Welterbe: Weiter Streit um Naumburger Dom-Altar
Mehr Venedig wagen
Im Streit um den wieder errichteten Marienalter im Naumburger Dom liegen die Positionen weiterhin weit auseinander. Die Vereinigten Domstifter zu Merseburg und Naumburg haben die Aufstellung eines mittlerweile abgebauten Marienaltars nun erneut verteidigt. Rechnungsbücher der Kirchenfabrik belegten, dass der von Lucas Cranach dem Älteren 1520 vollendete Altaraufsatz damals im Westchor des Domes geschaffen und dort auch aufgestellt worden sei.
Stiftsdirektor Holger Kunde und der Leiter des Domstiftsarchivs, Matthias Ludwig, fanden überdies in einer Quellenstudie Belege für einen Bildersturm im Naumburger Dom im Zuge der Reformation. Diesem seien am 9. November 1541 das Mittelteil des Altaraufsatzes und weitere Mariendarstellungen zum Opfer gefallen.
Zur Begründung ihrer Position beriefen sich die Domstifter, die als Stiftung Eigentümer des Doms sind, auf historische Unterlagen des Naumburger Domstiftsarchivs. Dagegen hatte der Regensburger Denkmalpfleger Achim Hubel in der Zeitschrift "Denkmalpflege in Sachsen-Anhalt" (Dezember-Ausgabe) seine Auffassung bekräftigt, dass auf dem zentralen Altarblock im Westchor nie ein Altaraufsatz gestanden habe.
Die Frage ist mit Blick auf den Status des Naumburger Doms als Unesco-Welterbe relevant. Nachdem der zerstörte Mittelteil vom Leipziger Maler Michael Triegel im Stil des 16. Jahrhunderts ergänzt und der Marienaltar seit Juli 2022 im Westchor aufgestellt worden war, forderte der Internationale Rat für Denkmalpflege (Icomos) einen anderen Standort im Dom.
Zur Begründung erklärte Icomos, dessen deutscher Gliederung Achim Hubel angehört, dass der Flügelaltar den Blick auf die zwölf weltberühmten mittelalterlichen Stifterfiguren des Doms, unter ihnen Uta von Naumburg, zu stark beeinträchtige. Damit sei der Welterbe-Status des Doms in Gefahr. Icomos berät die 21 Mitglieder des Welterbekomitees der Weltkulturorganisation Unesco bei der Zu- und Aberkennung der Auszeichnung eines Architekturdenkmals als Weltkulturerbe.
Wie der Stiftungsdirektor der Vereinigten Domstifter, Holger Kunde, betonte, ist die Frage des Standortes auch mit Blick auf die Charta von Venedig, einer 1964 vereinbarten und international anerkannten Richtlinie in der Denkmalpflege, von "erheblicher Bedeutung" für die künftige Aufstellung des Altares. Der Charta zufolge ist auch der angestammte Platz eines Kunstwerks beim Denkmalschutz relevant.
Ungeachtet der Kontroverse habe der Marienaltar an seinem zeitweiligen Aufstellungsort großes Interesse hervorgerufen, so Kunde. So haben insgesamt 119 701 Menschen im vergangenen Jahr das Welterbe besucht. Um an die Besuchszahlen aus der Zeit vor der Corona-Pandemie anknüpfen zu können, planen die Domstifter für 2023 neue Sonder- und Expertenführungen. In der Bischofskurie schreite zudem die Planung für das künftige Welterbe-Informationszentrum voran, dessen Fertigstellung für 2025 geplant ist. Die Finanzierung des mehr als zehn Millionen Euro teuren Projekts erfolge vor allem durch Mittel der Investitionsbank Sachsen-Anhalt und des Burgenlandkreises.
Der Marienaltar indes befindet sich seit Dezember im Paderborner Diözesanmuseum, wo er bis Juni ausgestellt ist. Anschließend soll er an weiteren Orten zu sehen sein, bis er nach Naumburg zurückkehrt.
(kna/epd)
Autor:Online-Redaktion |
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