deutschen Katholikentag in Leipzig 2016.  | Foto: Foto: epd-bild/Paul-Philipp Braun
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  • Der 103. Deutsche Katholikentag, der vom ZdK veranstaltet wurde, war der erste in einem ostdeutschen Bundesland nach dem 100. Deutschen Katholikentag in Leipzig 2016.
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Der am Sonntag zu Ende gegangene Katholikentag in Erfurt war ein Experiment: Wohl kaum jemals fand ein Christentreffen in einer Stadt mit so wenig Christen statt. Für die Veranstalter war das Event daher ein Labor für die Kirche der Zukunft.

Von Stephan Cezanne (epd)

Erfurt gehört nicht zur Komfortzone des Katholizismus. In ganz Thüringen gehört nur noch etwa ein Viertel der Menschen einer der beiden großen Kirchen an. Der am Sonntag zu Ende gegangene 103. Deutsche Katholikentag in der Landeshauptstadt war ein Test, wie die Kirchen auf schwindende Mitgliederzahlen und Bedeutungsverlust reagieren können. „Der Katholikentag ist immer auch ein Motivationsmacher“, sagte Marc Frings, Generalsekretär des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK). Die Kirche befinde sich in einem Spagat zwischen Reformdebatte und dem Anspruch, weiter gesellschaftliche Präsenz zu zeigen.

Mit insgesamt laut Katholikentag 23.000 verkauften Karten wurden die Erwartungen an die Teilnehmerzahl in Erfurt sogar etwas übertroffen. Katholische Christen sind in Erfurt mit einem Anteil von sechs Prozent der Bevölkerung eine Minderheit. Auch Protestanten sind im Kernland der Reformation und der Lutherstadt Erfurt in der Minderzahl. 14 Prozent der Erfurter Bürger sind laut Evangelischer Kirche in Mitteldeutschland (EKM) noch evangelisch.

„Auch, wenn wir weniger werden: Es ist gut, dass sich Menschen heute frei für Gott und den Glauben entscheiden - oder ihren Weg anders wählen“, sagte der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, der Limburger Bischof Georg Bätzing, am Sonntag auf dem Schlussgottesdienst auf dem Erfurter Domplatz.

„Wir wünschen uns, dass die schöne Vergangenheit wiederkehrt, wo die Welt noch in Ordnung war, weil es noch eine Volkskirche, eine Leitkultur oder ähnliches gab, wo die Kirchen voll und die Kinder alle getauft und verheiratet waren“, analysierte der Leipziger Philosoph und Theologe Eberhard Tiefensee auf dem Katholikentag: „Es ist vorbei und kommt nicht wieder! Nostalgie sollten wir uns verbieten, denn wer ständig in den Rückspiegel schaut, fährt gegen den Baum.“

Das ZdK beschwor daher immer wieder, wie entscheidend die Zusammenarbeit zwischen Katholiken und Protestanten für die Zukunft ist. Für ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp ist in Erfurt ein „ökumenischer Katholikentag“ gelungen, der sich gleichermaßen „den evangelischen Geschwistern, den Freundinnen und Freunden anderer Konfessionen, Juden und Muslimen, Gottgläubigen und säkularen Menschen“ geöffnet habe.

Der Erfurter Katholikentag machte sich stark für die gefährdete Demokratie, suchte nach Friedensoptionen in internationalen Konflikten und bestärkte den Willen zur Kirchenreform. Daran beteiligte sich auch die politische Prominenz aus Berlin.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier lobte zur Eröffnung am Mittwoch die Christen: Sie hielten die Gesellschaft mit ihren Diensten und zahlreichen Hilfsangeboten wie Caritas und Diakonie zusammen. Er bedauerte zugleich, dass die Kirchen gegenwärtig einen so großen Vertrauensverlust erlebten.
Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) lobte die Kirchen. Insgesamt müsse die Transformation hin zu mehr Klimaschutz beschleunigt werden, sagte der Vizekanzler in Erfurt. Hier komme den Kirchen eine bedeutende Rolle zu: „Sie vermitteln ein Ziel und eine Hoffnung, auf die wir hinarbeiten müssen.“ Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sagte zur Rolle der Kirchen: "Kirche ist für mich ein Ort des Zusammenkommens.” Sie selbst sei Mitglied der evangelischen Kirche, auch wenn sie selbst nicht gläubig sei.

Zentrales Thema in Erfurt war der Missbrauchsskandal. Sexualisierte Gewalt durch Kirchenleute wurde 2010 zum öffentlichen Skandal. Betroffene beklagten in Erfurt eine schleppende und unzureichende Aufarbeitung. Warum der Staat die Aufarbeitung den Täterorganisationen überlasse, wurde gefragt. „Das ist eine politische Frage“, sagte der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller. Rechtlich wäre es möglich, dass der Staat eine gesetzliche Grundlage für eine unabhängige Aufarbeitung schafft, so wie es in angelsächsischen Ländern bereits geschieht.

Autor:

Online-Redaktion

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