Katholikentag Erfurt
Ministerpräsident sieht Ost-Themen gut vertreten
Nach Ansicht des Thüringer Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Linke) werden die Stadt Erfurt und ihre Geschichte auch den Charakter des am Mittwoch beginnenden 103. Deutschen Katholikentags prägen. Grund hierfür sei die besondere Situation der Kirche in Thüringen und Mitteldeutschland, sagte der Regierungschef im Gespräch mit Matthias Thüsing. Es seien Gläubige in einer weitgehend säkularen Gesellschaft. So deutlich sei das in den westdeutschen Bundesländern nicht zu finden. Daher gebe es auch wichtige Themen bei diesem Katholikentag, die einen Bezug zur Kirche in der DDR und der Zeit nach der Wende haben. So sei etwa die Rolle der Erfurter Priesterausbildung in DDR-Zeiten von hoher Bedeutung und Ausstrahlungskraft bis weit nach Osteuropa hinein, sagte der evangelische Christ Ramelow.
Herr Ramelow, es gab im Vorfeld des 103. Katholikentags die Debatte um angeblich fehlende Ostbezüge im Programmangebot. Sehen Sie das auch so?
Bodo Ramelow: Das war in erster Linie etwas, das der Katholikentag mit sich selbst ausmachen musste. Und so bin ich mit dem ehemaligen Erfurter Oberbürgermeister und Vorsitzenden des Trägervereins des deutschen Katholikentags, Manfred Ruge, auch verblieben. Er hatte die Debatte dazu ja selbst öffentlich gemacht.
Spiegelt sich aus Ihrer Sicht die Perspektive der östlichen Bundesländer ausreichend in den 500 Veranstaltungen wider?
An vielen Stellen können Sie im Programm durchaus eine westdeutsche planende Hand erkennen. Aber es gibt auch wichtige Themen bei diesem Katholikentag, die einen Bezug zur Kirche in der DDR und der Zeit nach der Wende haben. So ist etwa die Rolle der Erfurter Priesterausbildung in Zeiten der DDR von hoher Bedeutung und Ausstrahlungskraft bis weit nach Osteuropa hinein. Und das findet sich eben auch im Programm wieder. Ich denke ohnehin, der Charakter dieses Katholikentags bestimmt sich nicht nur durch die gesetzten Schwerpunkte, sondern auch durch die besondere Situation der Kirche in Thüringen und Mitteldeutschland.
Sie sprechen die ökumenische Tradition im Stammland der Reformation an?
Die Stadt Erfurt ist für diesen Kirchentag hervorragend geeignet. Sie wurde in der Reformation sehr früh evangelisch und trotzdem gehörte die Stadt noch über Jahrhunderte dem katholischen Fürstbischof von Mainz. Aber beide Konfessionen hatten im Hammelburger Vertrag schon weit vor dem Dreißigjährigen Krieg verabredet, getrennt und trotzdem in Frieden miteinander zu leben. Das ist noch heute überall in der Stadt spürbar. Schauen Sie auf die sogenannten Küchendörfer, die heutigen Vororte. Diese hatten zunächst Naturalien, später auch Geldleistungen an den erzbischöflichen Erfurter Hof zu liefern. Sie waren über Jahrhunderte und sind bis heute katholisch geprägt, und das im einstmals tief protestantischen Erfurt.
Wie wird diese Ökumene heute gelebt?
Erfurt ist die einzige Stadt, in der sich 2011 Papst Benedikt XVI. mit dem Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche Deutschlands über Fragen der Ökumene im direkten Gespräch ausgetauscht hat. Schon 2017 haben sich die beiden großen christlichen Kirchen entschieden, den zum Reformationsjubiläum eingeschlagenen Weg miteinander weiterzugehen. Das Jubiläum wurde ökumenisch begangen. Und gemeinsam haben sich beide Kirchen auch in die Feiern zu 900 Jahren Jüdisches Leben in Erfurt eingebracht. Das mündete dann unter anderem in die Initiative, der jüdischen Landesgemeinde eine in den christlichen Gemeinden geschriebene Thora-Rolle zu stiften. Vorläufiger Höhepunkt dieser engen Zusammenarbeit war die erfolgreiche Bewerbung der jüdischen Stätten Erfurts für das Weltkulturerbe. Und generell ist da die Situation der Christen in Erfurt und Thüringen: Sie sind Gläubige in einer weitgehend säkularen Gesellschaft. So deutlich ist das in den alten Bundesländern nicht zu finden.
Sie haben den Frieden angesprochen. „Zukunft hat der Mensch des Friedens“ ist das Motto des Katholikentags. Erwarten Sie ein friedliches Glaubensfest oder befürchten Sie Provokationen von Rechts, etwa durch AfD-Anhänger?
Ich erwarte ein friedliches Fest und möchte auch keine Vorfälle herbeireden.
Aber die öffentliche Debatte über genau solche Befürchtungen läuft ja bereits.
Die gibt es bei allen Großveranstaltungen und sie machen nicht bei Rechtsextremisten halt. Auch Störungen von religiös-fundamentalistischer Seite oder dem linksextremistischen Spektrum sind ein Thema. Fundamentalismus ist in jeder Verkleidung einfach intolerant und inakzeptabel. Und das müssen wir immer deutlich machen.
In diesem Zusammenhang kann und wird sicherlich auch der Konflikt zwischen Israel und Palästina eine Rolle spielen. Wie kontrovers darf über das Thema auf einem Katholikentag gestritten werden?
Nicht dass, sondern wie sich Israel im Moment verteidigt, dass das auch Seelen belastet, kann ich gut nachvollziehen. Aber wenn dann Leute unterwegs sind und sich solidarisieren mit Organisationen, die im Kern für diktatorische Staatsformen eintreten, dann hört mein Verständnis auf.
Was empfiehlt der Thüringer Regierungschef den Besuchern des Katholikentags abseits des gut gefüllten Programmheftes? Was sollte man sich keinesfalls entgehen lassen?
Nehmen Sie sich einfach Zeit, die Stadt kennenzulernen. Schlendern Sie durch Gassen der Altstadt und entdecken Sie, wie schön Erfurt ist. Fragen Sie im Dom nach Führungen zum Marienbildnis. Da wäre mein Geheimtipp. Besuchen Sie den Egapark oder laufen Sie von Klein-Venedig in der nördlichen Altstadt bis zum Nordpark oder schlendern Sie durch die Geraaue sogar weiter bis in den Ortsteil Gispersleben. Das alles wurde zur Buga 2021 völlig neugestaltet und lohnt einen Besuch.
Autor:Online-Redaktion |
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